In etwas mehr als drei Wochen beginnen die Bayreuther Festspiele. Dass es rund läuft, kann man nicht behaupten. Der wichtigste Sänger fällt wegen gesundheitlicher Probleme aus. Und: Es gibt noch Karten. Unglaublich - musste man doch früher jahrelang auf ein Ticket warten.
Bayreuth - Spontan über die A9 nach Bayreuth fahren, vorher im Online-Shop ein Ticket buchen und dann Musik genießen? Bei den Bayreuther Festspielen eigentlich unvorstellbar. Galt hier doch früher: Wer rein wollte ins weltberühmte Haus, musste jahrelang auf einer Warteliste ausharren oder auf dem Schwarzmarkt hohe Summen bezahlen. Und in diesem Jahr? Gibt es knapp dreieinhalb Wochen vor Beginn für alle Aufführungen noch Tickets im Online-Verkauf: «Nach Prüfung sämtlicher Kontingente und Rückgaben nicht genutzter Dienstkarten sind kurzfristig für alle Vorstellungen wieder Karten verfügbar», heißt es am Grünen Hügel.
Die Einzigartigkeit Bayreuths fußte bislang auf drei Säulen: Es werden nur Werke Richard Wagners aufgeführt. An der Spitze steht ein Vertreter oder eine Vertreterin der Familie Wagner. Und: Tickets sind immer heiß begehrt. Zumindest letzteres dürfte nun nicht mehr gelten.
Die Bayreuther Festspiele müssen jetzt also ums Publikum werben anstatt Wartelisten zu verwalten. Ein Indiz: Im Mai wurde eine Aktion vorgestellt, bei der Menschen unter 25 Jahren vergünstigte Tickets kaufen können. Sogar der vierteilige «Ring des Nibelungen» kann dabei einzeln angeschaut werden. Bislang konnte man Karten nur für den kompletten «Ring» kaufen.
Der frühere Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender, kritisierte die Qualität bei den Festspielen, er schrieb in einem Gastbeitrag für die österreichische Zeitung «Die Presse»: Das «zahlende Publikum» habe Bayreuth «immer öfter enttäuscht, ja verärgert» verlassen. Das liege an szenischen Gründen, aber auch an «fragwürdigen Dirigenten und Sängerbesetzungen».
Holender hielt 2019 die Festrede anlässlich des 100. Geburtstags des früheren Festspiel-Chefs Wolfgang Wagner, kennt das Festival also gut. Nun formulierte er in dem Beitrag: «Die nicht ausverkauften Bayreuther Festspiele sind und sollen eine Warnung sein für alle jene Operntheater weltweit, welche die Musik und die Vorlage - das Libretto -, auf deren Grundlage die Musik komponiert wurde, vernachlässigen, verändern, verachten und, man glaubt es nicht, öfters auch nicht kennen.»
Und dann gibt es da noch für die Festival-Verantwortlichen Herausforderungen direkt auf der Bühne: Am Samstag war bekannt geworden, dass die Festspiele drei wichtige Partien neu besetzen mussten: Stephen Gould wird auf ärztlichen Rat hin nicht bei dem weltberühmten Festival auftreten. Gould absolvierte bereits 2022 ein Mammutprogramm in Bayreuth, auch in diesem Jahr war er wieder für die Titelpartien in «Tannhäuser» und «Tristan und Isolde» sowie als Siegfried in «Götterdämmerung» vorgesehen.
Immerhin - Ersatz ist schon gefunden. Festspielleiterin Katharina Wagner bedankte sich bei den drei Künstlern, die nun übernehmen, hieß es am Samstag weiter: Andreas Schager springt als Siegfried ein, Klaus-Florian Vogt singt den Tannhäuser und Clay Hilley übernimmt die «Tristan»-Partie.
Die Bayreuther Festspiele beginnen am 25. Juli - mit einer Neuinszenierung des Richard-Wagner-Werks «Parsifal». Eine Umbesetzung kurz vor dem Start in drei Produktionen in derlei wichtigen Partien dürfte heikel und eine Herausforderung für die Regie sein.
Gould debütierte bereits 2004 in Bayreuth als «Tannhäuser». Im vergangenen Jahr hatte er nicht nur gefeierte Auftritte in den drei Produktionen im Festspielhaus, sondern auch als Sänger beim Festspiel-Open-Air unter freiem Himmel.
Es gab für diese Saison schon einige Umbesetzungen. Im Mai hatte etwa John Lundgren für die Titelpartie in «Der fliegende Holländer» abgesagt. Michael Volle springt ein. Nach dem krankheitsbedingten Ausfall von Bass Dmitry Belosselskiy übernimmt Günther Groissböck dessen Rolle als Landgraf Hermann im «Tannhäuser». Für Belosselskiys Partie des Hagen in der «Götterdämmerung» springt Mika Kares ein.
Ungewöhnlich ist das allerdings nicht - kurzfristige Änderungen zu organisieren, kennt man in Bayreuth: Im vergangenen Jahr musste etwa «Ring»-Dirigent Pietari Inkinen wegen einer Corona-Infektion absagen. Der eh schon am Grünen Hügel probende Cornelius Meister übernahm. Und auch Gould musste für eine der «Götterdämmerung»-Aufführungen 2022 passen - Clay Hilley unterbrach deshalb spontan seinen Strandurlaub, um einzuspringen.