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Artem Krutko (Echnaton), Léa Dubois (Tänzerin), Kyle Patrick (Tänzer), Amélie Saadia (Nofretete); Foto Florian Merdes
Artem Krutko (Echnaton), Léa Dubois (Tänzerin), Kyle Patrick (Tänzer), Amélie Saadia (Nofretete); Foto Florian Merdes
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Ägypten und seine Pharaonen… – Am Theater Heidelberg inszeniert Nanine Linning „Echnaton“ von Philip Glass

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Vergleicht man die Musik von Philip Glass mit Beispielen einer avancierten Moderne dann klingt das alles ziemlich simpel. Zumindest, wenn man ein paar Tage vor der Heidelberger „Echnaton“-Premiere in Mannheim die Uraufführung von Adriana Hölszkys Dostojewski-Oper „Böse Geister“ miterleben konnte. Glass bietet eine Art auf der Stelle drehenden Sinuskurven-Klang mit leichten Verschiebungen ins betont Rhythmische. Dazwischen Arioses und damit jeder versteht, worum es geht, ein paar gesprochene Zwischentexte.

Nimmt man diese Minimal Musik aber als das, was sie ist und ihr Name sagt, und lässt sich darauf ein, dann kann sie schon bald einen erheblichen suggestiven Sog entfalten. Sie ist außerdem weit anstrengender im Graben herzustellen, als man im ersten Moment glaubt. Der 1937 in Baltimore geborene Glass, der seinen Durchbruch 1976 mit „Einstein on the beach" hatte, nennt sie selbst lieber „Musik mit repetitiven Strukturen“ oder „graduelle Vermessung der Zeit“, was natürlich auch eine treffende Charakterisierung ist.

Vor allem dem Orchester in Heidelberg gelingt das unter der Leitung von Dietger Holm bei seinem jüngsten Opern-Ausflug ins alte Ägypten ziemlich überzeugend. Mit einer an sich klassischen Orchesterbesetzung ohne Geigen und mit zusätzlichem Schlagwerk. Das Suchtpotenzial entfaltet auch so seine Wirkung. Und da die stilisiert ästhetische Inszenierung von Nanine Linning, der man bei ihrer zweiten Opernregie die Choreografin auf Schritt und Tritt des reichlich bewegten Bühnenpersonals anmerkt, dem keinen Widerstand entgegensetzt, verstärkt sich das im Laufe des Abends sogar noch.

Nach der Stuttgarter Uraufführung 1984, bei der Achim Freyer das Werk seinem Bilderkosmos anverwandelte, ist „Echnaton“ nicht so recht in die Bühnengänge gekommen. Von einer halbszenischen Bemühung in Berlin mal abgesehen, macht sich das Heidelberger Theater (wie schon bei Wolfgang Rihms „Dionysos“) damit um das Nachspielen neuer Musiktheaterwerke verdient. Auch wenn es in diesem Falle nicht mehr ganz so neu ist.

Das Libretto zu dieser Oper über den merkwürdigen Ketzer auf dem Pharaonenthron, der Thomas Mann schon so faszinierte, dass er ihn zum Herren seines Josephs in Ägypten machte, haben der Komponist, Shalom Goldmann, Robert Israel und Richard Riddell auf Englisch, Ägyptisch, Akkadisch und Aramäisch collagiert. In Stein gemeißelt so ähnlich wie die überlieferten Bildnisse aus Ober- und Unterägypten. In Marc Warnings Bühne lässt das in seiner demonstrativen Ironiefreiheit anfangs an ein abgerüstetes Ober- und Unterammergau denken. Durch die gesuchte Nähe zur Ästhetik Robert Wilsons entfaltet es jedoch in den großen Bildern seinen eigenen Reiz. Wenn etwa bei der Totenfeier für den alten Pharao langsam eine von innen leuchtende, auf der Spitze stehende Pyramide wie ein himmlischer Fingerzeig auf den neuen Pharao herabsinkt und der sich aus einem Kokon schält.

Oder wenn Echnaton im wahrsten Wortsinn gen Himmel wächst und sich dann von dort ein leuchtender (Sonnen-)Kreis als Zeichen für den neuen Gott über ihm herabsenkt. Um ihn dann zusammen mit Nofretete wie in einem Bannkreis vor seinem Volk und der Wirklichkeit im Lande abzuschirmen.

Die Elemente der Himmelspyramide, werden erst zu Trümmern des Amun-Tempels, dann zu den Bausteinen für die neue Hauptstadt, die der große Ketzer zu seinem Ruhm und dem seines neuen Gottes errichten lässt. Schließlich werden sie zu den schweren Waffen der Gegner, die ihn wieder stürzen, um als eine jener Pyramiden zu enden, wie sie heute noch von der Größe einer untergegangenen Kultur künden. Die Kostüme, die Georg Meyer-Wiel für die Herrscher und Priester kreiert hat, sind eine opulente Melange aus Historie und Fantasie. Die fürs Volk von tänzerfreundlicher, historisierender Schlichtheit.

Der dramaturgische Bogen der drei Akte ist ein schlüssiges Gleichnis auf die Gefahr jeder Herrschaft, die sich selbst überhebt. Sie zeichnet den Weg nach, der von der Bestattung von Echnatons Vater Amenophis III., der Thronbesteigung des neuen Pharaos und der Verkündung des neuen Glaubens an Aton, über die Zerstörung des Amun-Tempels und der Errichtung der Sonnenstadt El Amarna bis zum hereinbrechenden Unheil über die Familie des Pharaos und seinen Sturz führt. Um dann aus der Perspektive einer fernen Zukunft zurückzuschauen. Von heute aus sind 3300 Jahre vergangen seit Echnatons Nachfolger die Zeugnisse dieses faszinierenden Umsturzes dem Erdboden gleichgemacht haben.

Als Chronist ist Dominik Breuer mit seinen englisch gesprochenen Zwischentexten der Mittler zwischen Damals und Heute. Grandios, mit einem leichten Zug ins Extravagant-Hysterische, ist der Counter Arten Krutko als Echnaton das vokale Kraftzentrum. Ebenbürtig an seiner Seite: Amélie Saadia die Nofretete. Komplettiert wird das Ensemble durch Irina Herri als Königin (Mutter) Teje und Michael Zahn als ihren Gatten Eje, sowie durch Winfried Minkus als Hoher Priester des Amun und Zachary Wilson als General Haremhab. Sie alle steuern ihre vokalen Standbilder zu diesem Abstieg in die klingenden Königsgräber des alten Ägypten bei. Der Abend endet dann tatsächlich mit einer touristischen Fußnote, in der der Weg zu den Ruinen beschrieben wird. Und mit viel Jubel der Premierenbesucher.

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