Konzertreihe des New York Philharmonic Orchestra auf Usedom startet +++ Vier führende US-Orchester gastieren in der Elbphilharmonie +++ KI auf der Opernbühne - Dresdner Semperoper wagt Experiment +++ Theater Rudolstadt hofft auf Neustart - Bedeutende Buch-Adaption
Konzertreihe des New York Philharmonic Orchestra auf Usedom startet
Nach drei Jahren residieren die New York Philharmonics wieder im Ausland und haben sich dafür die Insel Usedom ausgesucht. Fünf Tage geben sie hier Konzerte - gemeinsam mit drei Solisten.
Peenemünde (dpa) - Amerikanische Atmosphäre auf Usedom: Bereits vier Monate vor dem Usedomer Musikfestival gastiert das New York Philharmonic Orchestra in dieser Woche auf der Insel. Bei insgesamt fünf Konzerten können Besucher das Orchester von Freitag bis Dienstag live erleben. Es sei die erste Auslandstournee des Orchesters seit 2019, teilte der Veranstalter mit. Die fünftägige Residenz solle ein Zeichen für Freiheit, Frieden und Vielfalt setzen.
Los geht die Reihe am Freitag mit einem Konzert im Kraftwerk Peenemünde. Auf dem Programm steht unter anderem das Klavierkonzert Nr. 5 von Beethoven. Neben dem New York Philharmonic Orchestra unter der Leitung des Dirigenten Jaap van Zweden sollen auch Musikerinnen und Musiker der Baltic Sea Philharmonics spielen.
Bei allen drei Konzerten in Peenemünde präsentieren sich auch Solisten: Der Pianist Jan Lisiecki, die Violinistin Anne-Sophie Mutter und der Bariton Thomas Hampson werden performen. Am Montag und Dienstag folgen dann zwei Kammerkonzerte in Heringsdorf und Wolgast.
Bereits im Herbst geht es auf der Insel musikalisch weiter - mit etwa 35 Konzerten auf dem Usedomer Musikfestival. Vom 17. September bis zum 8. Oktober präsentieren sich mehr als 350 Musikerinnen und Musiker. Dieses Jahr steht Estland im Fokus des Festivals.
Vier führende US-Orchester gastieren in der Elbphilharmonie
Carola Große-Wilde, dpa
Nach fünf Jahren sind nicht mehr alle Konzerte in der Elbphilharmonie ausverkauft. Doch mit 85 Prozent Auslastung steht das Konzerthaus noch gut da. In der kommenden Saison locken wieder prominente Namen.
Hamburg (dpa/lno) - Gleich vier führende US-amerikanische Orchester sind in der kommenden Saison in der Hamburger Elbphilharmonie zu Gast. «Nach längerer covidbedingter Tourneepause sind die besten amerikanischen Orchester aus Cleveland, Philadelphia, Pittsburgh und San Francisco in Hamburg zu erleben», sagte Intendant Christoph Lieben-Seutter am Dienstag in Hamburg.
Zudem gastieren die Wiener Philharmoniker mit Esa-Pekka Salonen, Andris Nelsons und Jakub Hru?a. Paavo Järvi dirigiert Bruckner, der französische Dirigent Raphaël Pichon porträtiert das musikalische Umfeld Johann Sebastian Bachs. Eine weitere Residenz gilt Barbara Hannigan, die gleichermaßen als Sängerin und Dirigentin präsent ist.
«Corona ist nicht aus der Welt, wir gehen aber davon aus, dass es zu keiner Kapazitätsreduzierung mehr kommen wird», sagte Lieben-Seutter, dessen Vertrag gerade bis 2029 verlängert wurde. Deshalb könnten die Abonnements wieder in vollem Umfang gebucht werden.
«In der Elbphilharmonie ist nicht mehr jeder Abend ausverkauft, so wie es früher war», sagte der Intendant. Aber mit 85 Prozent Auslastung im Moment sei das Konzerthaus im Vergleich zu anderen Kulturinstitutionen «noch auf einer sehr positiven Seite». Trotzdem werde es wirtschaftlich in der Zukunft nicht leicht werden. Deshalb werden die Ticketpreise ab der kommenden Saison erstmals seit der Eröffnung vor fünf Jahren um 4,5 Prozent steigen.
Ein Schwerpunkt in der kommenden Saison liegt auf afroamerikanischer Kultur. Mehrere Konzerte widmen sich dem Phänomen des «Afrofuturism» mit Künstlern wie Sun Ra Arkestra, Ravi Coltrane oder Sons Of Kemet. Die beninisch-französische Sängerin Angélique Kidjo gestaltet mit vielen befreundeten Musikern einen «Elbphilharmonie Reflektor».
Zur Saisoneröffnung am 30. August spielt das Philadelphia Orchestra unter Yannick Nézet-Séguin Werke afroamerikanischer Komponistinnen. Ein «Sufi Festival» präsentiert unterschiedliche musikalische Facetten jener mystisch-spirituellen Strömung des Islam, bei der Trance und Transzendenz besonders nah beieinander liegen.
Gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) wird mit «Elbphilharmonie Visions» ein neues Festival für zeitgenössische Musik aus der Taufe gehoben. Von einer «Momentaufnahme der gegenwärtigen Musikwelt» schwärmt Initiator und NDR-Chefdirigent Alan Gilbert.
Zu hören gibt es einige der besten Orchesterwerke, die im 21. Jahrhundert entstanden sind, unter anderem von Helmut Lachenmann, Rebecca Sounders, Anna Thorvaldsdottir, Hans Abrahamsen und John Adams. Die junge Schwedin Lisa Streich erhält den eigens gestifteten Claussen-Simon-Kompositionspreis für ein neues Werk, das im Eröffnungskonzert seine Uraufführung erfährt.
Im Fokus stehen außerdem drei Vertreter der Gegenwartsmusik. So hat der Karlsruher Wolfgang Rihm mit seinen mehr als 400 Werken ein Universum geschaffen, das sich nicht leicht in Schubladen stecken lässt. Sein 70. Geburtstag ist nun Anlass, in der Elbphilharmonie Schlaglichter auf sein vielseitiges Schaffen zu werfen.
Gleich mehrere Konzerte widmen sich dem 1963 in Innsbruck geborenen Komponisten Thomas Larcher - von der Premiere seines jüngsten Streichquartetts bis zur deutschen Erstaufführung eines neuen Orchesterstücks. Auch der finnische Universalmusiker Esa-Pekka Salonen ist wieder dabei - mit den Wiener Philharmonikern, mit dem San Francisco Symphony, dem er seit 2020 als Chefdirigent vorsteht, und mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester.
KI auf der Opernbühne - Dresdner Semperoper wagt Experiment
Dresden/Berlin (dpa) - Die Sächsische Staatsoper Dresden wagt in Zusammenarbeit mit dem Berliner Künstlerkollektiv phase7 performing.arts zum Spielzeitauftakt 2022/203 ein besonderes Experiment. Erstmals während einer Aufführung auf der großen Opernbühne komponiert, performt und singt auch eine Künstliche Intelligenz (KI), wie die Initiatoren am Dienstag mitteilten.
Der computergenerierte Algorithmus sei Co-Autorin und Co-Komponistin von «chasing waterfalls» und spiele einen Hauptcharakter. Dabei werde der Prozess in jeder Aufführung immer wieder neu generiert und mache somit «jede Performance zu einem Unikat».
Das cross-mediale Stück wird am 3. September uraufgeführt - und im November auch beim Hongkong New Vision Art Festival gezeigt, dem zweiten Partner des Projekts. Dessen Initiator ist der Regisseur und Medienkünstler Sven Sören Beyer, der seit 1999 mit Inszenierungen und Installationen das Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine auslotet.
Komponist und Dirigent des 90-minütigen Stückes, das den Einfluss von Digitalisierung und Social Media auf Gesellschaft und Individuum spiegelt, ist Angus Lee aus Hongkong. Die KI soll mittels einer acht Meter hohen kinetischen Lichtskulptur aus LED-Panels personalisiert und auch für das Publikum auf der Bühne präsent sein - in mithilfe von KI veränderten 3D-Scans.
Theater Rudolstadt hofft auf Neustart - Bedeutende Buch-Adaption
Rudolstadt (dpa/th) - Das Theater Rudolstadt wird im kommenden Jahr den Roman «Herscht 07769» des ungarischen Autors László Krasznahorkai auf die Bühne bringen. «Dieser bedeutende Gegenwartsroman ist in einem Satz geschrieben. Es ist eine Riesenherausforderung für uns, daraus eine Theaterfassung zu machen», sagte Chefdramaturg Michael Kliefert am Dienstag. Ebenso sei es eine große Ehre, dass die Uraufführung in Rudolstadt stattfinde.
Erst habe Krasznahorkai seinen Roman überhaupt nicht auf der Bühne sehen wollen. Der Autor habe sich aber letztlich für die Konzeption von Kliefert, dem Intendanten Steffen Mensching und dem Regisseur Alejandro Quintana entschieden. «Wir waren wirklich sehr hartnäckig und haben uns gegen mehrere Mitbewerber durchgesetzt», sagte Kliefert. Im November soll die Theateradaption als großes Ensemblestück und Höhepunkt der neuen Spielzeit uraufgeführt werden.
Der Roman spielt unter Neonazis in einer thüringischen Kleinstadt und ist rund um den Protagonisten Florian Herscht aufgebaut. «Herscht 07769» schreibt er als Absenderadresse auf seine Briefe an die Kanzlerin Angela Merkel, die ohne Antwort bleiben. Kliefert erhofft sich von dem Roman viel Aufmerksamkeit - «vor allem bei dem politisch interessierten Publikum».
Das nicht unbedingt theaterliebende Publikum soll durch die Adaption der ARD-Serie «Der Tatortreiniger» unter der Regie von Markus Fennert angesprochen werden. Den Auftakt der Schauspielsaison mit insgesamt 23 Aufführungen und Konzerten gibt jedoch im September der Broadway-Klassiker «Mein Freund Harvey» unter der Rege von Herbert Olschok. Die Konzertsaison bringt alte Bekannte und neue Orchestermitglieder auf die Bühne.
Auch Intendant Mensching ist für die Spielzeit 2022/23 voller Hoffnung auf eine Rückkehr des Publikums. Zwar sei der Verkauf für das Sommertheater-Open-Air auf der Heidecksburg (ab 17. Juni) schon gut angelaufen. Entsprechend dem bundesweiten Trend sei ansonsten aber auch in Rudolstadt noch eine «gewisse Zögerlichkeit» von Seiten des Publikums zu bemerken.
Während in einer Spielzeit vor Corona zu insgesamt rund 530 Veranstaltungen rund 90 000 Gäste kamen, schauten sich im Vorjahr gerade einmal rund 11 500 Besucherinnen und Besucher die insgesamt rund 100 Vorstellungen an. Die Erlöse aus dem Vorstellungsbetrieb seien um etwa 70 Prozent auf rund 273 000 Euro (2021) eingebrochen, sagte Verwaltungsdirektor Mathias Moersch (2019: 920 000 Euro).
Corona sowie der Krieg in der Ukraine würden Auswirkungen haben, «auch auf die Funktion von solchen Häusern wie dem unserem». Man müsse die Lage weiter im Blick behalten und gesellschaftliche Debatten ankurbeln, sagte Mensching. Der Spielplan 2022/23 versuche unter dem Motto «Ich bin mein Himmel und meine Hölle» ein populäres Programm anzubieten, das ernsthafte Fragen stelle.
Die Vorstellungen werden die Gäste in der neuen Spielzeit aber noch nicht aus dem neuen Zuschauerraum anschauen können, sagte Rudolstadts Bürgermeister Jörg Reichl (Bürger für Rudolstadt) am Dienstag. Zwar liege seit April eine Baugenehmigung vor, die Arbeiten für den Rohbau würden aber voraussichtlich erst im Herbst 2023 abgeschlossen.
Eigentlich war dies 2019/20 geplant gewesen, wegen Corona und eines Planerwechsels gab es aber Verzögerungen. Die Kosten stiegen auch wegen der hohen Preise für Baustoffe um drei Millionen Euro auf 17 Millionen Euro. Derzeit wird auf der Baustelle die Lkw-Rampe am Bühnenhaus errichtet. Als nächstes folge die Herstellung der Fundamente für das Zuschauerhaus, sagte Verwaltungsdirektor Moersch.