Düsseldorf - Mit anhaltenden Ovationen ist am Samstagabend die Premiere von Rolando Villazóns Inszenierung der komischen Oper «Don Pasquale» gefeiert worden. Trotz des erstklassigen Sängerensembles sahnte erwartungsgemäß der Startenor den größten Jubel ab, obwohl er selbst gar nicht auf der Bühne gestanden hatte, sondern als Regisseur erst beim Schlussapplaus im lässigen T-Shirt auftauchte.
Villazón ist ein Multitalent: Berühmt geworden als Tenor im gefragten italienischen Fach, schnell zum Superstar hochgejazzt vom gierigen Klassikmarkt, dann aber wiederholt geplagt von Stimmkrisen hat der quirlige Künstler rasch seine weiteren Talente ausgebaut: Er moderiert Talkshows, hat gerade seinen zweiten Roman «Lebenskünstler» veröffentlicht, zeichnet Cartoons, und seit einigen Jahren ist er auch als Opernregisseur gefragt. Medial höchst präsent hat es Villazón so geschafft, als starke Marke unabhängig vom Zustand seines in besten Zeiten samtig glühenden Tenors zu werden.
Gaetano Donizettis komische Oper erzählt eine Variante der alten Commedia dell' Arte-Geschichte des Geizkragens, der sich spät auf Freiersfüße begibt und mittels recht boshafter Intrigen zur Vernunft gebracht wird. Villazón hatte bereits vorab zu Protokoll gegeben, dass ihm die altbackene Moral dieser Oper nicht behage und er sie anders zu interpretieren gedenke.
Johannes Leiackers Bühne ist daher nicht - wie im Libretto angegeben - in Rom um 1840 verortet, sondern zeigt eine Art Loft mit großen Fenstern, durch die Sacré-C?ur und der Eiffelturm grüßen.
Drinnen sind Meisterwerke der Kunstgeschichte aufgebaut, von der Mona Lisa bis zu berühmten Aktbildern des Malers Jean-Auguste-Dominique Ingres. Der Donizetti-Hagestolz Don Pasquale ist in Villazóns Lesart ein Kunstsammler alter Meister, der im Paris der 1970er Jahre von der Kunst- und Sexual-Revolution überrannt wird. Die begehrte Braut Norina ist eine Künstlermuse, ihr Geliebter Ernesto - Pasquales Neffe - ist Popart-Künstler.
Das restliche Personal ist bunt: Als Running Gag fungiert die dazu erfundene Rolle des maskierten Kunstdiebs, der sich immer wieder vergeblich vom Bühnenhimmel abseilt, der Notar ist ein Hare-Krishna-Jünger, Hippies und Kiffer torkeln herein, das Künstlerpaar Gilbert & George performt, und am Ende sitzt der Chor als 30 Klone Mona Lisas und Andy Warhols auf der Bühne.
Für Villazón geht es um einen Streit zwischen alter und neuer Kunst, alter und neuer Moral, die am Ende glücklich versöhnt werden. Die These ist kühn und schlicht zugleich, aber sie ermöglicht dem Regisseur ein Feuerwerk aus Anspielungen und Bildern mit hohem Wiedererkennungswert. Wenn etwa eine Szene in Edward Hoppers berühmter «Nighthawk»-Bar spielt. Oder die Gartenszene vor Magrittes «L'empire des lumières» ihren Lauf nimmt.
Villazón setzt bewusst auf bisweilen grobe Situationskomik, scheut auch den Klamauk nicht und hält das alberne Geschehen stets auf Trab. Am Schluss wartet Villazón mit einer unerwarteten Pointe auf: Der Kunstsammler verliebt sich in den Kunstdieb.
Die hoch motivierten Sänger lassen sich bedingungslos auf Villazóns Tempo ein und imponieren mit erstklassigen Leistungen: Allen voran Lucio Gallo, der die Titelrolle mit kernigem Bariton und herrlichem Parlando ausstattet, dicht gefolgt vom in jeder Hinsicht glänzenden Mario Cassi, der als Doktor Malatesta für den erkrankten Dmitri Vargin kurzfristig noch nach der Generalprobe eingesprungen ist und sich bewundernswert souverän in die kleinteilige Inszenierung einfindet.
Ioan Hoteas höhensicherer, leider etwas begrenzter Tenor als Ernesto fällt dagegen etwas ab. Heimlicher Star des Abends aber ist die umwerfende Elena Sancho Pereg als gewitzte Norina, deren silbriger Sopran selbst in höchsten Regionen krisensicher bleibt.