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Meisterkurs für Violine in Dresden. Foto: M. Hufner
Lisa Batiashvili findet Deutschland für Musiker sehr komfortabel. Foto: Hufner
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Lisa Batiashvili findet Deutschland für Musiker sehr komfortabel

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München - Lisa Batishvili, Jahrgang 1979, ist als Violinistin ein Star. Ihren Ruhm nutzt sie, um sich für ein geeintes Europa stark zu machen. Sie zählt zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe Musicians4UnitedEurope, in der sich Musiker für Werte wie Demokratie und Solidarität stark machen. Diese Gemeinschaft gebe ihr Hoffnung, ebenso wie die Initiative «Pulse of Europe».


«Europa ist gar nicht so in Gefahr, wie man befürchtet hat, weil die Menschen langsam verstehen, dass sie etwas Besonderes haben und dass sie zusammenhalten müssen», sagt Batiashvili im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Als Kind in Georgien habe sie von diesem Leben in Deutschland und Europa immer geträumt. Batiashvili eröffnet am Samstag (20.5.) mit einem Konzert das Festival «Stars & Rising Stars» in München, bei dem Musiker mit jungen Kollegen auf der Bühne stehen.

 

Interview: Cordula Dieckmann, dpa

Frage: Sie musizieren als Mentorin bei dem Festival «Stars and Rising Stars» in München unter anderem mit der jungen Violinistin Veriko Tchumburidze, die wie Sie aus Georgien kommt. Wie kam es dazu?

Antwort: Irgendwann ist man in einer Phase im Leben, wo man auf die nächste Generation schaut und vielleicht auch was geben kann von allem, was man selbst erlebt hat in der Musik. Vor allem bin ich sehr verbunden mit meinem Land. Georgien ist ein kleines Land, das unglaublich viel Talent hat.

Frage: Woher rührt dieses Talent?

Antwort: Die Volksmusik ist sehr präsent und die Kinder singen von Kindheit an sehr viel. Und was ich immer bei den Georgiern merke, es ist sehr viel Intuitives dabei. Wenn diese Intuition richtig geführt wird, kann es jemand sehr weit bringen. Natürlich muss die Ausbildung hinzukommen, die Erfahrung, man muss die Ohren öffnen und anderen Menschen zuhören. Das bekommt man hauptsächlich in Europa. Die Menschen in Georgien brauchen diese europäische Erfahrung, deshalb ist es mir sehr wichtig, diese Leute hierher zu holen.

Frage: Momentan ist Europa allerdings in vielerlei Hinsicht zerrissen, man denke nur an den Brexit. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Antwort: Sorgen schon, aber ich bin in den letzten Wochen auch positiv überrascht. Nicht nur über die Ergebnisse aus bestimmten Ländern, wo die Menschen am Ende richtig gewählt haben. Ich habe auch unter Kollegen und Freunden bemerkt, dass mehr Einsatzbereitschaft da ist, mehr Bewusstsein. Dass sie nicht nur passiv zuschauen. Diese Passivität hat mich sehr aufgeregt, weil die Menschen hier ein schönes Leben erlebt haben. Aber sie wissen nicht, wie schlecht es anderen geht und wie wertvoll das ist, was Europa geschafft hat.

Frage: Mit fast 12 Jahren haben Sie die Sowjetunion verlassen und sind nach Deutschland gekommen. Was für ein Bild hatten Sie damals von dem Leben hier?

Antwort: Von einem ganz anderen Universum. Eine Welt, wo die Menschen zufriedener sind, wo sie freier sind. Wo man die Wahl hat und die Möglichkeit, seine Meinung zu sagen. Und wo es auch ökonomisch viel besser ist. Bei uns in der Sowjetzeit gab es einfach nichts. Es gab Supermärkte, die leer waren. Es gab fast kein Spielzeug. Mein Papa hat von seinen Auslandsreisen mit seinem Streichquartett Zahnpasta, Deo und Shampoo mitgebracht und das war eine große Sache. An sowas denkt man heute gar nicht mehr. Deshalb habe ich mir als Kind in den Kopf gesetzt, dass ich hier irgendwann leben will.

Frage: Wie sahen ihre Träume aus?

Antwort: Ich hatte eine Weltkarte über meinem Bett hängen und mein größtes Hobby war, mir diese Weltkarte anzuschauen und mir Sachen vorzustellen. Ich hatte alle Hauptstädte auswendig gelernt und mir Lieblingsländer ausgesucht. Und Deutschland war Nummer 1.

Frage: Sehen Sie dieses Europa, von dem Sie damals geträumt haben, nun gefährdet?

Antwort: Europa ist gar nicht so in Gefahr, wie man befürchtet hat, weil die Menschen langsam verstehen, dass sie etwas Besonderes haben und dass sie zusammenhalten müssen. Der Cellist Alban Gerhardt hat mich gefragt, sollten wir nicht eine Gruppe gründen von Musikern. Wir heißen Musicians4UnitedEurope und ich bin schon mit ihnen aufgetreten bei Pulse of Europe. Es sind jetzt mehr als 2000 Musiker, darunter sehr viele große Namen. Ich bin so froh, dass Alban das in Gang gesetzt hat. Aus unserem Kreis kommt ein ganz klares Statement: Wir sind für Europa, wie sind für Einheit, wir sind für Europa, wir sind gegen Populismus und für die europäische Kultur.

Frage: Ist Deutschland heute noch das Land, das Sie sich als Kind erträumt haben?

Antwort: Ja, ich habe es nie anders gedacht. Ich bin viel in anderen Ländern gewesen und habe sogar drei Jahre in Frankreich gelebt mit meiner Familie. Ich finde immer noch, dass Deutschland das Land ist, wo man sich besonders als Musiker sehr, sehr komfortabel und gut fühlt. Kulturell passiert alles auf dem höchsten Niveau. Und auch dieser Alltag in München ist so einfach. Das spielt schon eine große Rolle, weil man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann, wenn man nicht ständig kämpfen muss. Ich würde auch nicht wegziehen wollen.

ZUR PERSON: Die 1979 geborene Lisa Batiashvili stammt aus Georgien. Mit fast 12 Jahren kam sie mit ihren Eltern nach Deutschland. Dort wurde die begabte Violinistin von der berühmten Geigenlehrerin Ana Chumachenco angenommen. Seitdem spielte die Musikerin mit vielen namhaften Orchestern wie den New Yorker Philharmonikern, dem Orchestre de Paris oder dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Batiashvili ist mit dem Oboisten Francois Leleux verheiratet und lebt mit ihm und zwei Kindern in München.

 

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