Bayreuth - Die Bayreuther Festspiele 2016 werden ihre Spuren hinterlassen auf dem Grünen Hügel - aber womöglich anders, als es dem einen oder anderen Wagnerianer lieb ist. Denn der beeindruckende Zaun, in diesem Jahr aus Angst vor Terror um das Festspielhaus gezogen, wird bleiben. «Es wird weiterhin einen Zaun geben, und die Tore werden geschlossen sein», sagt Festspiel-Geschäftsführer Holger von Berg.
Hätte Oswald Georg Bauer nicht schon zu dieser Saison seine 1500 Seiten umfassende und fast acht Kilo schwere «Geschichte der Bayreuther Festspiele» vorgelegt, er hätte sie um ein Kapitel erweitern müssen.
Die Angst vor Terror, die Anschläge von Würzburg und Ansbach und der Amoklauf von München hatten den Beginn der Festspiele überschattet: kein roter Teppich, kein Staatsempfang, Politiker sagten ab. «Wir hatten am Anfang sehr viele Absagen», sagt der Direktor des Hotels «Rheingold», Achim Porsch. In seinem Haus sollten die Mitglieder der bayerischen Staatsregierung ursprünglich übernachten. Im Laufe der Festspiele aber habe sich die Stimmung entspannt, sagen auch andere Bayreuther Gastronomen.
Auch die Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH sieht keine großen Auswirkungen auf den Festspiel-Tourismus. Den Angaben zufolge kommen immer mehr internationale Gäste nach Bayreuth, seit Festspielkarten auch im Internet zu haben sind.
Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberfranken lief alles «bislang völlig problemlos». Die Besucher hätten Verständnis für die schärferen Sicherheitsvorkehrungen, etwa Taschenkontrollen, gehabt.
Ob die Festspiele wegen der verschärften Sicherheitsvorkehrungen auf der einen oder anderen Karte sitzen blieben, ist nicht bekannt. «Weniger als 40 Karten gingen nicht raus», sagt Geschäftsführer von Berg. «Aber das sind für uns Marginalien», und im Grunde gelte das als ausverkauft. Dass nicht alle Karten für die Richard-Wagner-Festspiele verkauft würden, sei auch in vergangenen Jahren schon vorgekommen.
Er betont: «Wir sind mit der Saison selbstverständlich zufrieden. Wir haben alle Finanzziele erreicht.» Auf den vierteiligen «Ring des Nibelungen» in der Inszenierung von Frank Castorf sei «der Druck vielleicht nicht so groß». «Es kann auch mal sein, dass Leute Karten haben, aber nicht in alle vier Vorstellungen gehen.» Aber für die Festspiele allgemein gelte: «Wir erleben eine große Begeisterung.»
Die Bayreuther Festspiele endeten amgestigen Sonntag so, wie sie am 25. Juli begonnen haben: mit Richard Wagners Oper «Parsifal» in einer Inszenierung von Regisseur Uwe Eric Laufenberg. «Die Vorstellungen sind hervorragend gelaufen, vom Publikum sehr bejubelt und gefeiert worden», sagt Laufenberg, der sich - ein ungewöhnlicher Vorgang - auf Nachtkritik.de explizit mit den Reaktionen auf seine Inszenierung auseinandersetze («Leider haben sich große Teile des etablierten Feuilletons in ein geschlossenes System begeben, das die unvoreingenommene Betrachtung eines Theater- oder Opernabends nicht mehr zulässt.»).
Die Kritikermeinung für seine sehr religionskritische Interpretation fiel nämlich sehr durchwachsen aus: «Was die Kritiken angeht, waren diese ja sehr unterschiedlich: von ein «Triumph» (5 Punkte von 5 möglichen) bis «Fremdschämen» war ja alles dabei.»
Am Schlusstag der Spielzeit brachte Laufenberg diese Debatte mit einem historischen Rechtskonservatismus in Verbindung. «Hier haben wir nämlich 140 Jahre lang Verachtung gehabt», sagte er über die Beziehung zwischen den Festspielen und die Presse. «Man kann geradezu sagen, dass das Rechtskonservative hier sich von vornherein wahnsinnig ausgeprägt hat - und auch von vornherein mit einer Riesenfeindlichkeit, die die Presse dann auch wieder als Gegenprogramm genommen hat. Und ich kann Ihnen allen nur vorschlagen, lassen Sie uns da rauskommen.»
Diskussionen über das, was künftig in Bayreuth auf der Bühne zu sehen sein wird, löste im Laufe der Festspiele Operndiva Anna Netrebko mit einem Interview der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» aus. Darin sagte die 44-Jährige auf die Frage, ob sie 2018 als Elsa im «Lohengrin» im Festspielhaus auf der Bühne stehen wird: «Nein. Das heißt, wir sind noch im Gespräch.» Mit Blick auf ihr Rollendebüt in Dresden betonte sie: «Elsa war wirklich hart. Jetzt singe ich erst einmal Puccini.» Festspiel-Sprecher Peter Emmerich betonte zwar, die Verhandlungen liefen noch. Doch die Besetzung der Elsa scheint offen - ebenso wie die Frage, wer im Jahr 2020 den neuen «Ring» inszenieren wird.
Sicher ist hingegen: Auch in den kommenden Jahren wird die Sicherheit eine Rolle spielen. «Veranstaltungen dieser Größe brauchen heutzutage immer ein Sicherheitskonzept, und es wird in Bayreuth auch im nächsten Jahr wieder eines geben. Ich hoffe aber und gehe davon aus, dass die Weltlage besser sein wird und wir an dem einen oder anderen Punkt werden abspecken können.»
Wie es in Bayreuth auf dem Grünen Hügel weitergeht
2017: Nach «Ring»-Regisseur Frank Castorf holen die Festspiele in diesem Jahr einen weiteren Chef einer Berliner Bühne nach Bayreuth: Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper, wird die «Meistersinger von Nürnberg» inszenieren, sein Dirigent wird Philippe Jordan sein.
2018: In diesem Jahr ist ausnahmsweise einmal der Bühnenbauer die große Sensation: Kein Geringerer als Neo Rauch, Star der deutschen Kunstszene, wird der neuen «Lohengrin»-Inszenierung von Regisseur Alvis Hermanis ihren Look verpassen. Am Pult steht einmal mehr Bayreuths Haus- und Hofdirigent Christian Thielemann. Für die Besetzung der Elsa verhandeln die Festspiele mit Opern-Diva Anna Netrebko - was eine kleine Sensation wäre. Allerdings sagte Katharina Wagner dazu nur: «Wir sind im Gespräch.»
2019: Über den neuen «Tannhäuser», der das Biogasanlagen-Desaster von Sebastian Baumgarten vergessen machen soll, ist bislang mit Tobias Kratzer nur der Regisseur bekannt. Wer im Jahr danach, also 2020, den neuen «Ring des Nibelungen» inszeniert und dirigiert - bleibt vorerst noch ein Rätsel. Als unwahrscheinlich gilt allerdings, dass Katharina Wagner selbst diese Mammutaufgabe übernehmen wird.