Am 11. August 2006 ist Juliane Ribke nach langer und schwerer Krankheit im Alter von 55 Jahren verstorben. Die Elementare Musikpädagogik hat damit eine ihrer renommiertesten Protagonistinnen verloren. In den Tagen nach ihrem Tod konnte man in der Fachwelt neben Trauer und Bestürzung auch den Satz hören: Sie hätte noch so vieles bewirken können. Tatsächlich hat Juliane Ribke in den Jahren ihres Wirkens einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Faches ausgeübt.
Sie studierte zunächst Musikwissenschaft an der Universität Hamburg und promovierte mit einer Arbeit über Intelligenz und Musikalität. Nach einer Ausbildung in Musikalischer Grundausbildung und Lehraufträgen an der Universität und dem Konservatorium Hamburg erhielt sie 1984 einen Ruf auf eine Professur für Musikpädagogik und Musikalische Früherziehung an der Hochschule für Künste Bremen. Sechs Jahre später wechselte sie an die Hochschule für Musik und Theater Hamburg, wo sie im Studiengang für Diplommusiklehrer die Fächer Musikpädagogik, Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie unterrichtete und bis zu ihrem Tode den Studienschwerpunkt Allgemeine Musikerziehung leitete.
Als Juliane Ribke sich der Elementaren Musikpädagogik zuwandte, trug das Fach Namen wie „Musikalische Grundausbildung“ und/oder „Musikalische Früherziehung“. Bezeichnet Ersteres den so genannten „Grundstufenunterricht“ mit Primarschülerinnen und -schülern an den Musikschulen, so ist unter dem Zweiten das Pendant mit Vorschulkindern zu verstehen. Schon in der Benennung des Faches wird hier seine damalige weitgehende Beschränkung auf das Vorschul- und Grundschulalter deutlich.
Als Juliane Ribke ihre Professur in Hamburg antrat, sollte ihr Studienschwerpunkt noch lange „Allgemeine Musikerziehung“ heißen – wie es heute noch in Nordrhein-Westfalen gilt. Juliane Ribke hat sich gegen die Bedenken eines ideologisch vorbelasteten Elementarbegriffes für die einheitliche Fachbezeichnung „Elementare Musikpädagogik“ eingesetzt. Unter diesem Namen wird heute die Arbeit mit Babys und ihren Eltern ebenso gefasst wie die mit Kindern und Jugendlichen sowie mit Erwachsenen bis hin zu Seniorinnen und Senioren. Das Fach als solches zeichnet sich altersübergreifend durch seine Materie aus, wie dies analog für jedes Instrumentalfach gilt.
War der Grundstufenunterricht an Musikschulen zunächst relativ eng an die Vorbereitung auf das Instrumentalspiel gebunden – die Musikalische Früherziehung entstand ja nicht zuletzt als Reaktion auf vorbereitende Kurse der Firma Yamaha und wurde in ihren Anfängen von der deutschen Klavierindustrie unterstützt – und orientierte er sich an der Struktur eines systematischen Lernens der Allgemeinen Musiklehre und des begleitenden Spiels auf Tastenspiel oder Glockenspiel, so fasste Juliane Ribke die vorbereitenden Effekte der Elementaren Musikpädagogik breiter: In ihrem Bahn brechenden Werk „Elementare Musikpädagogik“ (1995) nannte sie auf der kognitiven Ebene den Umgang mit musikalischen Strukturen, Formen und Mustern, stellte dieser Ebene jedoch die Aspekte der Motivation, der Sensibilisierung sowie der motorischen und der sozialen Erfahrungen an die Seite. Statt einem oder wenigen Inhaltsbereichen eine dominierende Stellung einzuräumen, integriert Juliane Ribke in dem genannten Buch die Sachbereiche des Singens, Sprechens, der Zeitstrukturierung, des Elementaren Instrumentalspiels, der Visualisierung von Musik, der Höraufmerksamkeit, der sensorischen Sensibilisierung und der Bewegung zum Kern der Elementaren Musikpädagogik, aus dem schließlich Spezialisierungen wie Instrumentalspiel, aber auch Komposition, Gesang, Tanz, Schauspiel oder Rezeption hervorgehen können. Zum „Klassiker“ der Elementaren Musikpädagogik wurde das Buch sicher auch durch den im Untertitel ausgedrückten Anspruch: „Persönlichkeitsbildung als musikerzieherisches Konzept“.
Tatsächlich schlägt Juliane Ribke explizite Brücken zur Psychologie und leistet damit einen entscheidenden Beitrag zur wissenschaftlichen Fundierung der Elementaren Musikpädagogik. Mittels Musik und Bewegung versucht sie, Verbindungen zu frühesten Lebenserfahrungen herzustellen und Tiefenschichten zu erreichen, um zu einer Integration verborgener Persönlichkeitsanteile zu gelangen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Sensibilisierung zu, der die Autorin viele Seiten mit konkreten Spielvorschlägen widmet.
Juliane Ribke hat die Weiterentwicklung ihres Faches nicht nur für sich allein, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Fachkolleginnen und -kollegen betrieben. Von der Gründung des „Arbeitskreises Elementare Musikpädagogik an Ausbildungsinstituten in Deutschland“ (AEMP) im Jahre 1994 an fungierte sie über die Dauer von zehn Jahren als dessen Sprecherin. In diese Zeit fallen viele substantielle Ergebnisse des Kreises: Zu nennen sind die weitgehende Etablierung der Fachbezeichnung „Elementare Musikpädagogik“, Stellungnahmen zu Angelegenheiten des Faches, die zwei vom Arbeitskreis veranstalteten Symposien von 1997 und 2003 sowie die beiden Sammelbände „Facetten Elementarer Musikpädagogik“ und „Gestaltungsprozesse erfahren – lernen – lehren“, die sie mit herausgab. Juliane Ribke hat den AEMP wesentlich geprägt. Dies gilt sicher für die inhaltlich dichte und konstruktive Arbeit, aber ebenso auch für die gleichermaßen inspirierende wie freundschaftliche Atmosphäre in diesem Gremium.
Darüber hinaus war Juliane Ribke eine gefragte Autorin, Fortbildnerin und Referentin. Als sich im Jahre 2004 das „European Network for Music Educators and Researchers of Young Children“ (EuNet MERYC) gründete, hielt sie das Hauptreferat und stellte den Forschungsbedarf des Faches dar, der ihr besonderes Anliegen war und dem sie gerne noch weitere Jahre ihres Lebens gewidmet hätte. Juliane Ribke hinterlässt eine schmerzhafte Lücke. In hohem Maße schuldet die Musikpädagogik ihr Dank und Respekt. Ihre Person und ihre Leistung werden unvergessen bleiben.