Riga - Richard Wagner war einst Kapellmeister in Riga. Lange schien das in Lettlands Hauptstadt vergessen. Doch im Jubiläumsjahr des Komponisten gibt es an der Lettischen Nationaloper eine Jahrhundert-Aufführung.
Riga ist im Wagner-Fieber: Zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren wird im Juni an der Lettischen Nationaloper wieder der komplette «Ring des Nibelungen» in einer Saison gespielt. Dirigiert von dem jungen deutschen Dirigenten Cornelius Meister wird der gut 16 Stunden dauernde Zyklus während des Rigaer Opernfestivals an vier Tagen aufgeführt. Damit will die Oper an den 200. Geburtstag und 130. Todestag des Komponisten erinnern, der von 1837 bis 1839 in Riga als Kapellmeister wirkte. Zugleich soll an die lange und reiche Wagner-Tradition in Riga angeknüpft werden.
«Die Aufführung ist eine große Ehre für uns. Es gibt auf der Welt nur wenige Städte, die direkt mit dem Werk von Wagner verbunden sind», sagt Andrejs Zagars, Direktor der Lettischen Nationaloper. Mit 24 Jahren kam Wagner im August 1837 in die damals zum Russischen Reich gehörende Metropole, um seine Stelle am städtischen Deutschen Theater anzutreten. Doch Schulden und Streit mit dem Theaterdirektor ließen ihn schon nach zwei Spielzeiten fluchtartig die Stadt verlassen.
Auf der Karriereleiter des jungen Komponisten war Riga dennoch eine wichtige Station. Dort begann er mit der Komposition seiner frühen Oper «Rienzi» und erhielt Anregungen für den architektonischen Aufbau des Festspielhauses in Bayreuth. Seine abenteuerliche Flucht von Riga mit dem Schiff nach London inspirierte ihn zudem zum «Fliegenden Holländer», der bereits im Mai 1843 in Riga - als zweiter Stadt nach Dresden - aufgeführt wurde.
Die Lettische Nationaloper wiederum ging 1919 mit einer Aufführung von «Der Fliegende Holländer» in ihre erste Saison im heutigen Opernhaus.
«An einer "Ring"-Produktion in einer Stadt beteiligt zu sein, in der Wagner selbst als Kapellmeister tätig war, ist etwas ganz Außergewöhnliches», sagt Dirigent Meister der Nachrichtenagentur dpa. Auch an der Oper bereitete man sich intensiv auf die «Aufführung des Jahrhunderts» und das «mit Abstand anspruchsvollste Projekt in der Geschichte der Lettischen Nationaloper» vor, wie es Operndirektor Zagars umschreibt.
Denn mit dem Opernzyklus, an dem Wagner über Jahrzehnte gearbeitet hat, möchte Riga international punkten. Bereits 2006 war mit der Inszenierung eines neuen «Ring des Nibelungen» begonnen worden, pro Jahr sollte ein Werk aufgeführt werden. Doch dann kam die Krise, die Lettland massiv traf und schmerzhafte Einschnitte mit sich brachte. Auch an der Oper musste gespart werden - Gagen und Gehälter wurden stark gekürzt, Premieren verschoben.
Nun scheint das Publikumsinteresse nur noch größer: Die Karten für die Zyklus-Aufführung waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. «Es gibt es eine große Bereitschaft und Hunger nach Wagner und dem "Ring"», sagt der «Götterdämmerung»-Siegfried Lars Cleveman.
Alexander Welscher
Der Ring des Nibelungen: 4., 5., 7., 9. Juni an der Latvias Nationálá Opera
Regie:
Das Rheingold – Stefan Herheim
Die Walküre, Siegfried und Götterdämmerung - Viestur Kairish
Interview der DPA mit Cornelius Meister
Was bedeutet Ihnen Richard Wagner?
Cornelius Meister: «Ich bin ein großer Liebhaber der Werke Wagners und oft damit in Berührung gekommen - als Dirigent oder als Zuhörer. Es gibt allerdings viele Facetten im Leben Richard Wagners, die überhaupt nicht Vorbild für mich sind. Deshalb bin ich ihm nicht mit Haut und Haaren verfallen, aber seine Werke sprechen mich doch wirklich besonders an.»
Muss man demnach die Person Wagners von seinem Werk trennen?
Cornelius Meister: «Ich bin froh, dass ich Wagner nicht als Musikwissenschaftler bewerten muss, sondern eher ein Interpret seiner Werke bin. Daher kann ich in gewisser Weise einfach am Pult stehen und seine Kompositionen dirigieren. Natürlich kann und sollte man die Person nicht vollständig ausblenden. Aber wenn wir Kunstwerke nur danach aufführen würden, ob dessen Erschaffer ein guter Mensch war, hätten wir sicherlich sehr viel weniger Kunstwerke.»
Was ist Ihr Lieblingswerk von Wagner?
Cornelius Meister: «Ich habe kein spezielles Lieblingswerk. Beim "Ring des Nibelungen" habe ich aber einen persönlichen dramaturgischen Ablauf. In der "Götterdämmerung", aber auch in "Siegfried" gibt es einige Stellen und Szenen, die ich körperlich sehr spüre und die sich für mich als Dirigenten ganz besonders anfühlen - beispielsweise der Trauermarsch in "Götterdämmerung".»
Gibt es für Sie heute noch Neues in Wagners Werk zu entdecken?
Cornelius Meister: «Ständig. Zum einen neue dramaturgische Dinge, die eigentlich eher einen Regisseur interessieren, aber mir als Musiker ebenso wichtig sind, weil ich - ganz im Wagnerschen Sinne - an das Gesamtkunstwerk denke. Aber ich finde natürlich auch musikalische Details. Ich arbeitete mit der Partitur, dem Klavierauszug und lese im Textbuch. Zudem sind heutzutage durch YouTube und das Internet alte Aufnahmen viel leichter verfügbar sind als das früher der Fall war. Dadurch entdeckt man fast täglich Neues.»
Der «Ring des Nibelungen» in Riga ist Ihr erster kompletter «Ring» als Dirigent. Ist dies ein Markstein oder eine besondere Herausforderung in Ihrer Karriere?
Cornelius Meister: «Ich habe viele Jahre auf diesen Moment hingedacht - sowohl rein musikalisch als auch was die Probenplanung anbelangt. Gerade beim "Ring" ist die Vorbereitung immens wichtig. Ich bin mir natürlich bewusst, was für eine lange Rezeptionsgeschichte er hat. Wagner ist mir aber seit langem sehr nahe und auch körperlich fühle ich für die fast 16 Stunden Musik gewappnet.»
Was reizt Sie an der Aufführung an der Lettischen Nationaloper?
Cornelius Meister: «An einer "Ring"-Produktion in einer Stadt beteiligt zu sein, in der Wagner selbst als Kapellmeister tätig war, ist etwas ganz Außergewöhnliches - und dann auch noch im Wagner-Jahr. Das wird einmalig werden.»