Hamburg - Ein bisschen fühlt es sich an wie Anfang 2020 - also wie in Vor-Corona-Zeiten: endlich wieder laute Musik und vergnügte Gesichter auf dem Kiez, endlich wieder Club-Hopping. Und dann sorgte beim Hamburger Reeperbahn-Festival die britische Musikikone Sting am Mittwochabend bei der Auftakt-Gala auch noch für einen standesgemäßen Start.
«Das war mein erster Auftritt seit zwei Jahren. Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich das Reeperbahn-Festival eröffnen darf», sagte der 69-Jährige während der Gala im Stage-Operettenhaus, bei der unter anderen auch Joy Denalane, das Avantgarde-Pop-Duo Ätna und die britische Songwriterin Griff auf der Bühne standen.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hob das Festival als wichtige Veranstaltung für die Branche hervor. «Das Reeperbahn-Festival ist für Musik, was die Berlinale für den Film und die Frankfurter Buchmesse für die Literatur ist», sagte er zum Start der 16. Ausgabe des Clubfestivals und des renommierten Branchentreffs.
2020 war das Festival als pandemiegerechte Version eine Art Blaupause für vergleichbare Veranstaltungen unter Corona-Bedingungen gewesen. In diesem Jahr soll es vor allem um den Aufbruch in eine Normalität trotz Corona gehen.
Dies zeigte sich etwa beim Auftritt des Berliner Trios Kadavar, das mit krachenden Klängen das Publikum auf dem Heiligengeistfeld zum Wippen und enthusiastischen Kopfnicken brachte. Mehr aber war coronabedingt auch gar nicht erlaubt.
«Bitte tanzt nicht und unterlasst ausschweifende Bewegungen», mahnte der Durchsager kurz vor dem Konzert. Kadavar-Leadsänger Christoph Lindemann freute sich trotzdem, nach langer Pause mal wieder auf einer großen Bühne stehen zu können: «Ach, ist das schön», sagte er nach den ersten Songs.
In den Clubs und vor den Bühnen auf dem Heiligengeistfeld sorgten geduldige Security-Leute dafür, dass die Corona-Regeln von den Besucher und Besucherinnen eingehalten wurden. Eingelassen wurden zu den Konzerten und Veranstaltungen nur geimpfte, genesene oder getestete Besucher - also nach 3G-Regeln. Das Festival-Team hätte liebend gern die 2G-Regel - also nur genesene und geimpfte Besucher - umgesetzt. Doch in der Realität war das unter anderem wegen der internationalen Künstler und deren Crews zunächst noch zu kompliziert.
Eine Herausforderung für die Besucher war auch die im Vergleich zu 2019 geringe Auslastung der Spielstätten, die laut Festivalchef Alexander Schulz insgesamt 40 Prozent betrug. So hieß es etwa zwei Minuten nach Konzertbeginn der isländischen Band BSÍ im Molotow-Club: Keiner kommt mehr rein.
Doch das Festival ist mehr als nur Musik. Bereits in den vergangenen Jahren haben sich seine Macher dafür stark gemacht, dass das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Künstlern ausgeglichen ist. Es gebe in Sachen Diversität und Chancen für Frauen noch erheblichen Nachholbedarf, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Eine entsprechende Studie soll am Donnerstag in Hamburg vorgestellt werden. Grütters lobte das Festival als «Leuchtturm für den Musikstandort Deutschland».
Das 16. Reeperbahn-Festival geht bis zum 25. September. Insgesamt stehen rund 300 Konzerte an 35 Spielorten auf dem Plan. Für die Fachbesucher sind zudem rund 150 Programmpunkte mit mehr als 300 Speakerinnen und Speakern geplant. Am Samstagabend wird auch der Anchor-Award an besonders bemerkenswerte Nachwuchskünstler vergeben.