München - Dieses gigantische Werk ist für jedes Opernhaus eine Herausforderung: Gut 16 Stunden Musik, aufgeteilt auf vier abendfüllende Opern, ein 100-Mann-Orchester, das kaum in einen normalen Orchestergraben passt, dazu 31 Solisten und ein großer gemischter Chor. Viel mehr geht nicht als in Richard Wagners Mega-Opus "Der Ring des Nibelungen", das die Bayerische Staatsoper bis zum Sommer als Neuinszenierung auf die Bühne des Münchner Nationaltheaters wuchten will. Am Samstag (4. Februar) startet das Riesenprojekt mit dem "Rheingold".
Überdimensional wie die Musik des "Rings" ist auch die Handlung. In seinem Opernzyklus versuchte Richard Wagner nichts weniger, als die Entstehung und Zukunft des Menschengeschlechtes darzustellen und die Welt der Götter gleich mit. Allein 700 handgeschriebene Seiten umfasst die von Wagner selbst erstellte, auf nordisch-germanischen Mythen und Volksmärchen basierende Textdichtung. Sie ist durchwebt von rund 100 musikalischen "Leitmotiven", die das dramatische Geschehen kunstvoll untermalen.
Üblicherweise lassen sich Intendanten Zeit, um das XXL-Opus nach und nach herauszubringen. Die Bayerische Staatsoper indes hat sich vorgenommen, den "Ring" in einem Stück zu schmieden. Innerhalb von nur fünf Monaten soll die Neuinszenierung das Licht der Opernwelt erblicken. Nach dem "Rheingold", dem "Vorabend" der Tetralogie, folgen am 11. März die "Walküre" und am 27. Mai "Siegfried". Die Münchner Opernfestspiele 2012 werden dann am 30. Juni mit dem letzten Teil, der "Götterdämmerung", feierlich eröffnet.
Wenn es um den "Ring" geht, steht die Staatsoper unter besonderer Beobachtung. Wurden doch in München nicht nur "Rheingold" und "Walküre" uraufgeführt. Hier wollte der Wagner verrückte Bayernkönig Ludwig II. auch ein eigenes Festspielhaus für die Werke seines Idols errichten lassen. Wegen Protesten der Münchner Bürgerschaft kam es nicht dazu und Wagner baute seinen Privat-Musentempel schließlich in Bayreuth. Trotzdem zählt das Schaffen Wagners nach wie vor zum Kernrepertoire des Münchner Hauses.
Psychologie im Mittelpunkt
Zuletzt wurde der "Ring" in München in den Jahren 2002 und 2003 neu inszeniert. Das Vorhaben stand unter einem schlechten Stern, weil Star-Regisseur Herbert Wernicke nach der Premiere des "Rheingolds" unerwartet verstarb. Der US-Amerikaner David Alden komplettierte dann das Werk. Diesmal zeichnet Andreas Kriegenburg für die Regie verantwortlich, der zuletzt mit seiner Deutung von Alban Bergs "Wozzeck" an der Staatsoper einen blendenden Eindruck hinterließ.
Wahre Heerscharen von Regisseuren haben sich schon am "Ring" abgearbeitet und versucht, immer neue Bedeutungsebenen aus dem ausladenden Stoff um den Unheil bringenden Goldreif, das von Menschen und Göttern begehrte Symbol der Weltmacht, herauszudestillieren. Sehr viel verriet Kriegenburg von seinem Konzept noch nicht. Nur soviel: Eine Materialschlacht soll sein "Ring" nicht werden. Die Bühne sei ziemlich leer, die Regie wolle nicht in Konkurrenz zur Musik treten. Es werde weder Parkhäuser noch Kraftwerke geben, auch auf Videoprojektionen wolle er verzichten.
Kriegenburg will sich ganz auf die Psychologie der handelnden Personen konzentrieren, ihre Träume, Fehler und Verstrickungen. "Wagner zeigt unsere Gefährdungen, wir zeigen sie in einer Art kollektiven Erzählens", sagte er im Vorfeld der Premiere. Sympathisch war sein Eingeständnis, dass er sich in den übersichtlichen Klangwelten des Barockmeisters Georg Friedrich Händel wohler fühle, als in Wagners "Klanganmaßungen". Er sei eben ein "bescheidener Mensch".
Kent Nagano, der den "Ring" dirigieren wird, gilt als detailversessener Klangarbeiter. Der Generalmusikdirektor der Staatsoper hat zwar alle Teile des Wagnerschen Opernzyklus schon einmal interpretiert, doch der Münchner "Ring" ist seine erste szenische Produktion. "Wenn man nicht die richtigen Sänger, das richtige Orchester hat und nicht mit der Konzeption des Regisseurs übereinstimmt, kann das nicht funktionieren." Er habe lange auf die richtige künstlerische Konstellation gewartet, jetzt in München passe erstmals alles zusammen.
Begleitprogramm zur Münchner "Ring"-Inszenierung
- Rund um den "Ring" hat die Staatsoper ein "diskursives" Begleitprogramm arrangiert mit insgesamt sieben Ring-Matineen, in dem das selbst zum Mythos gewordene Werk von allen Seiten beleuchtet wird.
- Wer sich die klugen Gedanken der Dramaturgen mit nach Hause nehmen will, kann eigens einen "Ring-Ordner" erstehen, der sich nach und nach füllen soll.
- Für Jugendliche ab 16 Jahren werden unter dem Motto "Jugend ringt" Workshops, Proben und Künstlergespräche angeboten.
- Unter http://www.ring.staatsoper.de gibt es eine eigene Homepage.
- Die Projektion "Weltenbrand" auf der Fassade des Nationaltheaters soll daran erinnern, dass Wagner ursprünglich die krause Idee hatte, das Bayreuther Opernhaus nach der Vorstellung des "Rings" niederzubrennen. Dazu kam es bekanntlich nicht.
- Bei den Bayreuther Festspielen kommt ein neuer "Ring" erst 2013 heraus, pünktlich zum 200. Geburtstag seines Schöpfers.