Das Meer und der Strand von Aldeburgh bieten die Kulisse für die Aufführung der Oper «Peter Grimes» währen des diesjährigen Aldeburgh Music Festivals. Besser hätte es sich der britische Komponist Benjamin Britten zu seinem 100. Geburtstag nicht wünschen können.
Aldeburgh - Verwitterte Holzplanken als Bühne, Fischerboote, Hafenlampen und die Weite des Meeres: Am Kieselstrand von Aldeburgh in Suffolk kehrt die Oper «Peter Grimes» an ihren Entstehungsort zurück. Der britische Komponist Benjamin Britten (1913-1976) war während des Zweiten Weltkriegs von just dieser Umgebung zu seiner ersten Oper inspiriert worden. Er kehrte gar aus den USA zurück, um das Werk zu beenden. Seine wohl wichtigste Oper wird zu seinem 100. Geburtstag in diesem Jahr in aller Welt neu inszeniert.
Doch die Aufführung am Strand von Aldeburgh, in seiner Heimatgrafschaft Suffolk in Ostengland, bleibt einmalig: «Sie enthält Elemente, die ein Opernhaus nicht bieten kann,» versprach Jonathan Reekie, der Chef des Musikfestivals von Aldeburgh, vor der Vorstellung am Montagabend.
Damit meinte Reekie in erster Linie das Wetter. Bis zur letzten Minute mussten die Organisatoren mit allem rechnen. Bei Regen gab es für die drei Vorführdaten Ausweichtermine. Die Windstärken, die die Mikrofone aushalten konnten, und gegen die die Sänger sich durchsetzen konnten, durften höchstens eine Geschwindigkeit von 40 Kilometern in der Stunde erreichen. «Wir waren mehr als einmal nahe dran», sagte Festival-Organisator Shoel Stadlen der Nachrichtenagentur dpa. Das Wetter, Ebbe und Flut und das Meer - Naturelemente, die in «Peter Grimes» den täglichen Kampf ums Überleben definieren, sind unweigerliche Hauptelemente.
Auf der Bühne standen die «Bürger» des Fischerstädtchens Aldeburgh, in ihren Schürzen, Gummistiefeln und Prinz-Heinrich-Mützen. Kostüme und Handlung dieser Inszenierung versetzen den Zuschauer in die 1940er Jahre, als Britten die Oper schrieb. Sie hatte im Juni 1945 im Theater Sadler's Wells in London ihre Uraufführung erlebt. Hinweise auf das Kriegsende fehlten auch in Aldeburgh nicht: Ein britischer «Spitfire»-Kampfflieger zog seine Kreise über den Zuschauern, und Jungen spielten mit deutschen Modellflugzeugen und einer eroberten Hakenkreuz-Fahne.
In der Produktion von Opernregisseur Tim Albery lieferte der britische Tenor Alan Oke die mit Begeisterung aufgenommene Rolle des Fischers und gesellschaftlichen Außenseiters Peter Grimes, der wegen des ungeklärten Tods seines Lehrjungen ins Fadenkreuz von Anschuldigungen, Ablehnung und Hass gerät. Seine einzige Fürsprecherin, die Lehrerin Ellen Orford, wird von Giselle Allen gesungen. Zu ihrem Urteil über Grimes versammelt sich die Dorfgemeinschaft im Pub - in diesem Fall in einem Fischerboot. Die musikalische Leitung hatte Steuart Bedford, ein einstiger Vertrauter von Britten. Während die Darsteller auf der Bühne sangen, wurde die zuvor im Konzertsaal Snape Maltings aufgenommene Musik für die Strandaufführung eingespielt.
Als bei Beginn des zweiten Aktes die Dunkelheit anbricht, sind am Horizont - wie an jedem Tag - die Lichter der Fischerboote zu sehen, die zum nächtlichen Fang ausfahren. Die Oper treibt ihrem tragischen Ende zu, als Peter Grimes, umgeben von Meeresdunst und dem Klang der aufschlagenden Wellen am Strand, ein letztes Mal aufs Meer hinausfährt. «Ich glaube, Britten wäre über diese Strandaufführung überrascht gewesen - aber hätte sich im Stillen sicher gefreut», sagte Reekie.
Anna Tomforde