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Im Zeichen des lebenslangen Lernens

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Ein Gespräch mit dem Musikwissenschaftler und Kulturmanager Stefan Simon
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Stefan Simon hat nach jahrelangem Musikunterricht am Klavier, im Gesang und mit dem Saxophon ein Magisterstudium in Musikwissenschaft, Geschichte und Publizistik an der Universität Mainz absolviert sowie später Kulturmanagement berufsbegleitend in Ludwigsburg studiert. Zunächst war er im Management von Konzert­reihen, Musikfestivals und musikpädagogischen Projekten tätig, u.a. für den Kultursommer Rheinland-Pfalz, den Förderverein Interkultur und das Projekt „SMS – Singen macht Sinn“. Seit 2011 leitet Stefan Simon das Karrierezentrum der Hochschule für Musik Detmold. Dort berät er unter anderem Studierende beim Übergang ins Berufsleben, organisiert Vorträge und Gastredner und hält selbst Seminare. Seit 2019 ist er zudem für das Zentrum L³Musik tätig, das zum aktuellen Wintersemes­ter seine Pforten öffnete. Dieses „Zentrum für Lebenslanges Lernen in der Musik“ schafft eine Brücke zwischen Hochschule und Berufsleben. Hier werden Fortbildungen angeboten, die an die sich ständig verändernden künstlerischen und pädagogischen, aber auch an technische oder rechtliche Veränderungen im Berufsleben eines Musikers anknüpfen.

neue musikzeitung: Herr Simon, Musikwissenschaften, Geschichte und Publizistik – eine ungewöhnliche Studienfach-Kombination. Wie kam es dazu?

Stefan Simon: Am Anfang habe ich sogar noch ein Semester Mathematik und Theologie studiert. Tatsächlich hatte ich viele Interessensgebiete und konnte mich erst nicht entscheiden. Dann hat die Neugierde auf alles, was mit Musik zu tun hat, die Oberhand gewonnen, so habe ich als Hauptfach Musikwissenschaft gewählt. Geschichte hat mich auch immer schon interessiert und passte gut zu den vielen musikhistorisch orientierten Seminaren der Musikwissenschaft. Die Wahl von Publizistik schließlich war eine Mischung aus inhaltlichem Interesse und meinem damaligen Wunsch, möglicherweise einmal in Presse, Rundfunk oder Fernsehen tätig zu werden.

nmz: Wie sieht es mit Ihrem persönlichen Musizieren aus?

Simon: Bis heute nehme ich gelegentlich Gesangsstunden und trete in Kammerchören oder Vokalensembles auf. Am Klavier sitze ich nur selten, aber wenn, dann greife ich mir gerne die eine oder andere Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier von Bach oder wärme Jazz-Etüden von Gulda auf, die mich schon als Teenager begeistert haben. Mein Saxophon liegt leider seit Jahren unangetastet im Koffer.

Aufmerksam zuhören

nmz: In ihrer Funktion als Leiter des Karrierezentrums treffen Sie sicher auf viele verschiedene Wünsche und Ziele, und die verschiedensten Menschen. Gibt es etwas, das sie sozusagen allen mit auf den Weg ins Berufsleben geben?

Simon: Nein, das gibt es nicht, aber fast immer ist es so, dass ich zunächst einmal aufmerksam zuhöre, um das jeweilige Anliegen zu erfassen und den individuellen Hintergrund der Studierenden kennen zu lernen. Manchmal habe ich mir vorher einen Lebenslauf, gelegentlich auch eine bereits existierende Website angeschaut oder auch mal in Hörproben reingelauscht. Typisch sind beispielsweise Orientierungsberatungen wie etwa bei Sänger/-innen, die sowohl von ihren stimmlichen und sonstigen Möglichkeiten als auch von ihren Interessen her zwischen Oper und Konzert/Oratorium/Lied schwanken, manchmal auch Rundfunkchor, oft auch mit der Frage im Hintergrund, ob sie oder er auch ein Typ für die Freiberuflichkeit wäre, wobei die individuelle Situation dann natürlich immer in Beziehung zu den Unwägbarkeiten eines umkämpften Arbeitsmarktes gesetzt werden muss. Da ist es für viele schwer, die nächsten Schritte zu entscheiden. Es kommt immer auch mal ein Schulmusik-Student herein, der gar nicht in die Schule möchte, aber noch nicht weiß, wohin stattdessen. Konkrete Bewerbungen sind natürlich sehr häufig, wo es Informationsbedarf zu Lebensläufen, Anschreiben, Vorstellungsgesprächen oder Lehrproben gibt. Und es kommen sehr viele Fragen auf, die mit (Selbst-)Vermarktung, Steuererklärungen, Künstlersozialkasse (KSK), Unterrichtsverträgen und vielem mehr zu tun haben.

nmz: Wie stellen Sie sich auf die verschiedensten Vorstellungen ein?

Simon: In dem ich zunächst vor jedem Gespräch versuche, mich selbst „leer zu machen“, um den Ratsuchenden dann ein möglichst aufmerksamer und offener Gesprächspartner sein zu können.

Eigenvermarktung

nmz: Musikmanagement – das hört sich etwas unromantisch an. Wie wichtig ist heutzutage die eigene „Vermarktung“? Was umfasst das alles für Sie?

Simon: Vermarktung ist aus meiner Sicht immer schon wichtig gewesen, auch schon bei Mozart oder Bach oder davor. Tatsächlich steht manchen Studierenden gerade in der klassischen Musik eine zu „romantische“ Perspektive auf das Künstler-Sein eher im Weg. Vermarktung bedeutet für mich zunächst einmal nur, die Musikszene oder anders ausgedrückt: den Markt zu beobachten, sich mit ihm auseinanderzusetzen und möglichst viele erste praktische Erfahrungen darin zu machen, und andererseits genauso sich selbst zu beobachten und die eigenen Möglichkeiten zu erkunden und auszubauen. Dann gilt es, kontinuierlich, weitere Kontaktpunkte zwischen Künstler/-innen und dem Markt zu finden und auszubauen.
Mit Blick auf die letzten zwei Jahrzehnte gibt es natürlich den Mega-Trend auf dem Arbeitsmarkt für klassisch ausgebildete Musiker/-innen, wonach Anstellungsverhältnisse in Orches­tern und Musikschulen nicht radikal, aber doch leicht und kontinuierlich zurück gehen, während freiberufliche Tätigkeiten deutlich zunehmen.
Das Ergebnis sind die so genannten Patchwork- oder Portfolio-Karrieren. Insofern ist (Selbst-)Vermarktung heute sicherlich sehr wichtig, zumal wir in einer globalisierten Marktwirtschaft leben. Darin gibt es aber auch Trends, die Chancen eröffnen, beispielsweise neue Betätigungsfelder in der Musikvermittlung oder neue Finanzierungsmöglichkeiten wie Crowdfunding.

nmz: Sie sind Mitglied im DTKV seit 2011. Wie sehen Sie die Verantwortung des Verbandes? Engagieren Sie sich dort?

Simon: Ich sehe eine große Verantwortung des Verbandes und gleichzeitig auch den Verband als eine große Chance für die vielen freiberuflichen Musiker/-innen. Gerade in einer Szene, in der hauptsächlich so genannte Solo-Selbständige tätig sind, ist die Vernetzung ungemein wichtig. Zentrale Themen können nur gemeinsam geklärt und auch so artikuliert werden, dass sie gesellschaftlich und politisch eine Rolle spielen.

Kongress 2020

In unserem Bezirk besuche ich möglichst häufig die Jahreshauptversammlungen und würde mich freuen, wenn das noch mehr Kolleg/-innen tun würden. Aktuell setze ich mich sehr dafür ein, dass wir nächstes Jahr am 10. Oktober einen spannenden Kongress des DTKV NRW in Detmold erleben können.

nmz: Diskutieren Sie auch an der Hochschule mit den Studierenden brisante (politische) Themen wie zum Beispiel die Honorarvergütung von Musiklehrer/-innen oder die Rolle von Musikschulen insgesamt?

Simon: Ja, das tun wir: Regelmäßig bietet das Karrierezentrum Seminare mit Gastdozenten an, beispielweise von art but fair, aber auch aus Orches­tern, Musikschulen und natürlich immer wieder Freiberufler, und wir bitten sie immer, gerade finanzielle Aspekte stark zu thematisieren.

Geringverdiener

nmz: Wie ist Ihre Haltung dazu? Wozu raten Sie den Studierenden?

Simon: Um es kurz zu umreißen: Ja, Musiker/-innen und Musikpädagog/-innen verdienen zu gering. Allerdings ist es ein langer Weg, daran etwas zu ändern. Gesellschaftlich kann und muss der DTKV hier arbeiten, individuell müssen sich die Studierenden und Alumni darin üben, auch den Wert der eigenen Leistung argumentativ vertreten zu können. Das ist für fast alle ungewohnt, es muss aber sein.

nmz: Die Initiative zum neuen Zentrum für Lebenslanges Lernen in der Musik (L³Musik) an der HfM Detmold ging von ihrem Rektor, Prof. Dr. Thomas Grosse aus. Bitte skizzieren Sie diese.

Simon: Im Mittelpunkt stehen Weiterbildungsangebote für Musik-Profis. Hinzu kommen Aktivitäten zum Verstehen des musikalischen Lernens über die Lebensspanne, außerdem punktuell auch interdisziplinäre Angebote, die etwa in andere Berufsbereiche hineinreichen, zum Beispiel musikbezogene Angebote für Erzieher/-innen, oder auch einmal Angebote für Semiprofessionelle oder musikalisch interessierte Laien.

Zukunftsmusik

nmz: An dem neuen L³Musik-Zentrum soll auch eine Vernetzung stattfinden zwischen Studierenden und bereits im Berufsleben stehenden Kollegen. Geben Sie uns ein Beispiel bitte.

Simon: Das größte Beispiel wird im kommenden Jahr sicher der Kongress des DTKV NRW am 10. Oktober sein, der gemeinsam mit der HfM Detmold und hier eben mit dem Zentrum L³Musik stattfindet.
In der Vergangenheit gab es übrigens schon Kooperationsveranstaltungen zwischen dem DTKV-Bezirksverband in Ostwestfalen-Lippe, dem Karrierezentrum und unserem Studiengang der Instrumental- und Gesangspädagogik unter Leitung von Frau Prof. Spiekermann.
Für die Zukunft sehe ich außerdem Möglichkeiten, dass auch manche Lehrveranstaltung aus dem grundständigen Bereich der Hochschule so für Externe geöffnet und gestaltet werden können, dass Studierende wie Berufstätige gemeinsam teilnehmen und jeweils so etwas dabei lernen können, dass es sie beruflich bereichert und voran bringt.
nmz: Vielen Dank, Stefan Simon, für dieses Interview.

Interview: Cordula Schlößer-Braun

Interessierte finden das Zentrum L³Musik in der Gartenstraße 20 in Detmold sowie
unter www.hfm-detmold.de/L3Musik

 

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