Zum sechsten Mal bekommt Stuttgart den Titel „Opernhaus des Jahres“. Die Kritikerumfrage der „Opernwelt“ zeigt auch, dass an kleinen Bühnen große Kunst entsteht.
Das „Opernhaus des Jahres“ steht in Stuttgart. Das ergab die aktuelle Umfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ unter 50 Kritikern aus Europa und den USA. Das von Intendant Jossi Wieler geleitete Team werde für sein Programm mit selten gespielten Werken und Uraufführungen sowie für die exzellente Pflege von Repertoire und Ensemble gewürdigt, teilte „Opernwelt“ am Donnerstag in Berlin mit.
Der Titel geht zum sechsten Mal an die Oper Stuttgart. Die Ergebnisse werden im Jahrbuch „Oper 2016“ veröffentlicht.
Zur „Aufführung des Jahres“ kürten die Kritiker Karlheinz Stockhausens „Donnerstag aus „Licht“ am Theater Basel. Die erste Neuproduktion des Werks seit drei Jahrzehnten unter der musikalischen Leitung von Titus Engel und in der Regie von Lydia Steier habe den Gedankenkosmos des Werks überzeugend mit Motiven aus der Nachkriegsgeschichte und der Lebenswelt Stockhausens verknüpft.
„Regisseur des Jahres“ ist Barrie Kosky – allerdings nicht für eine Inszenierung an der Komischen Oper Berlin, wo er Intendant ist, sondern für seinen Zürcher „Macbeth“. Die Kritiker würdigten Koskys dämonisch klare Lesart der Verdi-Oper. Wesentlich zum Erfolg habe der für seine zuweilen extremen musikalischen Interpretationen gefeierte Teodor Currentzis beigetragen, der damit „Dirigent des Jahres“ wurde.
Für seine Verkörperung des Wozzeck in Alban Bergs gleichnamigem Werk an der Oper Zürich wurde der Bariton Christian Gerhaher zum „Sänger des Jahres“ gewählt. Die französisch-dänische Sopranistin Elsa Dreisig, die unter anderem die Wettbewerbe „Neue Stimmen“ und „Operalia“ gewann und in diversen Rollen an der Staatsoper Berlin zu erleben war, ist „Nachwuchskünstlerin des Jahres“.
Zum dritten Mal kann sich Anna Viebrock über den Titel der besten Bühnen- und Kostümbildnerin freuen. Den Kritikern imponierte vor allem Viebrocks Arbeit für die Neuproduktion von Vincenzo Bellinis Belcanto-Oper „I puritani“ in Stuttgart sowie für Gioachino Rossinis „Il Viaggio a Reims“ in Zürich.
Die Auszeichnung „Orchester des Jahres“ geht zum dritten Mal in Folge an das Bayerische Staatsorchester mit ihrem Chefdirigenten Kirill Petrenko. Das Theater Freiburg wird für die „Wiederentdeckung des Jahres“ geehrt: Ermanno Wolf-Ferraris „Der Schmuck der Madonna“. Fabrice Bollon am Pult und Regisseurin Kirsten Harms hätten den 1911 in Berlin uraufgeführten Opernthriller auf hintergründige Weise ernstgenommen, hieß es.
Der Österreicher Georg Friedrich Haas wird für sein Stück „Koma“ als „Uraufführung des Jahres“ gewürdigt. Das im Auftrag der Schwetzinger SWR-Festspiele und des Staatstheaters Darmstadt entstandene Werk überzeuge mit existenziell-sinnlicher Musik. Zu den weiteren wichtigen Uraufführungen zählten die von „Opernwelt“ befragten Kritiker auch das Fukushima-Requiem „Stilles Meer“ von Toshio Hosokawa (Staatsoper Hamburg) und Miroslav Srnkas „South Pole“ über die Scott-Amundsen-Expedition zum Südpol (Bayerische Staatsoper München).
Besonders ärgerlich sind nach Meinung der Kritiker Chaos, Missmanagement und explodierende Kosten an diversen Theaterbaustellen: Genannt werden die Berliner Staatsoper und die Oper Köln.
Das „Buch des Jahres“ schrieb nach Meinung der Kritiker Ulrich Drüner mit seiner Studie „Richard Wagner – Inszenierung eines Lebens“ (Blessing). Als „CD des Jahres“ wurde die „Aida“-Produktion mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann sowie der Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter Antonio Pappano (Warner) gewürdigt.