Berlin -Vielleicht ist es keine schlechte Idee, in diesen Tagen mal in das neue Album von Max Raabe hineinzuhören. Das kann einen durch den Herbst trösten. «Brauchst du 'ne Umarmung? Einen Kuss oder 'n Keks? Oder dicke Socken - für unterwegs?»
Max Raabe kommt mit dunklem Anzug, Einstecktuch und Krawatte zum Interview. Der Sänger wirkt auch im Gespräch so, wie man ihn von Fotos kennt. Freundlich, elegant, kontrolliert. Mit dem Palast Orchester veröffentlicht er ein neues Album. Das trägt den Titel «Wer hat hier schlechte Laune». Raabe beim Gespräch in Berlin jedenfalls nicht. Der 59-Jährige schafft es, mit seinen Liedern auf erstaunliche Art von den großen und vermeintlich kleinen Momenten zu erzählen.
«Manchmal gibt es Tage, da hängt man einfach durch. Da hat man 'ne Visage wie'n schlecht gelaunter Lurch», singt er zum Beispiel. «Die Stimmung ist im Keller und kommt auch nicht mehr rauf.» Klar, da kann es einem passieren, dass man zur heiteren Musik schmunzeln muss.
Manche Lieder wirken gerade in diesen Zeiten tröstlich. Dabei sagt Raabe, dass sich seine Musik nicht am Weltgeschehen orientiere. Seine Texte hätten nie etwas mit dem zu tun, was in den Nachrichten oder der Weltpolitik vonstattengehe. «Es geht immer nur um das Durcheinander zwischenmenschlicher Beziehungen. Und wenn ich singe «Wer hat schlechte Laune?», dann ist eher gemeint: Es gibt Rosenkohl, die Kinder kommen rein, sitzen am Tisch und gucken dementsprechend.»
Interessiert ihn das mehr als die Politik? «Ich interessiere mich sehr für die Politik, aber ich war nie so anmaßend, in meinen Liedern schlaue Kommentare zur Weltpolitik abzulassen», erzählt Raabe bei einer Tasse Tee.
Auf dem neuen Album jedenfalls besingt Raabe den Sommer und den Abschied, eine peinliche, aber verheißungsvolle Begegnung im Zug, das Fahren mit Strom und das Bedürfnis, eine Hummel zu streicheln. Mit dem Lied «Ein Tag wie Gold» hat er auch einen Gastauftritt in der neuen Staffel der Fernsehserie «Babylon Berlin». Raabe arbeitet unter anderem mit Annette Humpe (Ideal, Ich + Ich) und Peter Plate (Rosenstolz) zusammen.
Seine Musik ist vielleicht auch deswegen erfolgreich, weil die Texte so offen gestaltet sind, dass Zuhörerinnen und Zuhörer daraus etwas Eigenes machen können. In einem Lied geht es um die Gewohnheit, Dinge aufzuschieben, und den Wunsch, das endlich zu ändern. Hat da jemand Steuererklärung gesagt? Oder Sport? Oder was auch immer? Bei Zeilen wie «Irgendwas ist immer» könnten wohl auch viele bejahend nicken. Ein Phänomen, das sich auch beim Lesen von Horoskopen einstellt.
Raabe besingt die Hoffnung, in schwierigen Zeiten nicht aufzugeben. «Verlier' nicht den Verstand. Verliere nicht den Mut. Manchmal kommt es anders. Anders, aber gut», heißt es dann. Raabes Publikum im Ausland - er hat schon in der New Yorker Carnegie Hall und vielen anderen Städten gespielt - dürfte die Texte zwar nicht immer verstehen. Aber zum Glück gibt es ja noch die Melodien. Und viele davon hat man nach dem Hören längere Zeit im Ohr.
Max Raabe: «Wer hat schlechte Laune?»
Erscheinungsdatum: 14.10.2022
Label: We Love Music (Universal Music)