Fulda - Adolph Kolping ist nicht der Prototyp für ein mitreißendes Musical. Das Wagnis in Fulda wurde belohnt. Das Publikum feierte die Uraufführung. Es ging halt nicht nur um den Vorzeige-Geistlichen - auch um Kapitalismus, Revolution und Liebe.
Adolph Kolping als Musical-Figur? Werdegang und Wirken des katholischen Sozialreformers drängen sich nicht gerade als prädestinierter Stoff für ein modernes Singspiel auf. In Fulda haben sie es dennoch probiert - und am Freitagabend für «Kolpings Traum» viel Zuspruch erhalten. Die Zuschauer im ausverkauften Schlosstheater begleiteten die unterhaltsame Uraufführung immer wieder mit Szenenapplaus und spendeten am Ende lange Ovationen.
Anlass des Stücks ist der 200. Geburtstag der Titelfigur in diesem Jahr. Kolping machte sich im 19. Jahrhundert, zur Zeit der Industrialisierung, auch für die Arbeiterklasse stark und war später Begründer des Kolpingwerks, das heute bundesweit mehr als 250 000 Mitglieder zählt. Weil Kolpings Erbe auf der Bühne präsentiert wurde, schaute auch der Bundesvorstand des Verbandes in Fulda aufmerksam zu.
«Eine Herausforderung, diese Figur in einem Musical darzustellen. Man muss ihr historisch gerecht werden, sie aber auch in eine Dramaturgie einpassen. Beides scheint mir sehr gut gelungen. Man ist ihm nahe gekommen», sagte Bundesvorstand Thomas Dörflinger. Regisseur Christoph Jilo befand: «Die Biografie von Kolping ist an sich kein Musical-Thema. Sie bietet aber Ausgangspunkte für eine dramatische Handlung.» Gegossen wurde sie in ein kurzweiliges Zwei-Stunden-Stück.
Autor und Komponist Dennis Martin erklärte: «Unser Musical zeichnet das Porträt einer aufregenden Epoche und erzählt die Geschichte eines Mannes, der nicht tatenlos mitansehen will, wie Millionen von Menschen in den Fabriken gewinnsüchtiger Unternehmer zu namenloser Ware verkommen und in Leid und Hungersnot versinken.»
Die Produktionsfirma Spotlight aus Fulda ist auf historische und kirchliche Stoffe spezialisiert. Im vergangenen Jahr brachte sie in Potsdam ein Musical zum 300. Geburtstag von Preußenkönig Friedrich dem Großen heraus. In diesem Sommer in dritter Auflage erfolgreich «Die Päpstin» nach dem Bestseller-Roman von Donna W. Cross.
Die Rolle des jungen Kolpings bekleidet in Fulda Musical-Beau Maximilian Mann (25) überzeugend, aber ohne zu glänzen. «Unsere Aufgabe war es, Kolping wieder ins Gedächtnis der Leute zu holen und seine Lebensleistung darzustellen. Er hat sich vom Schustergesellen zum Priester gearbeitet. Das war, ohne eigene finanzielle Mittel, für damalige Verhältnisse unglaublich.» Danach habe er es geschafft, in Not geratene Menschen ein Heim und Bildung zu ermöglichen. «Es bräuchte mehr Menschen auf der Welt, die Gutes tun», sagte er.
In der Bühnenhandlung in Fulda geht es auch um das Zeitalter der Industrialisierung, in der ein raffgieriger und kaltherziger Unternehmer seine Arbeiter gewissenlos ausbeutet – vortrefflich gespielt von Claus Dam. Die obligatorisch erdachte Liebesgeschichte zelebrieren Dennis Henschel und Sabrina Weckerlin («Die Päpstin»). Henschel ist einen hoffnungsfroher Arbeiter, der sich zum mutigen Revolutionär aufschwingt und beim Barrikadenkampf stirbt.
Musikalisch bedient das Singspiel stilsicher den Mainstream. Rockige Nummern wechseln sich mit einfühlsamen Balladen ab. Der Gesangsanteil, den Komponist Dennis Martin kreiert hat, ist hoch. Es reiht sich Song an Song, einige eingängige mit Ohrwurm-Potenzial.
Einen stimmigen Eindruck hinterlässt das Kostümbild. Aufwendig und anschaulich ist das Bühnenbild, das auf der Drehbühne zügig von Szene zu Szene führt und fließende Übergänge ermöglicht. Das insgesamt 31-köpfige Ensemble harmoniert gut auf der Bühne. Immer wieder vereinigen sich die Darsteller zu großen Formationen und Choreographien, die Doris Marlis als Co-Regisseurin erdacht hat.
Das Stück ist in Fulda bis zum 11. August zu sehen. Danach folgen Aufführungen in der Oper Wuppertal vom 15. August bis 1. September. In Elberfeld, heute ein Stadtteil der früheren Industriestadt, wurde Kolping schließlich 1845 zum Priester geweiht.
Jörn Perske