Cannes - Die international größte Musikmesse Midem in Cannes wurde gestern offiziell gestartet: Der französische Kulturminister Frédéric Mitterrand eröffnete am Sonntagmorgen das Branchentreffen von Künstlern, Managern und Produzenten. "Musik ist einer der schönsten kulturellen Werte", sagte der Minister bei der Eröffnung. Zugleich sprach Mitterrand die größte Sorge der Branche an: Das unbezahlte und unkontrollierte Herunterladen von Liedern und Alben aus dem Internet lässt die Musikindustrie seit mehr als einem Jahrzehnt zittern.
"Die neuen Ideen für kostenpflichtige Musik aus dem Internet sind sehr vielversprechend", sagte Mitterrand. "Aber die Musikbranche ist noch nicht gerettet." Wesentlich dafür sei, die Werte der Musik und die Rechte der Autoren zu bewahren. "Kultur hat ihren Preis", sagte Mitterrand.
Im Zentrum der 45. Midem stehen in diesem Jahr französische Künstler. Über allen steht Star-DJ David Guetta, der weltweit der erfolgreichste Musiker des Nachbarlandes ist. Mehr als zwei Millionen Exemplare seines Albums "One Love" hat der Franzose verkauft. Auf zahlreichen "French-Vibes"-Konzerten sollen nun auf der Midem die Stars von morgen gefunden werden. Rund 300 Künstler aus 80 Ländern treffen auf die großen Konzerne des Musik-Geschäfts. Indische Firmen stellen ihre Bollywood-Musik ebenso vor, wie die skandinavischen Länder traditionelle Songs aus ihren Ländern präsentieren. Größen wie Amy Winehouse haben auf den Bühnen der Mittelmeerstadt ihre Karriere begründet.
Bereits am Samstagabend wurden die NRJ-Musikpreise verliehen. Hörer der internationalen Radiokette aus 14 Ländern wählten die Kolumbianerin Shakira zur besten internationalen Künstlerin und deren Song "Waka Waka" zur Weltmeisterschaft 2010 zum besten Lied des Jahres. Die amerikanische Band Black Eyed Peas wurde für das beste Konzert und als beste Band ausgezeichnet.
Der glänzende rote Teppich und das traditionell große Staraufgebot in Cannes können aber nicht verhehlen, dass die Branche sich neu erfinden muss: Die unzähligen legalen und illegalen Download-Möglichkeiten setzen der Musikindustrie nach wie vor zu. In den vergangenen zehn Jahren hat sie nach Angaben des Weltverbandes der Phonoindustrie (IFPI) mehr als 40 Prozent ihres Umsatzes mit CDs eingebüßt.
Aber der Abstieg der traditionellen Vinyl-Branche lässt auch Raum für neue Ideen und Start-Ups: Mehr als ein Drittel der Aussteller in Cannes besucht zum ersten Mal die Messe. "Wir sind wieder an einem Napster-Moment", prophezeite Mark Mulligan vom internationalen Marktforschungsinstitut Forrester Research bereits am Samstag auf der begleitenden Messe Midemnet. 1999 hatte es die Webseite Napster ermöglicht, im Internet Musik zu tauschen und herunterzuladen und damit ein Jahrzehnt des Abstiegs für die Musikindustrie eingeleitet. Seitdem haben sich legale und illegale Musik-Börsen im Internet vervielfältigt. Und jugendliche Hörer kaufen kaum noch CDs, sondern konsumieren häufig zuerst ein Video ihrer Lieblingslieder bei YouTube.
"YouTube ist ein App, das Musik tötet", formulierte es der Analyst Mulligan drastisch. Bald werde auch mit dieser Idee gebrochen. Seiner Ansicht nach steckt die gesamte Branche noch in den Kinderschuhen. "Nach den Pferdekutschen sahen die ersten Autos auch noch aus wie Kutschen", sagt Mulligan. "Täuschen wir uns nicht - wir sind ganz am Anfang der Entwicklung." Erst jetzt wachse die erste digitale Generation heran, die ihr Leben selbstverständlich online organisiert und natürlich auch von digitaler Musik begleitet werden möchte. Musik sei schon immer gemeinschaftlich genutzt worden, in der Familie, mit Freunden auf Konzerten oder in der Diskothek. "Aber jetzt kommt etwas ganz Neues: Wir tauschen und hören Musik mit Nutzern auf der ganzen Welt." Die große Frage der Musikindustrie wird es sein, wie diese Online-Musik langfristig finanziert werden kann. Noch bis Mittwoch wird sich die Branche in Cannes über ihre Zukunftsvisionen austauschen.