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Ankündigung zu „Hair“ in Braunschweig. Plakat
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„Zwischen populär und populistisch“ – Theater unter freiem Himmel

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Mit der Geschichte vom „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ startet das Schauspiel Hannover unter freiem Himmel in die neue Spielzeit. Sommertheater-Inszenierungen sind beliebt und erfolgreich.

Das hätten sich die beiden alten Männer nicht träumen lassen. Als sie den gestohlenen Rollkoffer öffnen, entdecken sie Geld, viel Geld. Genug, um den Lebensabend ein klein wenig anders zu gestalten, als sie es bisher vorgesehen hatten. Die tragikomische Geschichte vom „Hundertjährigen der aus dem Fenster stieg und verschwand“ nach dem Bestseller von Jonas Jonasson findet in Hannover auf die Bühne – aber nicht auf die große Bühne des Schauspielhauses, sondern auf den Hof. Denn das Schauspiel Hannover zeigt auch in diesem Jahr wieder eine Produktion unter freiem Himmel.

Open-Air-Theater – das ist eine Gattung, für die etwas andere Regeln gelten als für die Produktionen im Haus, sagt Intendant Lars-Ole Walburg. Mit der Themenauswahl der Sommertheater-Stücke „bewegen wir uns irgendwo zwischen populär und populistisch“. Natürlich seien die Inszenierungen im Open-Air-Theater etwas leichter zugänglich als auf der großen Bühne. Und es komme auch ein etwas anderes Publikum, glaubt Walburg. „Vielleicht gelingt es sogar, ein paar Alt-Abonnenten zurück zu gewinnen, die wir in den Anfangsjahren verloren haben“.

Der Zuspruch ist groß. Laut Schauspielhaus ist jede Vorstellung ausverkauft. 4480 Karten seien verkauft worden. Ein nennenswerter finanzieller Gewinn springe dabei angesichts des enormen Aufwandes zwar nicht heraus, erklärt der Intendant. Die Motivation vieler Häuser für die Sommer-Bespielung sieht er woanders. „Der Druck aus der Politik nach Zuschauerzahlen wird immer größer, da bespiele ich natürlich gerne im Sommer einen ausverkauften Hof“, sagt Walburg. So ergebe sich auch ein Puffer für künstlerische Experimente. „Die Rechnung ist einfach, ein ausverkauftes Sommertheater eröffnet Spielräume für zukünftige Produktionen.“

Auf Theater unter freiem Himmel setzt auch das nahe Staatstheater Braunschweig. Bereits seit der Weltausstellung Expo 2000 wird jedes Jahr im Sommer der Braunschweiger Burgplatz in eine riesige Open-Air-Bühne verwandelt. „Die Bespielung des Burgplatzes durch das Staatstheater ist eines der kulturellen Highlights der Stadt“, betont Staatstheater-Intendant Joachim Klement. „Gleichzeitig nutzen wir dieses Format, um Menschen grundsätzlich für das Musiktheater zu begeistern – besonders auch junge Menschen“. Rund 25.000 Zuschauer erreicht das Haus nach eigenen Angaben mit Musicals und Musiktheater-Werken in leicht zugänglichen Inszenierungen. In diesem Jahr steht das Rock-Musical „Hair“ auf dem Spielplan.

In Mecklenburg-Vorpommern bietet die Vorpommersche Landesbühne Anklam 500 Stunden Sommer-Theater an fünf Spielorten – und setzt dabei auf leicht zugängliche Stoffe, mit denen sie Einheimische und Touristen gleichermaßen begeistert. Im Theaterzelt „Chapeau Rouge“ in Heringsdorf auf Usedom ist in diesem Jahr die Komödie „Außer Kontrolle“ zu sehen. Rund 50.000 Einheimische und Touristen besuchen laut Theater-Intendant Wolfgang Bordel pro Jahr die Sommerveranstaltungen.

Es sind Zahlen wie diese, die an vielen staatliche Bühnen in Deutschland Einfluss auf die Gesamtauslastung und die Besucherzahlen haben. Sommertheater-Aufführungen zeigen etwa auch die Theater in Magdeburg, Tübingen, Detmold, Celle, Cottbus und Kiel.

Dass auch populäre Stoffe unter freiem Himmel geeignet sind, ernste Themen zu transportieren, zeigt die Probe für die Premiere am Schauspiel Hannover. Dem heiteren, fast slapstick-haften Geschehen auf dem Hof hat der junge Regisseur Malte C. Lachmann eine zweite Ebene gegenübergestellt. In einem in drei Meter Höhe angebrachten schlichten Guckkasten durchlebt der Schauspieler Philippe Goos als junge Version des von Dieter Hufschmidt gespielten Hundertjährigen Szenen aus einem bewegten Leben. Hier arbeitet er als Sprengstoffexperte, erst in einer Nitroglycerin-Fabrik, später für die Armee des spanischen Generals Franco. Mit einem lauten Knall und einem grellen Blitz explodieren die Bomben vor der Fassade des Schauspielhauses. Der Rauch verflüchtigt sich aber schnell in den offenen Himmel.

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