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Duisburg - Ballett aus Knochenstaub und Opern ohne traditionelle Muster: Unter Intendant Heiner Goebbels ist die Ruhrtriennale stärker zum Experimentierfeld der Avantgarde geworden als je zuvor. Bald beginnt seine dritte und letzte Saison. Hier lässt Goebbels abermals die Grenzen zwischen Tanz, Theater und Performance verschwimmen.
Die experimentelle Herangehensweise des Ruhrtriennale-Intendanten Heiner Goebbels kommt beim Publikum an: Dreiviertel aller Karten für die rund 30 Produktionen der kommenden Saison sind bereits verkauft, sagte Geschäftsführer Lukas Crepaz am Mittwoch in Duisburg. In eineinhalb Wochen am 15. August beginnt die dritte und damit letzte Ruhrtriennale-Saison unter Goebbels. Bis zum 28. September wird das Ruhrgebiet mit seinen ehemaligen Zechen und Industriehallen dann wieder Schauplatz für diesmal 150 Aufführungen mit mehr als 1000 Künstlern aus den Bereichen Tanz, Musik, Theater und bildender Kunst. Goebbels setzt abermals auf ein ungewöhnliches Programm: «Es gibt gerade bei unserem Festival eine Reihe von Künstlern, die nicht in eine Kategorie passen», sagte er. «Wir ignorieren die Grenzen einfach.» Als Regisseur hat Goebbels etwa mit dem Eröffnungsstück «De Materie» eine fast vergessene Oper von Louis Andriessen wieder ausgegraben, die die traditionellen Formen der Gattung zu überwinden verspricht. In der von ihm komponierten Hommage an das Ruhrgebiet «Surrogate Cities Ruhr» erwecken Tänzer und Laien aus dem Revier die Großstadt in einer Mischung aus Choreographie und Orchesterwerk zum Leben. Mit Spannung erwartet wird ein weiteres radikal-grenzüberschreitendes Werk: In Romeo Castelluccis Strawinsky-Ballett «Le Sacre du Printemps» sind Tänzer durch umherwirbelnden Knochenstaub ersetzt. Auch Boris Nikitins Regiearbeit «Sänger ohne Schatten» passt in keine Genre-Schublade. Auf der Bühne in einer alten Zeche in Gladbeck stehen Opernsänger, die aus Leben und Berufsalltag erzählen und schließlich immer mehr zu Figuren aus dem klassischen Opernrepertoire werden. Ihn interessiere daran der Grenzraum zwischen Wirklichkeit und Illusion, sagte Nikitin am Mittwoch. Gleich zwei Installationen, die auf dem Festival gezeigt werden, haben bereits im Vorfeld eine neue Bedeutung bekommen: Nachdem die Stadt Duisburg Gregor Schneiders Röhrenskulptur eine Absage erteilt hatte, weil eine mit Enge spielende Arbeit nicht in die von der Loveparade verwundete Stadt passe, realisiert er bis Mitte August ein neues Werk im Bochumer Kunstmuseum. Erschüttert zeigte sich Goebbels über den plötzlichen Tod des Filmemachers Harun Farocki vor wenigen Tagen. Von ihm und Antje Ehmann zeigt das Museum Folkwang wie vorgesehen die Videoinstallation «Eine Einstellung zur Arbeit» - starre Miniporträts von Menschen aus aller Welt an ihrem Arbeitsplatz.