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Nach Trump-Sieg: Musical «1984» kommt an den Broadway. Foto: Lieberwirth
Broadway-Theater in New York bleiben bis 2021 geschlossen. Foto: Lieberwirth
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Wenig Mut und gutes Business: Der Broadway vor den Tony Awards

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New York - Theater und Musicals am New Yorker Broadway haben in der aktuellen Saison so viel Geld eingespielt wie nie zuvor. Trotzdem wächst die Unzufriedenheit vor der Verleihung des Theaterpreises Tony Award, des wichtigsten Preises der Branche, am Sonntag.

Eigentlich haben die Produzenten im wichtigsten Theater-Viertel der Welt Grund zu feiern. Niemals war eine Saison am New Yorker Broadway finanziell so erfolgreich wie diese: Rund 13,8 Millionen Zuschauer haben ein Ticket für ein Stück in den rund drei Dutzend Theatern gekauft und dafür zusammen 1,7 Milliarden Dollar ausgegeben - umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro. Und doch macht sich vor der Verleihung des Theaterpreises Tony Awards am Sonntag Kritik breit. Sie hat zwei Gründe: zu hohe Preise und zu mutloses Programm.

Das zeigt allein ein Blick auf die Hauptkategorie «bestes neues Musical». Dort sind mit «Frozen», «Mean Girls» und «Spongebob Squarepants» gleich drei Stücke nominiert, die auf erfolgreichen Filmen und TV-Serien mit bestehendem Millionenpublikum beruhen - und selbst der favorisierte vierte Nominierte, «The Bands Visit», war vor zehn Jahren noch ein charmanter Indie-Film, der als «Die Band von nebenan» auch im deutschen Arthaus-Kino gut ankam.

«Die gesamte Saison war extrem glanzlos», bilanziert Sam Maher, Gründer der Seite yesbroadway.com, die auf besonders sehenswerte Produktionen hinweist. «Dafür ist es spannend, dass so viele Rennen in diesem Jahr so offen sind», sagt er und hofft auf einen Überraschungssieg von «Spongebob», einem bunten Spektakel mit vielfältigen Musik-Stilen, das auch von vielen Kritikern, die die Serie nicht kennen, gelobt wurde - aber eben wegen des vermeintlich überdrehten Themas auch häufig übersehen wird. Die Film-Adaptionen alleine sind aber noch kein Garant für Erfolg, glaubt er. Häufig fehle es an überzeugender Musik. «Es ist einfacher, einen guten Film zu schreiben als ein gutes Musical.»

Klar ist trotzdem, dass sich der Trend hin zu bekannten Filmstoffen fortsetzen wird, «Pretty Woman» steht genauso in den Startlöchern wie «King Kong», und in Boston und Washington laufen sich bereits «Moulin Rouge» und «Beetlejuice» für den Sprung nach New York warm.

Die Mutlosigkeit hat einen einfachen Grund: Broadwaystücke sind ein gigantisches finanzielles Risiko. Staatliche Subventionen wie in der deutschen Theaterlandschaft gibt es nicht, laut Forbes Magazine spielen acht von zehn Musicals und Theaterstücke ihre Anfangsinvestitionen nie ein. Und die sind immens: Bei «Spongebob» lagen sie bei rund 20 Millionen Dollar, in unseren Breitengraden entspricht das eher dem Budget für einen großen TV-Event-Mehrteiler. Kein Wunder, dass Produzenten leichter Geld für Musicals mit lebhafter Fan-Gemeinschaft bereitstellen.

Doch neben der bemängelten fehlenden Kreativität hat diese Saison auch die Kritik an steigenden Eintrittspreisen nicht abgenommen. Bei einigen Aufführungen sorgen astronomische Preise dafür, dass manche Zuschauer die Stücke nie sehen werden. So werden beispielsweise beim Mega-Hit «Hamilton» auch nach Jahren noch weite Teile der Parkettplätze für 849 Dollar (720 Euro) angeboten. Trotzdem sind sie bis ins Frühjahr 2019 ausverkauft. Aber auch viele kleinere Produktionen haben einen durchschnittlichen Eintrittspreis von über 100 Dollar, im Schnitt über alle Produktionen hinweg gaben 2018 Ticketkäufer 123 Dollar für eine Karte aus.

Bei den häufig etwas günstigeren Theaterstücken sieht das Preisgefüge anders aus, aber auch dort ist ein starker Markenname, der Tausende Fans anzieht, der Topfavorit. «Harry Potter and the Cursed Child» über das Leben des Zauberlehrlings im Erwachsenenalter spielt pro Woche solide mehr als zwei Millionen Dollar ein und ist für zehn Tonys nominiert. Noch eine Nominierung mehr hat «Angels in America», mehr als jedes andere Theaterstück in der über 70-jährigen Geschichte der Tonys. Doch auch das Acht-Stunden-Mammutwerk über den Zustand der amerikanischen Gesellschaft hat es trotz hymnischer Kritiken und viel Vorschusslorbeeren aus der vorangegangenen Londoner Produktion schwer, ein Publikum zu finden. In vielen Wochen kommt es nur auf rund zwei Drittel des möglichen Einspiels.

Ein Problem, dass selbst Superstar Denzel Washington kennt, denn auch er spielt im Schwarzen-Drama «The Iceman Cometh» nicht immer vor ausverkauften Reihen. Zusammen mit dem favorisierten «Angels»-Darsteller Andrew Garfield hofft er auf den Preis als bester Schauspieler in einem Theaterstück - und den möglicherweise damit verbundenen Zuwachs bei den Ticketverkäufen.

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