Im feuchtwarmen Innenklima von Blechblasinstrumenten, hervorgerufen durch kondensierende Atemfeuchte und hereingetragene Partikel, gedeiht schnell ein mikrobiologisches Klima. Bakterien an Kinnhaltern von Streichinstrumenten wiederum haben eine besonders lange Kontaktzeit mit der Haut. Ob und inwieweit dies gesundheitsschädlich sein kann und welche Reinigungsmaßnahmen empfehlenswert sind, haben die drei Autoren/-innen untersucht.
Im Rahmen der Bursa Brass Week im April 2017 wurden erstmals 50 Proben aus den Blechblasinstrumenten aller Teilnehmer genommen und analysiert. Dabei waren einige Instrumente aus Deutschland „angereist“. 2018 und 2019 wurden Proben nach Reinigungsvorgängen genommen sowie nach einigen Tagen ohne Reinigung um den Wiederbefall mit Bakterienkolonien zu bewerten. Im Rahmen der Violinen- und Posaunenwoche im Juni dieses Jahres in Ankara wurden Proben ohne Reinigung, sowie nach der Reinigung der Instrumente nach drei und fünf Tagen analysiert. Erstmals wurden auch Proben von zehn Kinnhaltern der Schüler und Studenten genommen.
Die Liste der gefundenen Bakterien ist lang, hier seien nur eine kleine Auswahl und Beispiele für ihr Gefährdungspotenzial bei geschwächtem Immunsystem genannt: Die pathogenen Stämme des Enterococcus faecium können unter anderem eine Entzündung der Herzinnenhaut und Blasenentzündung auslösen, wobei die Infektionen relativ schwierig mit Antibiotika zu behandeln sind. Der Staphylococcus hominis kann bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem zu Sepsis führen. Zu den häufigsten Infektionen durch Klebsiella pneumoniae gehören untere Atemwegs- und Harnwegsinfektionen. Sie sind zunehmend häufig resistent gegen Penicillin und Ampicillin. Elizabethkingia miricola kann Lungenentzündungen und -abszesse, Entzündungen der Mundschleimhaut, Harnwegsinfektionen, Bakteriämien sowie Sepsis auslösen.
Natürlich ist eine einzelne Bakterie nicht ausschlaggebend für eine Infektion. Dass Bakterien ihre pathologische Wirkung entwickeln können, kommt auch auf die Menge der Kolonien an, deren Aktivität und wie oft jemand damit in Berührung kommt. Bei den Proben der diesjährigen Violinen- und Posaunenwoche in Ankara wurde auch erstmals eine quantitative Bestimmung der Bakterienstämme vorgenommen. Die Ergebnisse bei Kinnhaltern belaufen sich auf 5 bis 25 Kolonien pro Abstrich, dagegen bei den Blechbläsern (Posaunen) zwischen 50.000 und 150.000 Kolonien. Dieses Ergebnis muss richtig gelesen werden: Die Bakterien am Kinnhalter werden über Stunden des Übens und Spielens in die Haut geradezu einmassiert. Die Stelle mit dem berühmten Geigerfleck ist auch schon allein durch die Haltung, den ständigen Druck und die Reibung traumatisiert. So könnte diese geringe Menge durchaus auch eine Infektion begünstigen.
Bei den Posaunen liegt viel daran, wie weit das Mundstück beim Einatmen von den Lippen entfernt ist. Eine permanente Atmung durch das Instrument, die es ja durchaus bei einigen Übungen gibt, mal außen vorgelassen, reicht der Atemsog nur für die ersten 20 bis 30 cm im Instrument, während aus den tieferen Regionen des Instruments nur wenig Luft angesogen wird.
Posaunen, Trompeten und Hörner waren fast alle gleichmäßig befallen, die einzige Ausnahme bildete eine von innen und außen vergoldete Trompete eines Kollegen, die einmal im Monat mit Wasser gereinigt wird und bei der keine Bakterienstämme im Instrument nachgewiesen werden konnten. Doch gibt es einige Faktoren, die je nach Instrument eine Infektion begünstigen können: Das Mundstück einer Tuba oder Posaune ist wesentlich größer als das des Horns und der Trompetenfamilie. Zudem wird auch mehr Luftvolumen eingeatmet.
Was wird eingeatmet?
Bei jedem Einatmen wird logischerweise auch Luft aus dem Instrument eingeatmet, da das Mundstück ja nicht ganz von den Lippen entfernt wird, sondern nur ein bis zwei Millimeter. Bei unserem Test konnten wir feststellen, dass die eingeatmete Luft im normalen Spielbetrieb, von speziellen Übungen abgesehen, sich auf die ersten 20 bis 40 cm des Instruments beschränken. Dies bezieht sich allerdings nur auf die Posaune. Nun könnte man annehmen, es würde reichen, wenn nur die ersten 20 bis 40 cm gereinigt würden, doch je mehr jemand übt und je professioneller er spielt, umso tiefer und intensiver ist die Atmung. So kommen doch immer wieder Bakterien aus den Tiefen des Instruments auch in unsere Lungen. Bei einer Grippe, einer anderen Immunschwäche oder einer Allergie könnten diese Bakterien, die dann bei der Einatmung doch noch unsere Lunge erreichen, das Verschlimmern einer bestehenden Infektion oder das Auslösen einer Allergie, eines allergischen Asthmas oder sonstiger Infektionskrankheiten begünstigen.
Reinigungsoptionen
Ist all das Grund zur Panik? Bei ausreichender Reinigung ganz klar: nein, wie die Ergebnisse unserer Reinigungsuntersuchungen an Posaunen ergeben haben. Diese seien hier mit kurzen praktischen Hinweisen und Pro- und Contra-Einschätzungen zusammengefasst:
Wasser und Bürste
Benutzt wurde dabei zum einen eine Slide-O-Mix Reinigungsstange mit flexiblem Bürstenaufsatz. Dabei wurde ungefähr ein halber Liter Wasser in den Zug gefüllt und mit der Bürste ungefähr 15- bis 20mal hin und her gebürstet. Danach wurde das Wasser ausgeschüttet, wieder neues Wasser aufgefüllt, durchgeschüttelt und ausgegossen. Nach zehn Minuten Wartezeit, um einen relativ trocknen Zug zu erzielen, wurden die Proben entnommen. Zum anderen wurde – obwohl so vom Hersteller nicht vorgesehen – ein Frottierwischer über den Bürstenaufsatz gezogen. Das Frottiertuch wurde zehn Minuten in kochendem Wasser ausgekocht, um ein möglichst unverfälschtes Ergebnis zu erzielen. Das ist wahrscheinlich die üblichste Art, einen Zug zu reinigen, wobei man mit der flexiblen Spitze natürlich auch wieder bis in den Zugbogen kommt und so den Zug relativ trocken sauber reiben kann.
Pro: Einfache Handhabung, relativ gutes Ergebnis. Entfernen der Rückstände auf mechanische Weise.
Contra: Nicht ganz rein, sehr schneller Wiederbefall mit Bakterien.
Alkohol
Reinigung mit einem Durchziehwischer: Das Tuch wurde vorher ausgekocht, getrocknet und dann mit reinem medizinischem Alkohol getränkt. Der Lappen wurde zweimal durch den Zug gezogen.
Pro: Sehr einfache Handhabung, gutes Ergebnis.
Contra: Transport nicht ganz so einfach, manche Bakterienkulturen bilden bei Anwendung mit Alkohol einen Biofilm, das heißt, die Reinigung ist nicht mehr so gewährleistet, da nur die obere Schicht der Bakterienkolonie entfernt wird. Nachspülen ist empfehlenswert allein wegen des Geruches.
Waschbenzin oder Sagrotan
Contra: Aus gesundheitlichen Gründen und Gründen der Instrumentenwerterhaltung sollte von diesen Reinigungsmitteln Abstand genommen werden.
Hochionisiertes Wasser mit natürlichen Aromastoffen
Der Außenzug wurde komplett mit der Reinigungslotion gefüllt und zirka 20 Minuten einfach aufrecht aufgehängt. Nach der Einwirkzeit wurde der Zug auf den Kopf gestellt und geschüttelt, natürlich nicht ohne die beiden offenen Zugenden mit dem Daumen zu verschließen. Danach wurde die Reinigungslotion ausgeschüttet und der Zug fünf Minuten zum Trocknen aufgehängt.
Pro: Es ist kein Nachspülen erforderlich und es ist geruchlos. Die Entsorgung ist völlig problemlos. Bei regelmäßiger Anwendung ist eine langanhaltende Desinfektion gewährleistet.
Serva Detergent 7X
Es wurde eine zehnprozentige Lösung angewendet. Ursprünglicher Anwendungsbereich sind Labore, in denen mit Zellstrukturen und Gewebekulturen gearbeitet wird und daher von stark ätzenden gewebeschädigenden Desinfektionsmitteln abgesehen werden muss. Es wurden beide Außenzüge mit der Lösung gefüllt und aufgehängt. Nach 30 Minuten wurden die Züge ausgeschüttet und nochmal zehn Minuten mit den Öffnungen nach unten zum Trocknen aufgehängt. Danach erfolgte die Probenentnahme.
Pro: Hochaktives Reinigungsmaterial, das selbst für die empfindlichsten Organismen garantiert ungiftig ist. Laut Hersteller umweltfreundlich, bestehend aus anionischen Tensiden, und speziellen Lösungsmitteln. Es ist völlig phosphatfrei und biologisch abbaubar und damit umweltverträglich. Ungefährlich und nicht ätzend. Gründliche bakterienfreie Reinigung.
Contra: Hoher Preis, mehrfaches Nachspülen mit Wasser nötig, nicht einfach zu beziehen.
Schneller „Wiederbefall“?
Je nach Nutzung sind die Instrumente ohne Reinigung nach etwa einer Woche wieder in dem „Urzustand“, der vor der Reinigung bestand. Für Instrumente, die zum Beispiel ein halbes Jahr im Schrank, Keller oder Lager ungespielt gelagert werden, kann aus mehreren Gründen Entwarnung gegeben werden. Es wurden an einer entsprechenden Posaune keine Bakterienkulturen nachgewiesen. Zum einen ist das Instrument über längere Zeit trocken gelagert worden, zum anderen hat entstehender Grünspan eine antibakterielle Wirkung
Kinnhalter bei Violinen und Bratschen
Der „Geigerfleck“ kann als eine Sonderform der chronischen irritativen Kontaktdermatitis gelten. Neben den chronischen mechanischen Reizungen haben wahrscheinlich auch chemische Reize einen gewissen Einfluss bei der Entstehung des Geigerflecks von Instrumentalisten. Was den Bakterienbefall betrifft, so wurden im September die Erfolge verschiedener klassischer Reinigungsmethoden an Kinnhaltern getestet. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse:
Alkohol
Pro: Alkohol ist ein gängiges Reinigungsmittel für den Kinnhalter und auch der Saiten und des Griffbretts. Die Reinigung ist bakterienabtötend und der Kinnhalter klebt anschließend nicht.
Contra: Es ist nicht immer einfach, ein Fläschchen Alkohol mit sich zu führen. Auch besteht die Gefahr, bei versehentlichem Verschütten des Alkohols über das Instrument einen Schaden am Lack zu verursachen.
ISANA 5+1 Reinigungstücher
Pro: ISANA hinterlässt im Gegensatz zu vielen anderen ausprobierten Reinigungstüchern beim Kinnhalter keine klebrige Schicht. Zudem reinigt es bakterienfrei, ist alkoholfrei, reinigt auch gut die Saiten und das Griffbrett. Die Tücher sind leicht anzuwenden. Auch zum Reinigen des Halses der Musiker geeignet.
Hochionisiertes Wasser mit natürlichen Aromastoffen
Pro: Auf Wasserbasis, antimikrobielle Wirkung. Reinigt bakterienabtötend, hinterlässt keine Spuren oder einen klebrigen Film. Reinigt sehr gut die Saiten und das Griffbrett. Kann zur Reinigung und Pflege der Haut am Hals des Musikers empfohlen werden.
Peter Körner (Prof. für Posaune, Uludag Universität, Bursa, Türkei), Asli Özsoy (Prof. für Violine, Uludag Universität, Bursa, Türkei), Heinrich Thein (Blechblasinstrumenten- und Schlagzeugbaumeister, Gründer von Thein Brass Bremen)