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Ist die Diagnose gestellt, beginnt die Therapie

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Musikverlage an der Schwelle zum 21. Jahrhundert – Teil 2
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Steht also bei den E-Verlagen das klassische Papiergeschäft im Vordergrund der Verlagstätigkeit, ist das bei den so genannten U-Verlagen völlig anders. Das Hauptgeschäft besteht hier im Wesentlichen aus der Arbeit mit den Rechten, den Copyrights. Das Papiergeschäft findet nur im Fall von Hits und auch da zumeist per Abdrucklizenz statt. Zu den wichtigsten Aufgaben eines U-Verlages gehört neben der ständigen Akquisition von Copyrights und Subverlagsrechten vor allem die Promotion und Verwertung der Verlagskataloge in den Medien.

(Fortsetzung der Artikels „Bleiplatte bis Son-Plugging“ aus nmz 2/04)

Das sind zuallererst natürlich die traditionellen Medien wie Tonträger und Bildtonträger sowie Rundfunk, TV, Werbung, zunehmend natürlich aber auch die neuen Medien wie insbesondere die Klingeltöne. Auch die reine Verwaltung dieser Copyrights (dazu gehören die Vergabe von Abdrucklizenzen, Synch-Rights für Filme, Klingeltöne und Werbung, Bearbeitungsgenehmigungen oder Kontrolle von Abrechnungen) ist angesichts der großen Zahl von verwalteten Rechten (die Industrieverlage kommen schon mal auf eine Million Copyrights) ein wesentlicher Geschäftsbereich. Ein Schwerpunkt aber liegt bei der Behandlung der zum Teil sehr komplexen GEMA-Fragen, denn ein Löwenanteil der Verlagseinnahmen (die drei Säulen des Verlegers: Senderecht, Aufführungsrecht und mechanisches Recht) wird hier im Wesentlichen aus dem GEMA-Topf gespeist.
Die Marktsituation

Geprägt ist die Marksituation zunächst einmal von der Tatsache, dass sich die so genannten konzerngebundenen Industrieverlage (das sind: EMI Music Publishing als Marktführer, Warner/Chappell Music, Universal Music Publishing sowie BMG Music Publishing und Sony/ATV Music Publishing – die beide übrigens nicht von einer möglichen Fusion BMG/Sony betroffen sind) das Geschäft mit einer Vielzahl von kleineren und kleinsten Verlagen, den so genannten Independents, teilen müssen. Der wesentliche Unterschied zwischen den Industrieverlagen und den gerne auch „Indies“ genannten Independents besteht nun darin, dass die Industrieverlage jeweils einem der großen Plattenkonzerne angehören, also direkt mit der Plattenindustrie verquickt sind. Beabsichtigt war mit diesem Modell, dass sich die Titel der Plattenkünstler so auf einfache und rationelle Weise verlegerisch verwerten ließen. Die an die GEMA zu zahlenden Royalties (Lizenzgebühren) fürs mechanische Vervielfältigungsrecht kamen so nämlich praktischerweise – abzüglich der GEMA-Kommission natürlich – gleich wieder ins Haus zurück. Mittlerweile aber hat sich der Verlagsbereich gegenüber dem dominierenden Plattenbereich auch einigermaßen emanzipieren können, denn durch ständige Akquisitionen von neuen Verlagskatalogen, vor allem im Subverlagsbereich, durch Aufkäufe von Verlagen aller Art, durch den Abschluss von Administrations-, Editions-, und Co-Verlagsverträgen hat sich das Betätigungs- und Einflussspektrum doch deutlich erweitert. So ist auch das Repertoire von Plattenfirma und Verlag längst nicht mehr völlig deckungsgleich. Das die gesamte Welt umspannende System von Schwester-, Mutter- und Tochterunternehmen erleichtert obendrein dem Industrieverlag eine optimale Betreuung und internationale Vermarktung ihrer Copyrights sehr. Welchen Verwerter freut es nicht, alle Rechte – und das weltweit – aus einer Hand zu bekommen.
Und wo bleiben angesichts dieser Situation (die genannten Industrieverlage machen insgesamt mehr Umsatz als alle Independents zusammen) die kleinen, die unabhängigen Verlage, die Indies? Sie haben es zunehmend schwer, sich gegenüber den Konzernen durchzusetzen. Ganz besonders zu kämpfen haben natürlich auch die Kleinen mit den ungeheuren Rückgängen im Bereich Tonträger, denn mit diesem Markt hängt man, auch wenn es bei den Verlagen noch andere Verwertungs- und Einnahmemöglichkeiten als die Tonträger gibt, auf Gedeih und Verderb zusammen. Alleine im Jahr 2003 sind die Umsätze der deutschen Tonträgerindustrie als Folge der Internet- und Brennerkonkurrenz um 20 Prozent, im Vergleich zu jeweils 10 Prozent in 2002 und 2001, eingebrochen, seit 1997 sind es insgesamt etwa 40 Prozent. Was das hinsichtlich der lebensnotwendigen GEMA-Ausschüttungen der Verlagsanteile bedeutet, liegt auf der Hand. Dazu kommt, dass die deutsche Tonträgerindustrie ohnehin schon um jeden an die GEMA zu zahlenden Cent jahrelang vor den Schiedsgerichten feilscht. Auch die einst sehr lukrativen Einnahmen aus der Werbung gehen im Rahmen der allgemeinen Werbekrise stark zurück, hier allerdings zeigt sich langsam eine Wende zum Besseren ab. Mit starkem Gegenwind durch die Konzernverlage zu tun haben die unabhängigen Verlage auf dem Gebiet des Subpublishing, einem für alle U-Verlage extrem bedeutsamen Geschäftsfeld, von dem im Wesentlichen das Wohl und Wehe eines Verlagshauses abhängt. Wenn man bedenkt, dass auch in Deutschland die anglo-amerikanische Musik dominiert, kann man abschätzen, wie wichtig die Akquisition von Verlagskatalogen aus diesen Ländern für deutsche Verlage ist.

Nur von deutscher Musik alleine kann nicht eine ganze Branche leben. Um nun einen der begehrten Verlagskataloge in seinem Gebiet vertreten zu dürfen, muss vom Verlag zunächst ein – in der Regel horrender – Vorschuss gezahlt werden. Und dieser wiederum muss im Laufe der drei bis fünf Jahre, die ein solcher Vertrag läuft, erst einmal amortisiert werden – von einem möglichen Gewinn noch ganz zu schweigen, denn oftmals muss man sich seine Subrechte auch noch mit anderen Verlagen teilen. Durch großen Druck der mit Kapital gut ausgestatteten und ebenfalls um Subverlagskataloge buhlenden Industrieverlage aber steigen diese Vorschüsse immer weiter – und das bei gleichzeitig sinkendem Tonträgeraufkommen. Hinzu kommt, dass viele der anglo-amerikanischen Verlage dazu neigen, Subverlagsrechte nicht mehr nur für ein Land zu vergeben, sondern am besten gleich für eine ganze Reihe von Ländern. Da aber können die meist national agierenden Unabhängigen in der Regel nicht mehr mithalten, müssen das Feld den Konzernen überlassen, die noch dazu die gezahlten Vorschüsse und deren Amortisationsrisiko auf mehrere Länder verteilen. Und zum guten Schluss verringert sich auch die Zahl der unabhängigen Anbieter aus den angelsächsischen Ländern durch permanente Aufkäufe – nicht zuletzt wiederum durch die Konzerne – immer weiter, so dass am Ende auch die Zahl der verfügbaren Kataloge kontinuierlich sinkt.
Schwierige Zeiten

Es sind also auch im U-Bereich schwierige Zeiten angebrochen. Das gilt übrigens keineswegs nur für die Independents, sondern ebenso für die Industrieverlage. Die haben mit den dramatischen Rückgängen im Tonträger- und Werbebereich genauso zu kämpfen, sind aber besser abgesichert und können in der Krise ihre Stärken nutzen.

Doch die Independents haben ebenfalls ihre Stärken. Und genau diese gilt es gegenüber den riesigen und oft unbeweglichen Industrieverlagen auszuspielen, die an den Ketten des Shareholder Value und der Konzerncontroller hängen. Das geht natürlich zu Lasten der Kreativität und Risikobereitschaft, Eigenschaften, die von den Künstlern ganz besonders geschätzt werden. Gut haben es da diejenigen Verlage, die Marktlücken besetzen, in denen noch keine Konzerne agieren. Denn die schrecken gerne noch vor etwas exklusiven Musikrichtungen wie etwa Wave und Gothic zurück, überlassen dieses Feld also den Kleinen – wenn sie nicht gerade eine besonders erfolgreiche Band an der Angel haben. Oder sie kaufen entsprechende Spezialverlage. Alle anderen aber, die sich auf dem gleichen Schlachtfeld wie die Großen tummeln, müssen sich etwas einfallen lassen, um in der allgemeinen Krise bestehen zu können.
Neue Ansätze

Hier gibt es schon etliche Ansätze: zunächst einmal entwickeln sich auch die unabhängigen U-Verlage schon seit langem weg vom reinen Verlagsgeschäft – hier also die Rechte-Akquisition und -betreuung – hin zum Manager, Agenten und Gesamtdienstleister ihrer Künstler. Gerade die kleineren Verlage können sich deutlich intensiver um viele Dinge kümmern als die schon durch ihre Größe eher schwerfälligen Majors. Das betrifft insbesondere die Promotion und das Herzstück der Plattenfirmen, das A & R (Artist & Repertoire). Verursacht durch die hohe Personalfluktuation und die Masse der betreuten Copyrights sind bei den Majors in diesen Bereichen mittlerweile Defizite entstanden, die die kleinen Verlage mit ihren engen persönlichen Bindungen zu den Künstlern und Verwertern gut auffüllen können. Eine stetige Aufbauarbeit mit noch unbekannten nationalen Künstlern findet bei den Plattenmajors in Zeiten des „Superstar“-Wahns nämlich nur noch höchst reduziert statt, was da nicht auf Anhieb Erfolg hat, verschwindet recht schnell wieder von der Bildfläche. An dieser Stelle können die viel beweglicheren und flexibleren Independents eingreifen – und tun es auch. Überhaupt arbeiten immer mehr der unabhängigen Verlage schon längst auch als Plattenproduzenten und Studioinhaber, produzieren jedenfalls die dann den Plattenfirmen angebotenen Masters selbst. Das Wort vom „Verlag als Plattenfirma der Zukunft“ geht schon um. Diese deutlich bessere Betreuung der Künstler und Kataloge durch die Kleinen ist eine riesige Chance im Kampf mit den Großen und führt übrigens schon verstärkt dazu, dass beispielsweise die erwähnten hohen Vorschüsse für Subverlagskataloge in den Keller gehen, denn der Service ist vielen Anbietern wichtiger als der schnelle Dollar. Schafft es ein Indie aber mal, seine Titel prominent auf Tonträgern oder im TV unterzubringen („Song-plugging“), kommt gleich der entsprechende Konzern und will seinen hauseigenen Verlag zumindest als Ko-Verlag beteiligt sehen.

Darüber hinaus ist es den Independents zur Vermeidung der Abhängigkeit von Fremdkatalogen enorm wichtig, eigene, nationale Originalcopyrights zu erwerben und aufzubauen, die dann eben auch im Ausland von Subverlagen betreut werden können. Nur so kann eine gewisse Unabhängigkeit vom schwierigen deutschen Markt erreicht werden. Newcomer, die bei den Konzernen mittlerweile kaum eine Chance haben und im Chart-hörigen Radio so gut wie nie gespielt werden, werden daher von den unabhängigen Verlagen mehr denn je gefördert. Branchenstar Tim Renner hat nicht zuletzt wegen dieser kurzsichtigen Konzernpolitik seinen Hut bei Universal Music genommen. Flankierend dazu wird gegenwärtig intensiv über eine dringend notwendige Newcomer-Quote im Rundfunk diskutiert, ebenso über eine Quote für deutschsprachige Titel. Vieles ist hier noch unklar. Klar ist aber, dass eine solche Quote für die deutschen U-Verlage – wie bereits im Ausland mit großem Erfolg praktiziert – eine wichtige Funktion haben wird, auch wenn sie für die Majors wegen deren internationalen Repertoires keine entscheidende Rolle spielen wird. Für die Indies tut es das dafür umso mehr.

Das Gründungsstadium hinter sich hat ein Musikexportbüro mit dem Namen „German Sounds“. Dieses Büro, ebenfalls mit ausländischem Vorbild, soll mit staatlicher Unterstützung und entsprechender Infrastruktur dazu beitragen, deutschsprachige Produktionen – und damit auch die Copyrights – im Ausland bekannter zu machen. Noch spielen deutsche Titel im Ausland ja kaum eine Rolle – von Techno oder Dance vielleicht einmal abgesehen.
Und die GEMA?

Anders als im E-Bereich mit dessen starkem Papiergeschäft spielt die GEMA bei den U-Verlagen eine ganz entscheidende Rolle. Die weitaus meisten Verwertungsarten (vor allem Tonträger, Rundfunk/TV/Klingeltöne – ohne Synch-Rights – , Aufführungen, öffentliche Wiedergaben) werden über die GEMA abgerechnet und von ihr an die Mitgliedsverlage und Autoren ausgeschüttet. Die GEMA-Einnahmen sind, wie erwähnt, im Bereich mechanische Rechte und Werbung rückläufig, auch mit Rückgängen im Rundfunk/TV-Bereich ist zu rechnen. Mittlerweile schieben sich die Handy-Klingeltöne (jetzt auch in Gestalt von „Real-Tones“ mit Originalmusik) immer mehr in den Vordergrund, auch wenn sie lange nicht das Hauptgeschäft der Verlage sind. Bei etlichen Verlagen aber macht die Lizenzierung von Klingeltönen schon bis zu 50 % der insgesamt lizenzierten Synch-Rights aus, dazu kommen noch die GEMA-Anteile für das mechanische Vervielfältigungsrecht.

Angesichts des riesigen Repertoires verwundert es kaum, wenn die Zusammenarbeit zwischen den Verlagen und der GEMA nicht immer reibungslos verläuft. Kaum möglich ist es, alle Wünsche unter einen Hut zu bringen, zu vielfältig sind da die Interessenlagen. Das Motto lautet oft: was dem einen gegeben wird, wird dem andern genommen. Das konnte man beispielhaft sehen an der heftigen Diskussion um das im Jahr 2001 eingeführte neue Abrechnungssystem PRO, bei dem es sicher Verlierer, aber keine bessere Alternative gab. Man bemüht sich aber, alle anstehenden Problempunkte – seien es die Schwierigkeiten rund um das neue, noch sehr fehleranfällige Dokumentationssystem DIDAS, seien es Abrechnungsprobleme verschiedenster Art oder sei es die Suche nach verbesserter Kommunikation – im Dialog mit der GEMA zu lösen. Die ständigen „Verlegergespräche“ haben schon zu mancher Verbesserung beigetragen.
Ganz gravierend für die Verlage (E wie U) ist auch die Tatsache, dass seit Juli 2000 die Gesamtverträge zwischen GEMA/BIEM und der IFPI über die Tonträgertarife ausgelaufen sind. Die sich seit nunmehr dreieinhalb Jahren hinziehenden Verhandlungen auf Neuabschluss sind bis heute, letztlich wegen der Unnachgiebigkeit der Plattenindustrie, erfolglos geblieben, haben sich in den letzten Wochen sogar noch durch neue, völlig überzogene Forderungen seitens der IFPI (der Vergütungssatz für Tonträger soll nun von 9,009 auf 5,6 % reduziert werden) deutlich verschärft. Bis zu einem Schiedsspruch des Patentamtes in zirka fünf Jahren wird der Differenzbetrag nun auf ein Sperrkonto gezahlt werden. Verlegern wie Urhebern wird so ein Betrag von mehr als 200 Millionen Euro vorenthalten, ein Einkommensverlust aus Tonträgerlizenzen von zirka 40 Prozent droht.

Die massiven Probleme der Plattenfirmen gehen so letztlich zu Lasten der Verlage und der Urheber, die von einer gesetzlich geforderten angemessenen Honorierung meilenweit entfernt sind. Man sieht also, dass das Verhältnis Plattenindustrie – Musikverlage alles andere als entspannt ist, im Grunde steht man sich feindselig gegenüber. Letztlich sitzt man aber doch im gleichen Boot. Daher ist ein engeres Zusammenrücken von Verlagen – also vor allem der unabhängigen – und Phonoindustrie wichtiger denn je. Und so fehlt es denn auch nicht an entsprechenden Absichtserklärungen. Die Praxis aber sieht, wie eben gerade zu erleben, völlig anders aus.
Diagnose und Therapie

Es ist offensichtlich: Die Musikverlage (E wie U, Konzerne wie Einzelkämpfer) stecken wie das gesamte Kultursystem in einer Krise. Aber ist die Diagnose erst einmal gestellt, kann die Therapie beginnen. Die Verlage haben die Krise als Chance, als Herausforderung begriffen. Man befindet sich in einer Phase der Neustrukturierungen, der Selbstreinigung, des Überdenkens alter und des Generierens neuer Geschäftsmodelle.

Es wird nicht mehr jeder für sich arbeiten, sondern es werden Kooperationen aller Art bis hin zum Geschäftszusammenschluss, eine immer größere Rolle spielen. Allerdings wird es ohne eine grundlegende Änderung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur schwer möglich sein, einen wirklichen Ausweg aus der Krise zu finden.

Und angesichts der rasanten Weiterentwicklung der sich durch die neuen Medien bietenden Möglichkeiten wird es ebenso auch schwer fallen, die rechtlichen und technischen Maßnahmen zum Schutz der eigenen Rechte diesen Entwicklungen schnell genug anzupassen.

Teil 1 des Textes

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