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Titanische Eröffnung mit Mahler. Foto: Lutz Leitmann
Titanische Eröffnung mit Mahler. Foto: Lutz Leitmann
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Bochum hat Hamburg was vorgemacht

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Konzerthaus im Zeit- und Kostenplan – zur Eröffnung des Musikforum Ruhr
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Wo gibt es das schon, einen Neubau, der pünktlich fertiggestellt wird und obendrein nicht mal teurer wird als geplant? In Deutschland gibt es das nicht, siehe Berlin, siehe Hamburg, sie­he Stuttgart …

Ganz Deutschland liegt fehl in der Planung. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Kulturmenschen bevölkerter Landstrich hielt jahrelang fest an diesem Plan, der Ruhr-Metropole in der Linie von Dortmund, Essen und Duisburg ein planvoll kulturelles Gepräge zu geben. Schließlich ist Bochum seit knapp 100 Jahren die Heimstatt der Symphoniker, die freilich nie eine eigene Spielstätte hatten und es ebenso wie Einwohnerschaft und Gäste der Stadt verdient hatten, endlich in einen würdigen Klang-tempel zu ziehen. Ende Oktober ist aus dem teils heftig umstrittenen Vorhaben Wahrheit geworden. Zeitlich beinahe pünktlich und finanziell unglaublich korrekt.

Mit sichtlichem Stolz und reichlich Bürgerbeteiligung ist am letzten Oktober-Wochenende das Musikforum Ruhr eingeweiht worden. Das Interesse der Bevölkerung war riesig, obwohl es im Vorfeld nicht annähernd so viel Medienrummel gegeben hat wie eben zum Beispiel um die Hamburger Elbphilharmonie. Was weniger mit dem Reiz der schlechten Nachricht zu tun hatte, als mit dem Fakt, dass die Einwohner dieses Haus gewollt und mitfinanziert haben.

Die ersten Bochumer Eindrücke sind von Helligkeit und Weite geprägt, zudem von bewusst geschaffenem architektonischem Widerspruch. Licht und schmal ist das Foyer, ein weiß getünchter Kirchenraum, in dem die Pausenglocke eine wirkliche Glocke ist. Hell und weit sind die Räume, in denen der Klang sich prächtig entfaltet. Architektonisch ist ganz bewusst ein Kontrast hergestellt worden. Da die eins­tige Marienkirche, die innen wie außen eine althergebracht sakrale Formensprache bewahrt, seit 2002 aber nicht mehr kirchlich genutzt wird, nun aber sehr wirkungsvoll ins Gesamtkonzept mit eingebunden ist – und hier die kantigen Neubauten links und rechts der vorhandenen Bausubstanz mit ihren geradlinigen Fenstern und der eher hermetischen Front. Erstaunlicherweise fügt sich, was so dissonant zusammenprallt. Egal, ob man zur einen Seite in den Kleinen oder zur anderen in den Großen Saal schreitet, schon beim jeweiligen Eintritt umfängt einen der überwältigende Eindruck: Hier gilt es der Kunst.

„Eine neue Ära“

Wenn die Freude über dieses gelungene Projekt messbar wäre, dürfte Dirigent Steven Sloane rekordverdächtig freudvoll sein. Der einstige Assistent von Gary Bertini kam 1994 über Stationen in Frankfurt am Main, Los Angeles und Israel als Generalmusikdirektor hierher und wollte gemeinsam mit dem Orchester etwas aufbauen. Neues schaffen, um so das Bisherige bestens zu würdigen. Sloane sieht sich als Projektmensch, wirkt ergreifend sympathisch und dürfte mit der ihm innewohnenden Energie jedes Projekt stemmen. Dennoch war auch er selbst von der Dauer des erst aus einem längeren Überzeugungs- in den Bauprozess übergegangenen Projekts überrascht. Doch er hat stets an dieses Orchester geglaubt und war sich sicher: „Wir fangen eine neue Ära an“.

Den Anfang machten fünf Lotto-Millionen, ab 2007 kümmerte sich eine Stiftung um das Voranschreiten der Pläne. Dennoch floss der erhoffte Spendenstrom eher spärlich, bis zwei Jahre später der Sänger Herbert Grönemeyer („Bochum“) ein Benefizkonzert abhielt und so nicht nur für wichtige Schlagzeilen, sondern auch für kräftigen Zuwachs im Spendentopf sorgte. Nach der Grundsteinlegung Anfang 2013 und dem ersten Spatenstich sechs Monate später war die Umsetzung der einstigen Vision nicht mehr aufzuhalten: Trotz Widerstands angeblich wohlmeinender Kräfte, die in Nachbarstädten wie Dortmund und Essen ausreichend etablierte Kultureinrichtungen vorhanden sahen, wurden gut und gern 15 Millionen Euro von Privatleuten gespendet, kamen Fördergelder der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen hinzu, setzte die Stiftung der Verlegerin Anneliese Brost einen wesentlichen „Schlussstein“ finanzieller Natur (sowie den eigenen Namenszug) obendrauf.

Mit knapp 38 Millionen Euro (weniger als fünf Prozent der Hamburger Elbphilharmonie!) ist der Etat eher schmal gewesen. Daher musste in der Vergangenheit immer wieder abgewogen werden, was entbehrlich und was unverzichtbar sein könnte. Letzten Endes ist der Große Saal mit seinen knapp eintausend Plätzen der klingende Beweis für die Notwendigkeit solcher Konzertstätten. Hier sollen künftig neben den Bochumer Symphonikern auch andere Klangkörper musizieren können, außerdem wurde an die rund 80 Ensembles der Musikschule gedacht. Schließlich werden dort mehr als 10.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die bessere Auftrittsmöglichkeiten und Probebedingungen bitter nötig hatten.

Engmaschige Vernetzungen

Für kleinere Besetzungen von Kammermusik bis Jazz, aber auch für diverse Kleinkunst und Literatur stehen der Kleine Saal sowie das Foyer mit seiner gewichtigen Glocke parat. Viereinhalb Kilogramm wiegt das Rudiment der einstigen Kirche, ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Musikforum Ruhr, das künftig viele engmaschige Vernetzungen zwischen BoSys und Nachwuchs knüpfen, aber keiner Kommerzkultur dienen soll.

Steven Sloane darf also stolz sein, endlich ein festes Haus für sich und sein Orchester zu haben. Weihevoll eröffnete er mit Gustav Mahlers 1. Symphonie „titanisch“. Der als Mahler-Orchester bekannte Klangkörper wird nun erst einmal das Potential des neues Saales austasten dürfen, in dem sich sämtliche Stimmgruppen ideal hören, wo das Publikum auf allen Plätzen den Eindruck absoluter Durchhörbarkeit genießt. Nicht von ungefähr wurde während der von Sparzwängen diktierten Bauphase das amerikanische Kirschholz an den Wänden und die aus Resonanzgründen mitschwingende Saaldecke nie zur Disposition gestellt.

Die Symphoniker dürfen jetzt die Zahl ihrer jährlichen Konzerte auf 120 erhöhen, bekommen in den nächsten fünf Jahren Unterstützung aus der Bundesförderung „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschlands“ und haben namhafte Solisten zu Gast, denn plötzlich will jeder diesen Saal kennenlernen. Auch einer, der die ganze Vorgeschichte kennt und entscheidende Weichen mitgestellt hat, wird im Musikforum auftreten: Herbert Grönemeyer führt im Frühjahr 2017 erst eigene Filmmusiken und dann Beethovens Fünfte hier auf – als Dirigent! Wo gab es das schon?

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