Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Land der Hottentotten im südlichsten Afrika zunächst von Niederländern, dann von Briten kolonialisiert. Im Savannenhochland des Witwatersrand, der an Bodenschätzen reichsten Region des Kontinents, entstand Ende des 19. Jahrhunderts auf über 1.700 Meter Höhe die Goldgräberstadt Johannesburg. Mit heute über fünf Millionen Einwohnern ist dieses Zentrum eines hoch industrialisierten Ballungsraums die größte Stadt der Republik Südafrika. Im vergangenen Jahr verbrachten hier vier Komponisten vier Wochen. Möglich machte das ein Gemeinschaftsprojekt des Ensemble Modern mit dem Siemens Arts Program in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut.
Zuvor hatten die Veranstalter bereits Komponisten nach Istanbul expediert, vier weitere flogen nach Dubai und nochmals vier in das chinesische Pearl River Delta. Und alle sollten sie auf die jeweilige Umgebung musikalisch reagieren.
Was machten nun die Touristen-Komponisten Luke Bedford, Jörg Birkenkötter, Lars Petter Hagen und Lucia Ronchetti in Johannesburg?
Vermutlich gingen oder fuhren sie spazieren. Sicherlich saßen sie in Internetcafes und natürlich am Schreibtisch, um zu komponieren. Möglicherweise besuchten sie die städtische Kunstgalerie, das Observatorium, den Zoo, die Börse oder eine der vielen Diamantschleifereien. Vielleicht erwanderten sie die nach und nach wiederbegrünten Abraumhalden des Goldbergbaus im Süden der Stadt? Oder sie gönnten sich eine Auszeit und unternahmen eine Fotosafari (oder Tonsafari?) durch den Krüger-Nationalpark im Nord-Osten des Landes. Eventuell setzten sie sich mit der Geschichte der Urbevölkerung und deren Vertreibung auseinander, oder mit der jahrzehntelangen brutalen Apartheidpolitik und der ab 1991 eingeleiteten Verfassungsreform und Aussöhnung zwischen Schwarzen und Weißen, die gleichwohl immer noch getrennt leben, wie im unmittelbar benachbarten Soweto, dem „South Western Township“ für Schwarze mit seinerseits dreieinhalb Millionen Menschen. Was wird von all dem und noch viel mehr in den neuen Kompositionen des Projektes „into Johannesburg“ zu hören sein? Die vier Uraufführungen sind am 6. März im Berliner Konzerthaus zu erleben oder bei der Wiederholung des Konzerts am 7. März in der Alten Oper Frankfurt.
Zuvor spielt dasselbe Ensemble Modern am 4. März bei seiner Internationalen Ensembleakademie im Rahmen des Studiengangs Zeitgenössische Musik an der Frankfurter Musikhochschule erstmals ein neues Werk von Genoël Rühle. Und am 24. März gastiert das Ensemble im Auditorio de la Fundacion Cajasol Sevilla unter anderem mit der Premiere des Goya-Zyklus’ „Lux ex Tenebris“ von José Maria Sánchez-Verdú. Nicht nur damit ist das Ensemble Modern das Ensemble des Monats. Für Statistiker: Im März spielt das Ensemble Modern in 13 Konzerten in 7 verschiedenen Städten insgesamt 46 Titel, also alle 2,4 Tage ein Konzert und jeden Tag fast eineinhalb Stücke.
Weitere Uraufführungen
01.03.: Juliane Klein, Der unsichtbare Vater. Mobile Oper für einen Sänger, drei Musiker und Publikum, Kammertheater der Staatsoper Stuttgart
01.03.: Gerhard Stäbler, Riech mal wie das klingt, Musiktheater für die Kleinsten, Junge Oper Mannheim
04.03.: van Dillen, Baur, Gahn, Koch, Kunstein, Mukarno, Vijlenhoet, neue Stücke für Kinderklavier, Tonhalle Düsseldorf
06.03.: Hannes Galette Seidl, Fest für großes Orchester, Sendesaal des Hessischen Rundfunks Frankfurt
06.03.: Jörg Herchet, Zueinander – Szenenfolge für drei Personen, Semper-oper Dresden
20.–29.03.: MaerzMusik Berlin mit neuen Werken von Karassikov, Kourliandski, Lucier, Noto, Nyman, Safronov, Tarasov, Wolff
21.03.: Martin Smolka, Poema de balcones für SWR-Vokalensemble, Stuttgart-Gaisburg
27.03.: Lesley Olson, Neues Flötenstück, Forum Bergmannsglück Gelsenkirchen-Buer
29.03.: Frank Zabel, Skrjabin-Variationen für Saxophonquartett und Klavier, Honrath