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Steine, auf die man bauen kann

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Der Verband deutscher Musikschulen und seine Sponsoren
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Schon verbaut sind die Steine, die in dem TV-Spot des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) reichlich zu sehen sind: Graue, triste Vorstadtgegend, Straßen, Brücken, Betonburgen. Dann Schuttberge einer Baubrache, die schnell ins Rutschen kämen. Halbstarke lungern herum, kicken Steine, zücken Messer, schießen auf Flaschen. Seltsam der Kontrast zur sehnsüchtig schönen Gitarrenmusik. Da sieht die Kamera noch ein offenes Gesicht, folgt einem suchenden Blick, hinauf zu einem der vielen Hochhausfenster. Drinnen spielt ein Junge Gitarre. Schnitt: „Kinder brauchen die richtigen Instrumente. Jugend-Musikschulen“.Sönke Wortmann – denn kein geringerer ist der Regisseur – findet: „Kids sollen zum Musikinstrument greifen statt zur Waffe“. Für ihn steht die Gesellschaft in der Verantwortung. Kinder und Jugendliche suchen Perspektiven, brauchen sinnvolle Angebote zur emotionalen und sozialen Orientierung. Und ihm ist klar, daß Leute wie er, auf die man schaut, als opinion leaders auch Verantwortung haben, diese Zusammenhänge zum Thema zu machen. Gitarre statt Knarre – das geht alle etwas an. Den Musikschulen traut auch Wortmann die Einlösung solcher Perspektiven zu. Aber ein Budget für einen Werbefilm sprengt jeden PR-Etat einer gemeinnützigen Einrichtung. Und dabei senkt sich das Damoklesschwert der rückläufigen öffentlichen Mittel für diese angeblich „freiwillige“ kommunale Aufgabe beständig und mancherorts bedrohlich. So auch bei der Jugendmusikschule in Frankfurt. Unter den dortigen engagierten Eltern fand Bernd Lange, daß es nun Zeit zum Handeln sei. Als Creative Director bei der Werbeangentur Ogilvy&Mather konnte er seine Firma und auch Wortmann für das Projekt gewinnen – „think big“! Seine durch eigene Anschauung gebildete Überzeugung, daß Musikschulen ein gesellschaftlich relevantes Bildungsangebot machen, gewann filmische Gestalt. Welche Musikschule aber hat das Glück, daß eine der renommiertesten Profi-Agenturen sich ihrer annimmt, und war das Ergebnis nicht „big“ genug, um über Frankfurt hinaus für alle Musikschulen in Deutschland zu sprechen? So gaben Bernd Lange und der damalige Frankfurter Musikschulleiter Uwe Gäb das Projekt an den VdM weiter. Der setzte die Kommunikationskraft eines modernen Verbandes ein: Das gab dem Anliegen eine Basis von 1.000 Musikschulen mit über einer Million Schülern und die Seriosität einer gemeinnützigen Bildungseinrichtung. Von hier aus ließ sich auch Bundesjugendministerin Claudia Nolte gewinnen, als Schirmherrin das Gewicht ihres politischen Amtes in die Waagschale zu werfen. Bis hierher waren noch „wenig“ Sponsorengelder geflossen, und die hauptsächlich in Form von Sachleistungen und Honorarverzicht, – Regisseur, Kameramann, Stylistin und selbst Kabelträger: alle waren bereit, umsonst zu arbeiten. Wer aber würde die Sendezeit im Fernsehen bezahlen können? Auch für einen Bundesverband, auch für das Ministerium astronomische Summen. Getragen von Partnern auf höchster Ebene gelangte das Anliegen auch auf den Schreibtisch des Vorstandsvorsitzenden der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Horst Kleiner, unter anderem in der Förderstiftung der Semperoper aktiv, war von der Sache überzeugt. Die Musikschulen können – das sollte die Aktion verdeutlichen – „viele junge Menschen erreichen und so mittelbar einen positiven Einfluß auf das kulturelle Leben in unserer Gesellschaft ausüben“. Gedeckt war dies durch das Sponsoringkonzept seines Unternehmens, das „Teil eines selbstdefinierten gesamtgesellschaftlichen Auftrages über die Förderung von Kunst und Kultur hinaus gerade auch Initiativen würdigt, die sich um das Gemeinwohl verdient machen“. Und so konnte der Spot, in dessen Abspann die Steine der Bausparkasse mit dem Stimmgabel-Logo des VdM und dem Namen der Bundesministerin eine unverdächtige, weil ganz an guter Sache orientierte Allianz eingehen, im Laufe des Jahres 1998 auf den Sendern super-RTL, VIVA, VOX und n-TV plaziert werden. Er erreichte damit ein Publikum von Kindern über jugendliche Trendhörer und Spielfilmfans bis hin zum news- und börseninteressierten Manager. Auch bei Kids, die vielleicht nie eine Musikschule von innen sehen, ist der richtige Nerv getroffen. Schreibt doch das Popszene-Magazin „Groove“, hier müsse es seinen „nicht zu jeder Gelegenheit von der Stelle bewegten Hut mal ganz definitiv vor dem Spot des Verbandes deutscher Musikschulen ziehen“. Eine Kampagne mit Ausstrahlungen. Menschen werden berührt, ein Wert wird bewußt, Kultur – das ist der Appell – ist gegenüber roher Gewalt ihrem ursprünglichen Wortsinn nach der „Pflege“ bedürftig, wird dann aber auch zum unverbrüchlichen Mörtel individuellen wie sozialen Friedens. Und mit dem allbekannten Werbeslogan der Bausparkasse im Hinterkopf blitzt plötzlich etwas auf von dem, was das für jedwedes Sponsoring bemühte Zauberwort „Imagetransfer“ eigentlich meint, jene bewußtseinsmäßige Verknüpfung, jener magische Aha-Moment, in dem das investierte Geld Gold wert wird – hier tritt er ein: Es werden diejenigen, denen wir rechtzeitig die richtigen Instrumente geben, die Steine sein, auf die unsere Gesellschaft bauen kann. Ulrich Wüster

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