Der Berliner Oratorien-Chor (BOC) setzt mit Brahms‘ Nänie und Triumphlied, Janáčeks Glagolitischer Messe sowie der Uraufführung von Ghasele von Thomas Hennig einen weiteren programmatischen Höhepunkt in seinem Jubiläumsjahr.
Janáček gilt als einer der bedeutendsten tschechischen Chorkomponisten. Die Glagolitische Messe ist sein Spätwerk und gleichzeitig das Meisterwerk seiner Chorkompositionen. 1927 in Brno uraufgeführt, wurde es vom Komponisten in wesentlichen Abschnitten umgearbeitet und 1929, nach dem Tod Janáčeks, veröffentlicht. In dieser ‚endgültigen’ Fassung wird die im alten Kirchenslawisch konzipierte Komposition aufgeführt.
Mit dem Triumphlied und der Nänie von Brahms ergänzt der Chor das Konzertprogramm und nimmt damit Bezug auf die starke Auseinandersetzung mit dem Chorwerk dieses großen deutschen Romantikers, die der BOC im Repertoire seiner Konzerte regelmäßig gepflegt hat.
Ein weiterer spätromantischer Komponist, der jüngst in der Konzertgestaltung des Chores eine wichtige Rolle spielte und sich insbesondere beim Komponieren für den Chor auffällig deutlich an Brahms orientierte, ist Richard Strauss. Der BOC hat die als Fragment hinterlassene und vor wenigen Jahren ergänzte Besinnung 2021 in Berlin uraufgeführt. Die Deutsche Motette von Straussbezieht sich ebenfalls deutlich auf Chorwerke von Brahms (Fest- und Gedenksprüche, Triumphlied) und vertonte das Gedicht einer Sammlung von Friedrich Rückert. Mit dem Schlusslied aus der gleichen Sammlung beabsichtigte Strauss, die Serie der Vertonungen fortzusetzen. Dieser Plan konnte nicht mehr ausgeführt werden. Das in Rede stehende Gedicht ist jedoch die Grundlage für die Ghasele, mit deren Komposition Chorleiter Thomas Hennig zum Geburtstag des Chores beauftragt wurde.
Das Jubiläumsjahr des BOC schließt mit dem Weihnachtskonzert am 15. Dezember 2024 um 16 Uhr in der Evangelischen Auenkirche in Wilmersdorf. Auf dem Programm steht „Die Geburt Christi“ von Heinrich von Herzogenberg.
120 Jahre Berliner Oratorien-Chor – einer der ältesten Laienchöre der Stadt
Der Berliner Oratorien-Chor (BOC) ist einer der ältesten Laienchöre der Stadt, hervorgegangen aus der Volkbühnen-Bewegung. Seit nunmehr 120 Jahren widmet er sich neben bekannten auch eher selten aufgeführten Werken der Chorsinfonik verschiedener Epochen und bringt auf diese Weise immer wieder interessante Fundstücke zu Gehör.
Am 8.2.1904 gründeten Mitglieder der Berliner Volksbühne den „Berliner Volks-Chor“ (BVC), dessen Leitung der Initiator Dr. Ernst Zander übernahm. Anders als der Name suggeriert, standen nicht Volkslieder, sondern bühnenwirksame Werke im Zentrum des Interesses. Es war der erste Chor bestehend aus Werktätigen in Berlin, der Titel der Chorsinfonik und Oratorien mit Orchester und Solisten auf die Bühne brachte. Mangelnde musikalische Vorkenntnisse wurden durch obligatorische Vorbereitungskurse kompensiert.
Unter dem NS-Regime hatte der Chor mit zahlreichen Schikanen, Verboten und Einschränkungen zu kämpfen. Als 1933 die Mitgliedschaft des BVC im Deutschen Arbeiter Sängerbund annulliert wurde, trat der Chor dem Reichsverband der Gemischten Chöre Deutschlands bei, um weiter arbeiten zu können. Die Leitung musste Dr. Zander 1937 an Georg Oskar Schumann abgeben, da er kein Berufsmusiker war und wohl auch nicht der NSDAP angehörte. Kriegsbedingt schrumpfte der Chor und Auftritte wurden selten.
Der Wiederaufbau des BVC nach Kriegsende war geprägt durch den damaligen Vorsitzenden Otto Berndt sowie (ab 1958) durch den jungen Dirigenten Gert Sell. Ihre Arbeit erlitt durch den Mauerbau einen herben Rückschlag, da mit einem Mal 30 Mitglieder entfielen und der Kontakt zu den Mitgliedern der Ostzone abbrach.
Zu seinem heutigen Namen gelangte der Chor am 1.10.1974 durch den Zusammenschluss mit dem Berliner Oratorien-Chor, der aus dem Deutschen Philharmonischen Chor hervorging, aber nur von 1945-1963 existierte. Inzwischen hat der BOC einen festen Platz im Konzertleben der Hauptstadt und wurde im Jahr 2004 mit der Zelter-Plakette für die Pflege der Chormusik gewürdigt. 2008 übernahm Thomas Hennig die künstlerische Leitung. Mit innovativ gestalteten Programmen und hohem künstlerischen Anspruch bleibt der Chor eine wegweisende Institution mit regelmäßigen, selbst-organisierten Auftritten in der Berliner Philharmonie und im Konzerthaus Berlin, neben zahlreichen Kooperationen und Gastauftritten. Der Chor besteht aktuell aus 84 aktiven Mitgliedern verschiedenster Hintergründe und Generationen.
Sonntag, 29.09.2024 / 18 Uhr
Johannes Brahms: Nänie (1880), Triumphlied, op. 55 (1872)
Thomas Hennig: Ghasele (2024) Auftragswerk zum 120-jährigen Jubiläum des BOC / Uraufführung
Leoš Janáček: Glagolitische Messe (1926)
Mit: Vanessa Lindsay Lanch (Sopran), Gundula Hintz (Alt), Hans-Georg Priese (Tenor), Ralf Lukas (Bass), der Berliner Oratorien-Chor, Daniel Seeger (Orgel), Konzerthausorchester Berlin. Dirigent: Thomas Hennig
Konzerthaus Berlin, Großer Saal, Gendarmenmarkt, 10117 Berlin-Mitte