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Sehr violett-weinrote Satinbezogene Theaterbestuhlung. Beiger Teppichboden darunter.

Reihe 9 im Stadttheater Rendsburg. Foto: mku

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Reihe 9 (#24) – Landpartie

Vorspann / Teaser

Mit der Oper ist es ein Spagat. Da gibt es die großen Häuser, die sich kaum ernsthaft um ihr Publikum sorgen müssen. Neben den teilweise gar vererbten Abonnements können sie auf all die (Kultur-)Touristen bauen, bei denen der Besuch einer Aufführung ein Must-have ist. Was gespielt wird, ist dabei nicht so entscheidend – in der Regel sind es ohnehin die bekannten und daher leicht bekömmlichen Leckerbissen des Repertoires von Mozart über Verdi bis Puccini. Auf der anderen Seite stehen die mittleren und kleineren Bühnen. Zwar sind wohl (vorerst) jene Zeiten vorbei, in denen man radikal, wenn nicht gar kopflos den Rotstift ansetzte, manches Budget in Not brachte, das Ensemble ums nackte Überleben kämpfte. Und doch stellen sich viele Fragen anders. So beim Spielplan. Was kann mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Kräften überhaupt realisiert werden, ohne auf allzu viele Gäste zurückgreifen zu müssen – auf den Brettern wie auch im Graben? Was lässt die Größe und der technische Stand des Bühnenhauses zu? Zugleich fühlt man in kleineren Intendanzen eher eine Verpflichtung, Neues zu versuchen, Unbekanntes auf die Probe zu stellen und Perspektiven zu wechseln. Ein Wagnis, dass nicht immer gleich belohnt wird, ein Wagnis aber, ohne das Oper und Theater museal erstarren würden.

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Noch komplexer wird die Situation, denkt man an jene wunderbaren Unternehmungen, die große Kunst abseits der Zentren auch in den ländlichen Bereich bringen. Angesichts der meist kleinen örtlichen Hallen, Säle und Aulen wird vielleicht so manch mondäner Dandy ein Lächeln auf den Lippen tragen. Doch dieses offenbart nur Unkenntnis der Anforderungen und Aufgaben. Tagtäglich wird mit dem Unmöglichen gearbeitet: Jede Inszenierung muss nach Maß, Zahl und Gewicht nicht nur ganz pragmatisch für alle Spielstätten passen, sondern auch rasch wieder ab- und aufgebaut sowie problemlos transportiert werden können. Für Bühnenbauer, Beleuchter und Disponenten eine Herkules-Aufgabe, steht ihnen doch selbst im Stammhaus oft keine geräumige Hinterbühne für Zwischenlagerungen zur Verfügung. Und überhaupt die Wege: Alle Sängerinnen und Sänger wie natürlich auch das Orchester gelangen nicht bequem mit S-Bahn oder Tram zum Spielort, sondern mit dem Reisebus.

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Das Orchester ist vor und auf(!) der breiten Treppe der dänischen Schule in Deutschland platziert.

Improvisierter Bühnenaufbau in der A. P. Møller Skolen Schleswig. Foto: mku

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So ergeht es auch dem 380 Mitarbeiter starken Ensemble des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters, das im hohen Norden seine weiten Kreise zieht. Flensburg, Rendsburg, Schleswig, Melsdorf und Itzehoe heißen die Spielstätten, in denen Oper, Operette und Sinfoniekonzert geboten wird. Und das Publikum weiß die damit verbundenen Mühen zu schätzen – im kuscheligen Rendsburger Stadttheater wie in der Schleswiger Dauer-Ausweichspielstätte, der A. P. Møller Skolen der dänischsprachigen Minderheit: Architektonisch fraglos sehenswert, bringt sie für die Sinfoniekonzerte allerdings kaum zu bewältigende akustische Herausforderungen mit sich. Zu hören war an diesem nebligen Novemberabend jedenfalls ein bemerkenswertes Programm, u. a. mit Franz Schrekers Vorspiel zur Oper „Die Gezeichneten“ und der kleinteiligen, motivisch wie formal konsequent zyklisch geformten Sinfonie Nr. 1 op. 10 (1919) von Eduard Erdmann – der freilich mehr als Pianist denn als Komponist seine Platz in der Musikgeschichte gefunden hat und einst an der Flensburger Förde im kleinen Langballigau residierte. Den Erfolg von Generalmusikdirektor Peter Sommerer und seiner gut vorbereiteten Truppe indes mit purem Lokalpatriotismus zu begründen, wäre wahrlich zu kurz gegriffen.

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Ihr

Michael Kube

Reihe 9

Immer am 9. des Monats setzt sich Michael Kube für uns in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, manchmal aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Die Folgen #1 bis #72 erschienen von 2017 bis 2022 in der Schweizer Musikzeitung (online). Für die nmz schreibt Michael Kube regelmäßig seit 2009.

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