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Ohne Türsteher ins Berghain – Berlin bekommt ein neues Popfestival

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Helene Fischer und David Guetta, also Schlager und wummernde Electronic Dance Music: Das beides verkauft sich in Deutschland. Aber wie tickt die Szene heute jenseits der Massen? Darum geht es beim neuen Berliner Festival Pop-Kultur vom 26. bis 28. August. Es ist der Nachfolger der Music Week, die vielen zu unübersichtlich war. Jetzt gibt es geballt an drei Tagen an einem Ort 60 Konzerte, Diskussionen, Lesungen und Workshops. Schauplatz ist das Berghain mit seinen riesigen alten Kraftwerkshallen, das noch immer als Deutschlands coolster Club gilt.

Beim Festival kommt man mit Tickets hinein, ohne die berüchtigte Türkontrolle. Die Zielgruppe ist groß. „Im Berghain ist das Publikum, man glaubt es ja nicht, bis locker 70“, sagt Kurator Martin Hossbach (39). „Wir richten uns an Leute, die sich ein kleines bisschen mehr für Musik interessieren, als sich vom Radio berieseln zu lassen.“

Das Festival will eine Mischung bieten, aus bekannten Namen wie Neneh Cherry oder den Leuten von New Order und Musikern, die bisher niemand kennt: Isolation Berlin, Chuckamuck oder Die Nerven. Hollywoodstar Elijah Wood („Herr der Ringe“) wird als DJ auflegen. Die in Berlin lebende Schweizer Sängerin Sophie Hunger will mit Überraschungsgästen auftreten. Nachwuchsstar Balbina trägt Gedichte vor. Ähnlich wie beim Theater gibt es Uraufführungen und deutschsprachige Erstaufführungen.

Was Musik heute angeht, passiert nach Kenner-Meinung gerade am meisten im HipHop. „Da findet die größte Innovation statt, wobei manchmal der Inhalt hängt“, sagt Hossbach. Politischer Rap habe es ziemlich schwer gehabt, komme aber auch wieder. „Es gibt alles, und alles gleichzeitig. Und man könnte den Rest des Tages damit verbinden, die neuen Folksängerinnen aus Amerika zu hören oder ein Jahr lang mit Underground-HipHop aus New York verbringen.“

Das Festival wird vom Berliner Musicboard ausgerichtet, das zum Senat gehört. Die wirtschaftlich eher klamme Hauptstadt weiß, wie wichtig ihre kreative Szene ist. Die Musikleute sitzen nicht im Roten Rathaus, sondern in einem Kulturquartier in einem ehemaligen Krematorium im Bezirk Wedding, der gerade von der „New York Times“ als In-Viertel gepriesen wurde, also schon fast wieder out sein könnte.

Das Musicboard hat mit 1,7 Millionen Euro im Jahr verglichen mit großen Bühnen einen eher kleinen Etat. Chefin Katja Lucker (45) guckt aufs Geld. Ihr Büro ist mit ausrangierten Möbeln aus dem Rathaus eingerichtet. Sie kennt natürlich die Debatten, ob staatliches Geld nicht irgendwie uncool ist für die Szene und ob Berlin nicht ohnehin langweilig wird.

„Es kommen immer noch sehr viele Menschen aus dem Ausland nach Berlin, um hier Musik zu machen, ein Label oder einen Club zu eröffnen“, sagt Lucker. „Denen helfen wir. Wir haben immer noch mehr Clubs als alle anderen deutschen Städte und vielleicht auch als London.“ Hossbach, der 2002 mit dem Branchenriesen Universal nach Berlin kam, sagt: „Ich würde sofort abhauen, wenn ich es hier nicht mehr interessant fände.“ Er mag, dass die Stadt so international geworden ist.

Berlin wird aber teurer, das hat auch Folgen für die Musik. Bands finden beispielsweise weniger Probenräume. „Immer wenn ein privater Mensch etwas kauft oder verkauft, hat man wenig Spielraum“, sagt Lucker. „Wir versuchen, mit Investoren zu reden. Das ist ein Thema, das uns die nächsten Jahre beschäftigen wird.“

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