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14.04.2024 | Deniz Yetim, Alex Kim (vorn), Tobias Glagau, Tomasz Wija, Chor © Christina Iberl
14.04.2024 | Deniz Yetim, Alex Kim (vorn), Tobias Glagau, Tomasz Wija, Chor. Foto: © Christina Iberl
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Mit der Brech(t)stange gegen das Klischee – Am Staatstheater Meiningen hatte eine neue „Madama Butterfly“ von Puccini Premiere

Vorspann / Teaser

Das Staatstheater Meiningen rückt Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ im vollen musikalischen Ornat auf die Pelle. Wäre der für die Rolle des nicht sehr sympathischen Pinkerton vorgesehene Tenor Alex Kim nicht erkrankt, dann wäre es eine reine Hausbesetzung gewesen! Was an sich schon eine Leistung ist. Einspringer Nenad Čiča sang aber nicht nur (sehr respektabel) etwa von der Seite, sondern legte sich nach kurzer Probenzeit mit barbieblonder Perücke im albern gestreiften Anzug auch szenisch nach Kräften ins Zeug.

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Nach Japan kommt der bei Hendrik Müller (Regie), Marc Weeger (Bühne) und Katharina Heistinger (Kostüme) aber nicht als Marineoffizier übers Meer. Hier schwebt er von ganz oben ein. Aus dem All. Im Raumanzug landet er in der Welt von Cio-Cio San. Ihr Vater musste auf Befehl des Kaisers – aus welchem Grund auch immer – rituellen Selbstmord begehen, so dass sie sich mit der treuen Dienerin Suzuki an ihrer Seite als Geisha durchschlagen musste. Dabei träumt sie ihren ganz eigenen, amerikanischen, Traum. Dass die „Ehe auf Zeit“, bei der junge Japanerinnen von einem Kuppler an Amerikaner vermittelt werden, nur eine Form ist, die es ihnen ermöglicht, bei einer Kurzbeziehung den Schein von Rest-Anstand zu wahren, will sie nicht sehen. Beim Aufmarsch ihrer Verwandtschaft unter Führung ihres Priester-Onkels Bonzo, der die Hochzeitszeremonie mit einem veritablen Fluch, mit dem er Cio-Cio San verstößt, sprengt, wird klar, dass hier eine überholte Gesellschaft selbst verzweifelt gegen ihren Untergang, sprich ihren Übergang in die Moderne kämpft. 

Das wird auf der Bühne unübersehbar. Ein Haus mit fernöstlicher Anmutung, schon fast versunken, mit schräger Dachterrasse, auf die ein Sternenbanner wie nach der ersten Mondlandung gepflanzt wurde. Wirklich erhellend ist das aber nicht. Ebenso wenig, wie die Kostüme, die sich auf halbem Weg zwischen einer Folkloreparodie und der deutlichen Bloßstellung ihrer Träger bewegen. Am heftigsten trifft diese Modesprache Tobias Glagau als schmierigen Heiratsvermittler Goro. Leo Weiche ergeht es nicht wirklich besser. Er singt die Rolle des Heiratskandidaten Yamadori, aber nicht im Habitus der guten Partie als seriöser Senior, sondern als Sänger einer Boygroup. Besser dran ist Selcuk Hakan Tiraşoğlu, der für seinen machtvollen Auftritt als Bonzo das opulenteste Kostüm erwischt hat. Die Perücken (ob in amerikablond oder japanschwarz) grenzen durchweg an eine ästhetische altbackene Zumutung. Vom klassischen Kimonolook mal abgesehen, würde man selbst gegen die bei Dekonstruktionen gerne genommene Secondhand-Mode in dem Falle mal nichts haben. 

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14.04.2024 | Sara-Maria Saalmann, Johannes Mooser, Tamta Tarielashvili © Christina Iberl
14.04.2024 | Sara-Maria Saalmann, Johannes Mooser, Tamta Tarielashvili. Foto: © Christina Iberl
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Überhaupt verfestigt sich im Laufe des Abends der Eindruck, dass die Regie mit der szenischen Brech(t)stange einen Abstand zum Inszenierungsklischee dieser 1904 uraufgeführten Oper schaffen will. Jedes aufkeimende Mitgefühl wird hier gleich im Ansatz so durch Übertreibung veralbert, dass all die von butterflykundigen und puccinisüchtigen Zuschauern für den Notfall mitgeführten Taschentücher unbenutzt bleiben können. Hier nimmt man sogar den mit großer Geste ausgeführten Selbstmord Cio-Cio Sans (mit dem Dolch des Vaters) am Ende halt einfach nur zur Kenntnis. So wie den Puppenersatz für den gemeinsamen Sohn von Butterfly und Pinkerton. Der wird nur zum lebendigen Menschen in den Traumsequenzen vom Familienidyll unterm Funkeln der nächtlichen Sterne. Butterfly freilich setzt ihren Sohn ohne sonderliche Skrupel als Waffe im Kampf um die Verwirklichung ihrer Lebensplanung ein, womit sie ja bekanntlich scheitert.

So selbstbewusst im Spiel und mit so vokaler Durchschlagskraft und stimmlicher Verve wie Deniz Yetim ihre Cio-Cio San ins Turandotformat aufrüstet, ist sie weniger ein junges Opfer, als vielmehr ein pathologischer Fall von Realitätsverweigerung. Ein etwas schräger, aber durchaus bedenkenswerter Ansatz. Zum Glück war mit Tamta Tarielashvili eine standfest eloquente Suzuki an ihrer Seite – so wie der sonore Johannes Mooser als amerikanischer Konsul vergeblich auf seinen Landsmann einwirkte. Für Sara-Maria Saalmann blieb leider nur der kurze Auftritt als Pinkerton Frau Kate. 

Insgesamt konnte in Meiningen eine beachtliche Ensembleleistung bejubelt werden, zu der auch der von Roman David Rothenaicher einstudierte Chor seinen Teil beitrug. Im Graben sorgten der mit der Hofkapelle bestes vertraute 1. Kapellmeister Chin-Chao Lin für den Pucciniklang, der den Abend immerhin musikalisch dann doch zum Genuss machte. Bei der Regie kann man geteilter Meinung sein. Das Premierenpublikum feierte diesen neuen Puccini. 

Besetzungsliste:

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Statisterie © Christina Iberl
Statisterie. © Christina Iberl

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