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Wagners «Jugendsünde»: Kulturhauptstadt Riga zeigt «Rienzi»

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Nur zwei Jahre hielt es Wagner als Kapellmeister und Komponist in der baltischen Metropole Riga. Er wollte lieber in die große weite Welt. Die Letten haben ihn aber nicht vergessen, wie das Kulturhauptstadtjahr in dem EU-Land zeigt.

 

Riga - Die zu dieser Jahreszeit eisige baltische Stadt Riga war einst wohl nur das Tor zur Welt für den Komponisten Richard Wagner. Die ersten Teile von «Rienzi», sein Durchbruchswerk, komponierte er in der lettischen Hauptstadt, wo er von 1837 bis 1839 den Taktstock hob. Die Lettische Nationaloper schenkt Musikfreunden im nun begonnenen Kulturhauptstadtjahr eine Neuproduktion des tragischen Werks. Wagners «Rienzi» ist allgegenwärtig auf Plakaten und in Zeitungsanzeigen - ein Bekenntnis zum kulturellen Erbe der Stadt, die seit wenigen Tagen auch den Euro als Währung hat.

«Es ist eine Ehre, eine derjenigen Städte zu sein, in der Wagner lebte und Musik erschaffen hat», sagt Zigmars Liepins, Direktor der Lettischen Nationaloper. Für ihn ist der deutsche Komponist, dessen 200. Geburtstag im Vorjahr in Riga mit einer Jahrhundert-Aufführung des «Ring des Nibelungen» gefeiert wurde, trotz seines nur kurzen Aufenthalts die «vielleicht wichtigste Person» in der ohnehin reichen Musikgeschichte der lettischen Hauptstadt.

Mit 24 Jahren kam Wagner im August 1837 in die damals zum Russischen Reich gehörende Metropole, um seine Stelle am städtischen Deutschen Theater anzutreten. Doch Schulden und Streit mit dem Theaterdirektor ließen ihn schon nach zwei Spielzeiten fluchtartig die Stadt verlassen.

Auf der Karriereleiter des jungen Komponisten war Riga dennoch eine wichtige Station. «Die Komposition meines bereits im Anfang des Rigaer Aufenthaltes beendigten Textes der Oper "Rienzi" sollte mir die Brücke zu der von mir ersehnten großartigen Welt bauen», schreibt Wagner in seinen Memoiren. Mit seiner dritten Oper wollte der zuvor nicht als Komponist reüssierende Kapellmeister die kleinen Theaterverhältnisse hinter sich lassen.

In der lettischen Hauptstadt komponierte er die ersten beiden der insgesamt fünf Akte der mehrstündigen Oper - «der wohlerhaltene handschriftliche Entwurf der ersten Szene ist vom 26. Juli bis 7. August 1838 datiert», wie Wagners aus Riga stammender Biograph Carl Friedrich Glasenapp berichtet. Wagner entlehnte die Geschichte um seinen tragischen Titelhelden dem Schicksal des römischen Volkstribuns Cola di Rienzo (1313-1354).

In Riga wurde «Rienzi» zuletzt 1878 gezeigt. 136 Jahre später steht nun die Neuinszenierung von Kirsten Dehlholm auf dem Programm. «Unser "Rienzi" ist ein Loblied auf die Oper als derjenigen Kunstform, bei der Musik, Gesang und Visualisierungen gemeinsam eine Geschichte erzählen», sagt die dänische Regisseurin über ihr auf zwei Stunden Spielzeit reduziertes Opus «Rienzi. Triumph und Niederlage».

Ihre gekürzte Fassung setzt Delholm modern-schlicht und bildhaft ohne größere szenische Arbeit, dafür aber mit viel Lichteffekten und bunten Kostümen in Szene. Musikalisch integriert sie elektronische Musik des jungen Letten Voldemars Johansons. Auch ein Knabenchor und ein lebendiges Pferd wirken auf der Bühne mit, an deren Portal ein festes Enblem mit einem Wagner-Porträt angebracht ist.

«Wir versuchen, dieser Schwere von Wagner etwas Traumhaftes, etwas Leichtes und Helles entgegenzusetzen», umschreibt es Dehlholm. Zum Auftakt des Kulturhauptstadtjahres gab es dafür am Freitag langen Applaus von den Gästen, darunter der lettische Staatspräsident Andris Berzins und seine litauische Amtskollegin Dalia Grybauskaite. Aus Litauen stammt auch der Dirigent Modestas Pitrenas.

Großen Beifall erhielt der deutsche Tenor Torsten Kerl, der in der Titelrolle überzeugte. «Es ist etwas Besonders an einer Aufführung in der Stadt mitzuwirken, in der Wagner mit der Komposition dieses Werkes begonnen hat», sagte der «Rienzi»-Sänger der Nachrichtenagentur dpa.

«Rienzi», die als Lieblingsoper von Adolf Hitler gilt, zählt zu den eher seltenen gezeigten Werken Wagners. Schon bald nach seiner Entstehung tat es der Komponist als «Jugendsünde» ab und wollte es niemals in seinen heiligen Hallen - dem Bayreuther Festspielhaus - aufgeführt wissen.

Alexander Welscher

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