Hildesheim - Das Luftgitarrespielen als Kunstform ist nach Auffassung des Hildesheimer Medienwissenschaftlers Mathias Mertens als Reaktion auf ein bestimmtes Bühnengeschehen entstanden. Dabei drücke sich die Ästhetik der E-Gitarre aus und vor allem das "Gefühl vom Überwältigtsein durch dieses Instrument", sagte er mit Blick auf die Luftgitarren-Weltmeisterschaft, die am Wochenende unter deutscher Beteiligung in Finnland ausgetragen wird, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd.
Die Elektrifizierung der Gitarre habe die Musik komplett umgekrempelt, sagte Mertens. Vorher sei sie ein Instrument gewesen, das zu leise war und deshalb nur im Hintergrund laufen konnte. Die Menschen auf der Bühne und im Publikum hätten plötzlich auf die Intensität des Instruments reagiert und sich förmlich erschlagen gefühlt von der Wucht des bis dahin unbekannten Sounds. Zuerst hätten Musiker angefangen dieses Überwältigtsein auch körperlich zum Ausdruck zu bringen.
Die hätten gemerkt: "Oh Gott, was habe ich denn mit diesem Instrument für einen Einfluss" und begonnen, immer mehr Posen zu machen. "Chuck Berry ist für mich der Erfinder dieses extremen Ausdrucks beim Gitarrenspiel auf der Bühne", sagte Mertens.
Luftgitarre zu spielen, sei sehr intensiv, sagte Mertens. Unter Wettkampfbedingungen bereite jeder Teilnehmer eine einminütige Choreographie vor, die mit einem 400-Meter-Sprint vergleichbar sei.
Der Kreis der professionellen Luftgitarristen sei bisher noch überschaubar. In den USA gebe es etwa 50 Protagonisten. Auf 15 bis 20 Künstler schätzt der Medienwissenschaftler die deutsche Szene, die sich "durch meine Aktivitäten an der Uni Hildesheim bereits verdoppelt habe", sagte Mertens, der auch die deutsche Starterin in Finnland, Aline Westphal aus Hildesheim, für diese Kunstform begeisterte.