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Hoffmanns Erzählungen | Máté Sólyom-Nagy als Coppelius, Ensemble und Opernchor des Theaters Erfurt | Foto: Lutz Edelhoff
Hoffmanns Erzählungen | Máté Sólyom-Nagy als Coppelius, Ensemble und Opernchor des Theaters Erfurt | Foto: Lutz Edelhoff
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Bedingt fesselnd: „Hoffmanns Erzählungen“ in Erfurt mit Missverständnissen

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Kunst und Kultur in Thüringen haben lange geschwiegen, nun gibt es musikalische Feinkost und große Freiheit in der Regie. Das Theater Erfurt deutet Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ neu und spiegelt die Oper in Diktaturen und Demagogie.

Eine Bücherverbrennung in Erfurt: Nachdem das Theater in Thüringens Landeshauptstadt wieder wochenlang geschlossen war, beginnt die erste Vorstellung, die Premiere von Jacques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“, mit einer Demontage von Kunst und künstlerischer Freiheit. Ein schauriges Bild mit Fackel, Feuer und einem Berg von Büchern. Hoffmann will sich dem Fanal widersetzen – und wird umgehend verhaftet. In der Folterzelle, die sich eine Etage unter dem Autodafé auftut, wird er vom teuflischen Lindorf verhört. Die Muse leistet verschwörerisch Assistenz. Hat Hoffman was zu verbergen? Egal, denn er kommt so oder so in den Knast. Dort darben die Mitgefangenen in roten Overalls, sie leiden Hunger und Durst, erinnern an das Folterlagen von Guantánamo. Doch sie verlangen, wie bei Offenbach vorgegeben, nach Bier und nach Wein. Schließlich spielt diese Szene in der bekannten Weinstube Lutter & Wegner. Das ist ein erstes Missverständnis in dieser Neuproduktion von Balázs Kovalik. Weitere werden noch folgen.

Überaus faszinierend, ja fesselnd bleibt die Sicht dieses Regisseurs auf Offenbachs einzige Oper aber dennoch. Denn er führt in den fünf Akten durch die fatale deutsche Geschichte und endet gänzlich global. Der Olympia-Akt spielt im Nationalsozialismus, der als bittere Persiflage zwischen Nürnberg und Charlie Chaplins „Großem Diktator“ vorgeführt wird. Der tritt da tatsächlich als zwielichtiger Coppelius auf und avanciert in unverkennbaren Anleihen zum selbstherrlichen „Führer“ in strahlendem Weiß. Und wenn es schon um Olympia geht, dann rückt nach der Bücherverbrennung von 1933 auch gleich die großdeutsche Olympiade drei Jahre später ins Bild. Leni Riefenstahl winkt eindrucksvoll um die Ecke. Die treffliche Ausstattung von Hermann Feuchtner (Bühne) und Sebastian Ellrich (Kostüme) lässt keinerlei Zweifel aufkommen, was da gemeint ist, verfremdet aber doch trefflich ins Allgemeingültige.

Hoffmann, der liebende Künstler, ist dem tödlichen Nazi-Regime zwar knapp entkommen, stolpert bei Kovalik aber sogleich in die nächste Diktatur. Er verliebt sich – während der vom Westen boykottierten Moskauer Olympiade 1980 – in die von der DDR-Staatssicherheit observierte Sängerin Antonia. Auch in diesem Akt finden sich bissige Regieeinfälle und detailverliebt stimmige Szenenbilder, von der Stasi-Wanze bis zur ostdeutschen Subkultur im Zeichen des rot leuchtenden Sterns.

Auferstanden aus Diktaturen und der Jetztzeit zugewandt …

Nach der Pause kommt die völlig neu interpretierte Offenbach-Oper in unserer Jetztzeit an. Giulietta gondelt mal nicht romantisch auf dem Canal Grande, sondern feiert den in sich selbst verliebten Starkult der Filmfestspiele von Venedig. Sie raubt Hoffmann, dem liebenden Künstler, auf Geheiß des Produzenten Dappertutto das eigene Abbild in Form eines geposteten Videos. Der arme Kerl wird der Allgemeinheit in einem Hashtag „#KarriereFicker“ preisgegeben, ist den Massen ausgeliefert, also völlig am Boden. Und dennoch wird ihm im Schlussakt suggeriert, nun die Welt retten zu können. Vielleicht als Präsident einer neuen globalen Gemeinschaft, die über die Vereinten Nationen hinausgeht?

Inszenatorische Freiheit und musikalischer Glanz

All diese Einfälle des Regieteams sind faszinierend und fesselnd, haben aber mit „Hoffmanns Erzählungen“ nur bedingt bis gar nichts zu tun. Sie sind der Oper einfach nur übergestülpt worden, was das Erfurter Premierenpublikum am Ende heftige Buh-Rufe skandieren lässt.

Die musikalischen Leistungen jedoch wurden kräftig bejubelt. Zu Recht, denn das Philharmonische Orchester unter Leitung des erst während der Endproben wenige Tage zuvor eingesprungenen Dirigenten Stefano Cascioli hat – trotz einiger klappernder Unstimmigkeiten zwischen Bühne und Graben und leider auch übernervös einsetzendem Hörnerklang – großartig aufgespielt. Vor allem aber hat das Theater (obwohl laut einer Ansage von Intendant Guy Montavon bis zuletzt von der Pandemie arg gebeutelt) eine fantastische Solistenriege aufgestellt. Hervorzuheben der höchst lyrische Brett Sprague als Hoffmann, die charmant liebenswerte Muse Alexandra Kadurina und eine ungemein koloratursichere Olympia Danae Kontora! Desgleichen die so sanges- wie spielfreudige Antonia von Daniela Gerstenmeyer, der als Lindorf, Coppelius und in weiteren Rollen verführerisch überzeugende Máté Sólyom-Nagy nebst einem wandelbaren Kakhaber Shavidze als Luther und Krespel sowie dem gewaltig auftrumpfenden Siyabulela Ntlale als Wilhelm und Schlemihl! Hier haben Orchester, Soli, Chor und Statisterie (nicht zu vergessen die Bühnentechnik!) wirkliche Glanzleistungen abgelegt.

 

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