„Festspiel“ soll sich ja mitsamt seinen gehobenen Preisen über die reguläre Spielzeit erheben: Das Gute darin bekommt durch das jetzt Außergewöhnliche Wert – und rechtfertigt damit vieles. Die Bregenzer Festspiele entwickelten seit Intendant Wopmann dazu ihre eigene Dramaturgie: im Festspielhaus die sonst kaum anzutreffende „Opern-Orchidee“ – und auf der Seebühne das populärere Werk in singulärer Realisierung, oft mit Hereinspielen der Natur.
Missratene Groteske – Verdis frühe Musikdramatik „Ernani“ bei den Bregenzer Festspielen
Deren rettende Realisierung lag in Enrique Mazzolas Händen: in höchst sensibler Feinzeichnung zu traumhaft ruhigen Piano-Szenen, mit kantigem Zupacken für voluminöse Chor-Szenen und differenziert steigernden Stufen zu großen emotionalen Ausbrüchen und immer wieder rasanten Tempi – früher Verdi „at his best“ von den prompt so reagierenden Wiener Symphonikern. Und dann ist „Ernani“ ja ganz leicht: neben guten Comprimarii einfach die vier besten Sänger der Welt engagieren, wie dann später für Verdis „Trovatore“.
Doch der neue Künstlerische Betriebsdirektor Michael Csar engagierte einfach: mit Goran Jurić einen herrlich strömenden Bass für den tödlichen Racheengel Don Silva, einen Hünen, der sich stimmlich locker aus dem ihm verordneten rollenlosen Schreitstuhl erhob und die Schlafmütze auf dem Kopf vergessen machte; mit Guanqun Yu einen ebenso herrlich strahlenden, echten Verdi-Sopran für die von drei Männern begehrte Elvira … und dann wird es schwer: da stand mit Saimir Pirgu ein schlank-rank-agiles Mannsbild mit virilem Ernani-Tenor auf der Bühne, aus beeindruckend tragendem Piano dann mühelos echte Stretta-Power verstrahlend – und kontrastiert von einem warm und rund und füllig tönenden Bariton, mit dem Franco Vasallo trotz unsäglicher Kostümierung erst Carlos und dann Karl V. vokale Grandezza verlieh: „Mitleid ist eine erhabene Tugend“ wird ihm vorgehalten – und er handelt mit Verdis anrührendem Melos danach. Davon und dem ganzen, für die Handlung unverzichtbaren rigoros inhumanen Moral- und Ehrenkodex – etwa in Söldner- oder Mafia-Strukturen - war den Abend über nichts zu erleben. Kein auf Festspielniveau innovativ interpretierendes Musiktheater – vielmehr: Augen zu – und musikdramatisches, musikalisch-vokales Verdi-Glück.
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