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Wenn der HipHop-Dollar durch die Staaten rollt

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Wie HipHop das Verhältnis zwischen Pop-Entertainment und Werbung neu definiert
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Früher gingen Rapper in Rente, indem sie umgelegt wurden. Heute ist das anders. Wenn Jay-Z (geboren 1970), für viele HipHop-Fans der größte lebende MC der vergangenen Jahre, sich Ende 2003 vom Rappen zurückzieht, dann ist dies nicht eine Frage von Leben oder Tod, sondern eine des Geschäfts und des Cross-Marketings.

Jay-Zs Schwanengesang, das „Black Album“, und ein schwarzer Turnschuh, den der Hersteller unter dem bürgerlichen Namen des Rappers, Shawn Carter, vermarktet, sollten in den USA ursprünglich am „Black Friday“ (28. November) veröffentlicht werden. Gefolgt von einem „Black Book“ im Frühjahr – die Autobiografie zum Turnschuh, zum Album und zum Rapper. Doch böse Jungs, die sich im CD-Presswerk bedienten, haben einen Strich durch die schöne Inszenierung gemacht. Weil die CD – eine Art Autobiografie des gerappten Größenwahns, mit der Jay-Z wieder an seine besseren Alben anknüpft – seit gut einer Woche im Internet kursiert, wurde die US-Veröffentlichung auf den 14. November vorverlegt. Damit sich das Album trotzdem gut verkauft, winken den ehrlichen Fans in ihren ehrlich erworbenen CDs goldene Lose. Die drei Hauptgewinne, schwarze Cabrios von Mercedes, bekam der New Yorker Rapper gesponsert. Mercedes darf schließlich mit Rap-Texten von Jay-Z werben. Dass Popmusiker sich sponsern lassen, von Herstellern und Marken-Strategen umworben werden, und ihre Musik, Texte und Gesicht zu Markte tragen, ist nichts Neues. Seitdem Marken für ihr aggressives Branding beim Pop die Authentizität, Idenität und hippe Coolness des vermeintlich Gegenkulturellen tanken, lassen sich die Stones ihre Tourneen sponsern, führen Pepsi und Cola ihre Werbekriege mit Madonna, Tina Turner oder Whitney Houston, werden junge Musiker von der eigenen Plattenfirma als der „Typ aus der GAP-Werbung“ vermarktet.

Neu ist allerdings, welch innige Ausmaße das Verhältnis zwischen Band und Brand im HipHop angenommen hat, der in den USA nicht nur die Charts, sondern weite Teil der Popularkultur dominiert. Die erfolgreichsten Rapper von heute machen nicht nur erfolgreich Werbung, von Cognac bis Milch, sondern sind zu geschäftstüchtigen Unternehmern und Marketing-Strategen in eigener Sache geworden, bei denen Entertainment und Werbung, Musik und Marketing miteinander verschmelzen.

Rapper wie Jay-Z vermarkten sich so erfolgreich, dass sie nicht nur Musik, sondern eigene Produkte verkaufen. Aus den schon traditionellen Textilabteilungen der HipHop-Labels, die die Jacke und Hose zur Rap-Single verkaufen, ist ein ganzes HipHop-Kaufhaus geworden. Neben Turnschuhen, Wodka, HipHop-Autos, Kreditkarten und Spielzeugpuppen im HipHop-Outfit klingelt der HipHop-Dollar mittlerweile auch mit Energy Drinks. Der Rapper Nelly etwa hat passend zu einem seiner Hits den „Pimp Juice“ (Pimp: zu Deutsch „Zuhälter“) auf den Markt gebracht. Selbst die US-Army will sich dem rauen Charme des HipHop-Marketing nicht entziehen. Ihre neue „Taking It To The Streets“-Kampagne, an der auch das führende Hip Hop-Magazin „The Source“ beteiligt ist, hat HipHop-Fans als Rekruten im Visier.

Und die Musik? Sie ist in der Hip Hop-Industrie, deren Umsatz vom „Black Enterprise Magazine“ auf jährlich fünf Milliarden Dollar geschätzt wird, zu einem Verkaufsvehikel geworden. Es ist beinahe so, als ob Musik nur mehr dazu dient, das herzustellen, was wir anschließend gegen viel Geld, Werbung und Marketing verbrauchen dürfen: Authentizität und Image.

Rap-Songs und ihre Musik-Videos strotzen mittlerweile so vor Produkten und Markennamen, dass Kritiker von Product-Placement sprechen. Beispiel Jay-Z: Der Rapper, der seine Platten auf dem eigenen Label „Roc-A-Fella-Records“ herausbringt, schlürft zwar bevorzugt den hauseigenen Armadale-Wodka und trägt „Roc-A-Wear“-Kleidung (Jahresumsatz 2002: 300 Millionen Dollar) – so wie seine Label-Kollegen, die von „Roc-A-Fella“-Chef Damon Dash dazu ermuntert werden, „Armadale in ihren Texten und Videos einzubauen“.

Überhaupt funktioniert Product-Placement à la HipHop nach eigenen Gesetzen, wie der krasseste und mittlerweile schon mehrfach kopierte Fall zeigt. Nachdem der Rapper Busta Rhymes in Zusammenarbeit mit P. Diddy (Spitzname: „König Midas des HipHop“) mit „Pass the Courvoisier“ 2002 einen Riesenhit gelandet und die gleichnamige Marke daraufhin 20 Prozent mehr Cognac verkauft hatte, dementierten der Rapper und sein Liebling-Cognac, dass es eine Absprache gegeben habe. Mag sein. Klar ist aber auch, dass die Cognac-Marke und das Management des Rappers im Nachhinein einen PR-Deal schlossen. Und dass die Marketingfirma von Russell Simmons, dem größten und erfolgreichsten der Hip-Hop-Mogule (Spitzname: „CEO of HipHop“), schon vorher damit beauftragt worden war, das Image von Courvoisier aufzupeppen.

Jede Punk-Band, die „Reich mir den Couvoisier rüber“ veröffentlicht hätte, hätte sofort ausgepunkt. Warum funktioniert es im HipHop? Weil es im Rap und HipHop schon immer um eine Kultur des Protzens ging, die als trendsetzender Markenfetischismus ausgelebt wird. Wenn es eine Schlüsselbotschaft vieler Rapper gibt, dann die: „Schaut, ich hab‘ es geschafft. Dank HipHop habe ich mich aus der Ghetto-Gosse erhoben. Und jetzt kann ich mir all das leisten, was im Ghetto unerreichbar ist.“ Kommerziell ausschlachten lässt sich der Lifestyle-Exhibitionismus des HipHop deswegen so gut, weil er ideal zu den Bedürfnissen der anderen Player passt. Die Musikindustrie sucht begierig nach anderen Einnahmequellen und Verwertungsmöglichkeiten als dem banalen Verkauf von CDs. Die Werbe- und Marken-Strategen finden alles gut, was Werbung ist, aber nicht danach aussieht.

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