Angesichts einer ständig wachsenden kulturellen Angebotsvielfalt, einem deutlich geänderten Rezipientenverhalten und immer knapper werdenden finanziellen Mitteln, werden in den letzten Jahren Begriffe wie „Markenbildung“ und „Markenartikel“ auch im Kultursektor immer wichtiger, um sich im verschärfenden Wettbewerb um die Gunst des Publikums und der Geldgeber behaupten zu können.
Was aber gehört zu einer starken Marke, wie wird man zur Marke und welche Potentiale ergeben sich daraus? Was unterscheidet sie von anderen, was bietet sie mehr? Diesen und weiteren Fragen gingen Experten aus Wissenschaft und Praxis beim (mit rund 200 Teilnehmern) gut besuchten Kongress „Starke Marken – Forum Kulturmarketing“ des Instituts für Kulturmanagement am 11. und 12. Mai 2006 an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg nach.
Während die private Kulturwirtschaft die Chancen und Möglichkeiten einer starken Markenbildung bereits sehr früh und nachdrücklich begriffen und sich zu eigen gemacht hätte, bestehe insbesondere bei den öffentlich getragenen beziehungsweise unterstützten Kulturbetrieben noch enormer Nachholbedarf, stellte der Leiter des Instituts für Kulturmanagement Armin Klein zu Beginn des Kongresses fest. Dabei gehe es, so Klein weiter, künftig verstärkt um die Konkurrenz des Geldes, der Zeit und schließlich der Aufmerksamkeit der Nutzer kultureller Angebote und Dienstleistungen und damit auch um die Frage der Legitimität der öffentlich geförderten Kulturinstitutionen. Genau hier kämen der Begriff und das Konzept der Marke ins Spiel. Natürlich sei die Spitzenqualität des künstlerischen und kulturellen Angebots unabdingbar, denn eine Marke sei immer auch ein Qualitätsversprechen für die Besucher. Laut Klein sei die notwendige Qualität auch nicht das Kernproblem der meisten Kultureinrichtungen, sondern das Fehlen einer konsequenten Besucherorientierung und einer schlüssigen Corporate Philosophy – eine in sich stimmige und abgestimmte Gesamt-philosophie des Hauses – was erst der Marke zu einer starken Identität verhelfen kann.
Beispiele dafür, wie die Entwicklung einer Kultur-Marke in der Praxis erfolgreich realisiert werden kann, bekamen die Kongressteilnehmer in Vorträgen und Workshops von internationalen Referenten präsentiert. Herauszuheben sind hierbei insbeson-dere die Vorträge von Dr. Allessandra Bonetti Rubelli (Peggy Guggenheim Collection Venedig), die den Weg der Guggenheim von einer einst kleinen Privatsammlung zu einer weltbekannten Marke höchster Qualität aufzeigte, Christophe Monin (stellvertretender Direktor für kulturelle Entwicklung des Louvre Paris), laut dem kein Markenwert entstehen kann ohne eine nachhaltige kulturelle Entwicklung und Verankerung der Institution in der Gesellschaft, und Maurice Lausberg dem Leiter Development/Sponsoring der Bayerischen Staatsoper in München, die sich insbesondere in den letzten 13 Jahren der Intendanz von Sir Peter Jonas mit einer inhaltlichen Profilierung einerseits und einer fokussierten Kommunikationsstrategie andererseits zu einer einzigartigen Marke in der Opernwelt entwickeln konnte. Insbesondere die Siemens AG beschreitet neue Wege im Kultursponsoring. Das von Siemens aufgelegte „Arts Program“ als eigenständige „Non-Profit“- Abteilung der AG, versteht sich als ein spezifisches Förderkonzept, das mit einem eigenen Programm, Initiativen und Projekten aktiv wird. Die Zusammenarbeit mit den Institutionen beschränkt sich somit lediglich auf die Umsetzungsphase der Projekte. Diesbezüglich unterscheidet sich das Programm deutlich vom klassischen Sponsoring.
Hier darf sicherlich diskutiert werden, ob dieses Programm nicht den eigentlichen Gedanken des Kultur-Sponsoring konterkariert und die Institutionen zu bloßen Umsetzungsapparaten ohne Mitspracherecht degradiert werden oder ob das kreative Potential der bei Siemens beschäftigten Mitarbeiter nicht den häufig im operativen Tagesgeschäft verhafteten Kulturinstitutionen neue Freiräume für die Realisierung innovativer Projekte schafft und damit eventuell eine nachhaltigere Form des Sponsorings darstellt.
Im engen Sinne handele es sich bei der „Kulturhauptstadt Europas“ noch nicht um eine Marke, stellte Geschäftsführerin Edda Rydzy vom Netzwerk Kulturhauptstädte Europas in Berlin fest. Es gehe darum, jetzt tatsächlich eine Marke zu entwickeln, und zwar eine solche, die vor allem in der politischen und kulturpolitischen Landschaft Ausstrahlung und Gewicht besitzt. Dass sich tendenziell eine zunehmende Vielzahl von Städten um den Titel „Kulturhauptstadt“ bewirbt, habe damit zu tun, dass er ein starkes Marketinginstrument ist, und dass sich die Städte zu Recht starken Tourismus und wirtschaftliche Impulse versprechen. So sehr die Motivlage für den enormen Bedarf an Vermarktung und Markenbildung im Kulturbereich auch einleuchten mag, warf Kai-Uwe Hellmann vom Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig beim Kongress dennoch die kritische Frage auf, ob und inwieweit der Kulturbereich sich damit einen Gefallen tue. Denn Tatsache ist laut Hellmann: „Das Konzept ,Marke‘ entstammt der Ökonomie, es reagiert strikt auf die Marktlogik von Angebot und Nachfrage und könnte sich daher, sofern der Kulturbereich autonom ist und einer eigenen Logik folgt, die sich nicht primär an der Marktfähigkeit und Marktgängigkeit ihrer ,Produkte, ausrichtet, wie ein Trojanisches Pferd auswirken, eine Art Virus, oder um es mit Jürgen Habermas zu sagen: zur totalen Kolonialisierung und Kommerzialisierung der Kultur in einem Maße führen, dass sie darüber zugrunde geht.“
Sicherlich ist Hellmann dahingehend zu folgen, dass die Markenbildung im Kulturbetrieb mit dem Kernprinzip der künstlerischen Unabhängigkeit vereinbar bleiben muss und nicht zu einer Kommerzialisierung führen darf. Daher muss das Konzept „Marke“ auch in modifizierter und die Besonderheiten der Kultur berücksichtigender Form seine Anwendung finden.
Unbestritten bleibt aber auch – und das zeigen die Ergebnisse des Kongresses deutlich – dass die künftige Legitimation der jeweiligen Einrichtung nur durch die Entwicklung einer starken Marke gelingen kann, denn öffentliche Gelder werden auf Dauer nur dorthin fließen, wo ausreichend Interesse und Nachfrage vorhanden sind.
Und auch die privaten Geldgeber, Sponsoren und Spender, werden ihre Unterstützung auf Dauer nur solchen Betrieben gewähren, die ein eindeutiges Profil besitzen.