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„Der Rosenkavalier“ in Baden-Baden. Foto: Monika Rittershaus
„Der Rosenkavalier“ in Baden-Baden. Foto: Monika Rittershaus
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Eine Pizza für den Ochs: Brigitte Fassbaender inszeniert den „Rosenkavalier“ im Festspielhaus Baden-Baden

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Das Festspielhaus in Baden-Baden steuert auf Erfolgskurs. Der clevere Intendant Andreas Mölich-Zebhauser hat es nicht nur geschafft, die Krisen-Jahre des 2500 Plätze Hauses nachhaltig zu überwinden. Dass es ihm gelang, 2013 die Berliner Philharmoniker der übermächtigen Salzburger Konkurrenz für seine Osterfestspiele abspenstig zu machen, war ein regelrechter Coup!

Seit Herbert von Karajan einst die Osterfestspiele in Salzburg eigens für das deutsche Nobelorchester installiert hatte, war der Termin für das Orchester, dass seine Fans für das beste der Welt halten, eine alljährliche Spielwiese in Sachen Oper. Und eine nette Nebeneinnahme. Nachdem Baden-Baden aber noch mehr bot, wurde der lukrative Oster-Termin in Salzburg für Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle Dresden frei. Da Konkurrenz das Geschäft belebt, geht es jetzt also bei den beiden Nobelfestivals (mit Spitzenpreisen) zu Ostern ziemlich lebendig zu.

Diesmal lockte Baden-Baden mit einem neuen „Rosenkavalier“. Mit Sir Simon Rattle und den Berlinern im Graben und seiner Frau Magdalena Kožená als Octavian auf der Bühne. Und mit Brigitte Fassbaender als Regisseurin. Bis zum selbst entschiedenen Ende ihrer Sängerkarriere vor zwanzig Jahren war die Mezzosopranistin als Prinz Orlowsky genauso unübertroffen wie als Graf Octavian. Und ist es immer noch. Man hätte die Fassbaender an diesem Abend zu gerne gehört. Was man bekam, war freilich nur die Regisseurin. Und da nützte auch ein so kongenialer Bühnenbildner wie Erich Wonder nichts.

Kann ja sein, dass gerade diese Regisseurin das so fein gewebte, aber auch lebensdralle Stück, mit dem Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss ein Maria-Theresia Wien heraufbeschwören, wie es nie existiert hat, und dabei auch noch so lebensklug und weise die Geschichte vom Älterwerden und der rechten Art zu lieben erzählen, kennt wie kaum ein anderer. Nicht nur, weil sie es schon ein paar Mal inszeniert hat, sondern eben auch von innen. Als jugendlicher 17-jähriger Liebhaber der doppelt so alten Marschallin, der sich Knall-auf-Fall in die junge Sophie verliebt. Genau wie es ihm die Marschällen am Morgen nach der gemeinsam verbrachten Liebesnacht vorhersagt.  Dabei sollte er dieser Sophie nur den Heiratsantrag (sprich die Silberrose) des Barons Ochs auf Lerchenau überreichen.

Genützt hat diese intime Kenntnis des Stücks nichts. Zwischen Riesensofa und knappem Entstehungszeit-Mobiliar, in einem absurden Kostümkauderwelsch von Dietrich von Grebmer quer durch die Stile und Epochen, vor dem Hintergrund eines diffus überblendeten Changierens zwischen Panoramablick über eine Großstadt, Industriehallen- sowie Spitalambiente und Schneelandschaft und mit der endlos wirkenden Anlaufstrecke für jeden Auftritt (mindestens einmal von rechts nach links hinter einem transparenten Zwischenvorhang), hat der Zauber jener Welt keine Chance. Aber auch die handfeste Komödie nicht. Weder beim morgendlichem Empfang der Marschallin, noch bei dem, was der Baron Ochs auf Lerchenau in Wien so anstellt oder was dort mit ihm angestellt wird. Dass der von seinem ziemlich heutigen Rollschuh-Filius Leopold zwei mal Pizza in der Pappe holen lässt, ist symptomatisch für eine mutwillige Art, die Modernität des Stückes zu behaupten.

Dabei könnte die Dreiecksbeziehung zwischen der klug liebenden, daher auch zum Verzicht bereiten Marschallin, Octavian und Sophie dennoch auf der emotionalen Ebene funktionieren. Macht es aber nicht, sondern bleibt auch da auf Distanz. Selbst die wunderbare Anja Harteros darf zwar mit ihrer Leuchtkraft und Eloquenz vokal prunken, muss aber ihre Marschallin so weit überzeichnen, dass ihre sonst so faszinierende, anmutig dezente Eleganz verloren geht. Das passt zwar zu Bier und Pizza. Aber nicht zum Stück.

Immerhin nimmt Rattle sein Orchester beim Terzett, und dann vor allem beim Traumduett von Octavian und Sophie, so weit zurück, dass das bei der besonders zartstimmigen Anna Prohaska und der im Grunde zu hellen Magdalena Kožená zu einem betörenden Strauss-Moment wird. Bei der übrigen Besetzung setzt Peter Rose als Baron Ochs sein schön timbrierte Stimme kultiviert und mit Energie ein, hält sich aber die vitale Kraft, die die Wiener Gesellschaft abstößt und fasziniert, vom Leibe. Imgard Vilsmaier ist ja längst eine Leitmetzerin vom Dienst und erfüllt den auch diesmal mit Vehemenz. Clemens Unterreiner ist als Faninal vielversprechend, wenngleich etwas zu jugendlich. Alle anderen fügen sich in eine Ensembleleistung auf zwar hohem, aber nicht wirklich überwältigendem Niveau.

So schön, ausladend und symphonisch das Orchester auch ist, für die transparente Opulenz, die ans Herz greift und zum Mitfühlen verführt, muss man dann doch nach Dresden fahren. Oder darauf hoffen, dass Thielemann bei der vor der Tür stehenden Wahl der Nachfolger von Simon Rattle als Chef der Berliner Philharmoniker wird. Und dann doch wieder in Baden-Baden landet… 

Wenn man beim Verlassen des Festspielhauses (wo die Damen nicht nur nach diesem Stück eine echte Rose überreicht bekommen) an andere Rosenkavaliere denkt, dann muss man gar nicht den Vorgänger in Baden-Baden (Thielemann, Fleming, Koch, Damrau ließen da die luxuriöse Wernicke Inszenierung aufleben) bemühen. Man kann durchaus auch an den in Meiningen, Altenburg, Magdeburg oder selbst in Weimar denken, die allesamt mehr berührten, faszinierten, aufregten. Der in Baden-Baden lässt kalt. Schade.

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