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Verwertung ist kein beliebiges Gut

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Gedanken zur GEMA und ihrem Monopol
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Sie sind unbestritten Monopolisten: die Verwertungsgesellschaften in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Häufig genug wurden und werden sie in dieser Position kritisiert. Mit Forderungen, das Monopol der GEMA und anderer Verwertungsgesellschaften aufzuheben, haben die Endverwerter, insbesondere Verbände wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband oder die Bundesvereinigung der Musikveranstalter, in der Vergangenheit nicht gespart. In der Tat: Niemand macht der GEMA in Deutschland den Rang streitig. Alternativ zur GEMA-Mitgliedschaft bleibt dem einzelnen Musikurheber nur die Verwertung seines Rechtes auf eigene Faust. Womit sich die Frage stellt: Um wessen Monopol geht es hier eigentlich? „Das Urheberrecht gewährt dem Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk zu nutzen; der Urheber hat also in bezug auf sein Werk eine gesetzlich gewährleistete Monopolstellung.“ So lautet die amtliche Begründung zum Urheberrechtswahrnehmungsgesetz von 1966. Wenn nicht sogar ein natürliches, so hält doch jeder kreative Künstler ein gesetzliches Monopol für das von ihm geschaffene Werk. Im Gegensatz zur GEMA, die zwar ein vom Gesetzgeber gewolltes Defacto-Monopol, jedoch kein gesetzliches innehat. Die Vorteile der Monopolstellung liegen klar auf der Hand. Natürlich kann eine Verwertungsgesellschaft wirtschaftlicher arbeiten, wenn sie alle Rechte einer Branche verwaltet, als wenn sich diese Rechte auf mehrere Verwalter aufteilen. Der Endnutzer vermeidet viel organisatorischen Aufwand dadurch, daß er seinen Ansprechpartner kennt und nicht erst mühsam herausfinden muß, welches der von ihm verwerteten Werke bei welcher Gesellschaft liegen. Und schließlich der Urheber: er wird nicht von einer gegen die andere Verwertungsgesellschaft ausgespielt und so permanent im Preis gedrückt. Ähnliches gilt für das „Weltmonopol“ der GEMA. Die Gegenseitigkeitsverträge mit Verwertungsgesellschaften anderer Länder machen das Monopol der GEMA zu einem absoluten. Einem Nutzer in Deutschland ist es danach nicht möglich, ein Verwertungsrecht bei einer Gesellschaft im Ausland mit niedrigeren Tarifen „billiger“ zu erwerben. Auch hier argumentieren Verwertungsgesellschaft und Gesetzgeber gemeinsam: schon die nationale Kontrolle über alle Verwerter ist umfangreich und komplex – über die Grenzen hinaus wäre sie effektiv nicht möglich. Doch die Kritiker bleiben aktiv. So monierte der DEHOGA erst kürzlich die „überzogenen und unangemessenen urheberrechtlichen Forderungen der monopolistischen Verwertungsgesellschaften“ und die Ohnmacht des Verwerters gegenüber dem Monopolisten: „Big Brother is watching you, könnte man sagen, oder fast überall, wo sich der Gast aufhält, von der Tiefgarage bis zur Toilette – die GEMA und andere Vewertungsgesellschaften sind immer dabei und kassieren fleißig mit.“ Wer so kritisiert, hat zu wenig über Sinn und Zweck einer Verwertungsgesellschaft nachgedacht. Die GEMA ist Dienstleister für mehrere Seiten, denen sie in unterschiedlicher Intensität verpflichtet ist. An erster Stelle steht da der Urheber mit seinem Urheberrecht, das eine angemessene Beteiligung des Schöpfers an jeder Nutzung seiner Schöpfung beinhaltet. Die Vertretung seiner Interessen gegenüber dem Verwerter ist die ureigentliche Aufgabe der GEMA. An zweiter Stelle kommt der Staat, besser: der Kulturstaat. Ein Kulturstaat Deutschland ist nur möglich, wenn es für schöpferische Menschen eine wirtschaftliche Grundlage gibt und diese effektiv eingefordert wird. Dazu tragen Verwertungsgesellschaften unleugbar bei, indem sie die Nutzung flächendeckend kontrollieren und berechnen. Erst danach ist als „Dienstleistungskunde“ der GEMA der Verwerter zu nennen, der für die Nutzung schöpferischer Werke zahlt: an den – monopolistischen – Urheber oder an die Gesellschaft, die ihn vertritt. Gewiß: wer ein Monopol hat, kann in der Regel die Preise frei bestimmen. Die GEMA darf dies allerdings nur eingeschränkt: äußere Kontrollorgane wie das Kartellamt und das Deutsche Patentamt sowie innere Gremien und Organe, allen voran die Mitgliederversammlung, können zumindest Einfluß nehmen auf die Tarifgestaltung der GEMA. Und auch das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz schränkt die freie Tarifbestimmung durch zahlreiche Vorschriften ein. Vor allem aber darf nicht vergessen werden, daß das Recht des Urhebers an der Verwertung seines Werkes kein beliebiges Gut ist, das auf dem Markt feilgeboten wird, sondern ein schützenswertes. Und eines, das des Schutzes bedarf. Auf sich gestellt haben nur wenige Urheber eine Chance, sich gegen die Marktmacht gerade der großen und kommerziellen Veranstalter durchzusetzen. Als Monopolist besitzt die GEMA unstreitig größere Macht, als wenn sie sich die Aufgabe der Interessensvertretung mit anderen teilen müßte. Insofern ist ihre Monopolstellung vertretbar. Bleibt die Frage, wie sich die Monopolstellung auf ihren eigenlichen „Kunden“, auf den Urheber auswirkt. Der kann zwar in einem demokratischen Gebilde wie dem wirtschaftlichen Verein in begrenztem Maße mitreden. Aber er hat keine Chance, eine andere Verwertungsgesellschaft als die GEMA in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Grund muß er offenbar auch nicht umworben werden. Die GEMA vergleicht sich selbst mit dem TÜV, der – ebenfalls als Privater – staatliche Aufgaben übernommen hat. Auch ein Vergleich mit der einst staatlichen Telekom liegt nahe. Beide, Telekom und TÜV, mußten ihr Monopol aufgeben. In beiden Fällen erlebte der Kunde einen spürbaren Wandel. Plötzlich fand der Begriff der Kundenorientierung Eingang in die Unternehmen, man wurde als Kunde wahrgenommen und auch als solcher behandelt. Der Urheber, der oft ratlos in das Gewirr der GEMA-Verwaltungsbürokratie starrt, wünscht sich manches Mal, ein wenig mehr als Kunde denn als zu verwaltendes Objekt betrachtet zu werden. Klarheit, Übersichtlichkeit und unbürokratische Abläufe gehören nicht gerade zu den Stärken der GEMA. Vielleicht könnte man dort ja – den nicht real existierenden Wettbewerb „im Sinn“ – so tun, als ob der Urheber Kunde sei, der beworben sein will, und die Strukturen danach ausrichten. „Kundenorientierung trotz Monopol“ wäre keine schlechte Devise.

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