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Die Beton-Fassade der Hmtmh. Foto: Mathis Ubben.

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Findungsverfahren in Hannover – eine Tragikomödie in mehreren Instanzen

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Drangeblieben 2024/05
Vorspann / Teaser

Im November 2022 hatte die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) ihre Präsident­*innen-Position ausgeschrieben. Nach einer knappen Wahl im Juli 2023 wurde das Verfahren im darauffolgenden Oktober von der damaligen Präsidentin, Prof. Dr. Susanne Rode-Breymann, abgebrochen (siehe nmz 12/23). Gegen diesen Schritt wurde ein Eilantrag eingereicht, über den die Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover jetzt entschieden hat. Der Beschluss der Kammer liegt der nmz vor und liefert neben der Entscheidung auch tiefe Einblicke in die Vorgänge um dieses Auswahlverfahren.

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Der „gordische Knoten“, den die damalige Präsidentin der HMTMH ihrem Wortlaut nach mit dem Abbruch durchschlagen wollte, ist leicht aufgedröselt: Im Vorfeld der Wahl melden sich Professor­innen beim Senat, die teils schwerwiegende negative Folgen voraussagen, sollte nicht der haus­eigene Kandidat und künstlerische Vizepräsident Professor Oliver Wille gewählt werden. Die Wahl Anfang Juli fällt allerdings auf den externen Bewerber, Professor Dr. Philipp Ahner von der Hochschule für Musik Trossingen. Diese Entscheidung wird von einigen aus den künstlerischen Reihen scharf kritisiert und der Senat zum Rücktritt aufgefordert. In einer Sitzung im August befindet das Präsidium, dass das Verfahren auf den Stand unmittelbar vor der Wahl zurückzusetzen sei. Es lässt das Verfahren außerdem juristisch begutachten. Das rechtliche Gutachten weist im September wiederum auf heilbare Formfehler während des Wahl­vorgangs hin. Um diese zu heilen, beschließt der Senat im Oktober, seine Wahl wegen abweichender Formalitäten zu wiederholen. Nachdem der Senat im ersten Schritt sein Wahlergebnis offiziell annulliert, bricht Rode-Breymann das Verfahren in dieser – Mailwortlaut – „kaum noch auflösbaren“ Situation ab. Dann eskaliert der Streit innerhalb der HMTMH und Ahner reicht im November beim Verwaltungsgericht Hannover den Eilantrag ein.

Rechtliche Hintergründe

Öffentliche Auswahlverfahren können rechtmäßig wegen sachlicher Gründe abgebrochen werden. In seinem Antrag an das Gericht möchte Ahner die Hochschule zum Fortsetzen des Auswahlverfahrens, also zum Durchführen der fehlerheilenden Neuwahl verpflichten, weil er unter anderem die nötigen sachlichen Gründe für nicht gegeben hält. Er führte in seinem Antrag, so heißt es im Beschluss der Kammer weiter, außerdem an, dass dem Präsidium die Befugnis fehle, das Verfahren abzubrechen und die Präsidentin zudem befangen sei. Die Kammer stützt ihren Beschluss aber – wie auch die HMTMH ihren Abbruch – nur auf den Punkt der sachlichen Gründe.

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Mit diesen ließe sich ein Abbruch beispielsweise rechtfertigen, wenn die Stelle gar nicht mehr besetzt oder wegen veränderter Anforderungen erneut anders ausgeschrieben werden soll. Wenn ersichtlich ist, dass nicht der oder die am besten geeignete Bewerber*in ausgewählt werden kann oder – im Rahmen einer Frist – ausgewählt wurde, ist auch das ein geeigneter Grund. In ihrem Beschluss kommt die Kammer aber zu der Auffassung, dass kein zum Abbruch berechtigender sachlicher Grund vorliegt.

Beschluss und vertane Chancen

Dabei betont die Kammer, dass ihr Schluss auch dann gültig sei, wenn man der Rechtsauffassung des Gutachtens folgen würde: Denn nach Darstellung der Kammer legt das Gutachten – auf das sich die HMTMH zu berufen vorgibt – nicht den Abbruch, sondern die Fehlerheilung nahe. „Dazu bedarf es“, wie die Kammer trocken erklärt „jedoch keines Abbruchs (…), sondern ausreichend ist eine schlichte Wiederholung der Abstimmung vom 5. Juli 2023.“ So einfach ist das.

Tatsächlich so einfach, dass die Kammer die Sachlage als eindeutig darstellt und gleichzeitig keine Chance liegen lässt, auf die Lücken in den HMTMH-Akten und -Verwaltungsgängen hinzuweisen: Aktenteile der durch Rode-Breymann vertreteten HMTMH gab es demnach nämlich nur mit Schwärzungen oder waren vollständig abhan­dengekommen.

Gänzlich einfach ist die Sache allerdings nicht: die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die HMTMH kämpft vor dem Oberverwaltungsgericht weiter. Ob das allerdings zur finalen gordischen Verknotung der unvollständig geschwärzten Sache beiträgt, ist fraglich. Denn die Kammer hat auch Chancen liegen gelassen: Ohne sich darauf zu stützen, weist sie in ihren rechtlichen Ausführungen noch darauf hin, dass das Präsidium tatsächlich von Amts wegen keine Befugnis für den Abbruch gehabt haben dürfte. Dies bindend miteinzubeziehen überlässt die Kammer mitsamt dem nicht angetasteten Befangenheitsvorwurf der nächsten Instanz.

2025 endet die Wahlperiode des aktuellen Senats. Wenn das Präsidium nur weiter so übereifrig dem Gutachten folgt, hält die Knüpferei vielleicht bis dahin. Dann darf ein neuer Senat entscheiden. Das öffnet dann aber noch immer nicht den Knoten, sondern nur den Ausgang der Geschichte.

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Keine Wahl
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Die Beton-Fassade der Hmtmh. Foto: Mathis Ubben.

Keine Wahl - Cluster 2023/12

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Bei dem Streit an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover ( s. Artikel Seite 19) ging es – auch – um Wahlen. Gut ein Drittel der Professor*innen hat seine Unzufriedenheit über eine Senatsentscheidung...

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