Julius Theodor Semmelmann hat Brabant auf den Bühnen-Nenner eines Auditoriums verdichtet. Die Choristen im Einheitslook von Mao (oder seinen Nachfolgern) tragen allesamt unansehnliche Perücken und Brillen, sitzen in Käfigen und bewegen sich normiert. Kann gut sein, dass die kuriose Choreografie der Ausrichtung der Teetassen für die Delegierten des jüngsten Volkskongresses in Peking hier eine Inspirationsquelle war. Die Bühnenästhetik bleibt generell in der Schwebe zwischen surreal Verfremdetem, nicht immer Entschlüsselbarem und Rückbezügen in die Lebenswelt der Gegenwart. So wie Friedrich Telramund und seine Frau Ortrud ausstaffiert sind und sich bewegen, könnte man sich auch mittlere Chefs oder Beamte und diverse ehrgeizige Sekretärinnen vorstellen – energische Spießigkeit pur. Die zum Auditorium gefügten Elemente der Bühnenwelt lösen sich immer mehr auf — fürs Brautgemacht ist nur noch ein Gestell übrig, das zwar mit luftigen weißen und blauen Stoffen aufgefüllt wird, aber kaum als Brautbett dienen könnte. Mit dem blauen Stoffen waren die Frauen und auch ein Teil der Männer beim Aufmarsch vor dem Münster im zweiten Akt sozusagen genderfluid drapiert. Der eine oder andere Wagnerianer, der den von Neo Rauch dominierten Lohengrin in Bayreuth gesehen hat, könnte das als eine Parodie auf die Kostüme deren Aufmarsch lesen, die Rosa Loy beigesteuert hat und die selbst dort schon wie eine unfreiwillige Parodie wirkten. Aber mit der Rezeptionsgeschichte legt sich diese Wiesbadener Inszenierung eher nicht an. Muss sie auch nicht. Die Bühne beginnt also mit einer kompakten Konstruktion und löst sich auf. Die Kostüme wiederum starten mit einem Massen-Einheitslook und enden mit einem tiefen Griff in den Kostümfundus. Könige und Heilige, Kostüme für Queen und Kanzlerin, Künstlerberühmtheiten – alles marschiert am Ende auf. Ein Akt der Befreiung ist das dennoch nicht – jetzt manipuliert sich jeder selbst – und die Masse mutiert zur Summe ihrer Teile.
Gehört die Szene eher in die Kategorie von „Vorhang zu und viele Fragen offen“, bietet diese Inszenierung musikalisch eine Antwort, ob ein Haus wie Wiesbaden die musikalischen Kapazitäten aufbieten kann, um ihrem reichlich gepflegten Kanon an Wagneropern auch einen strahlenden „Lohengrin“ hinzuzufügen. Die wird mit einem überzeugenden Ja beantwortet. Am Pult sorgt Michael Güttler für romantischen Silberglanz und die Energie fürs Auftrumpfen der von Albert Horne einstudierten Chöre. Er muss auch nicht befürchten, dass seine Protagonisten im Rausch des Orchesterklangs untergehen. Mirko Roschkowski ist ein wunderbar timbrierter, höhensicherer Schwanenritter, dem auch die differenzierten Passagen mühelos gelingen. Bei der quicklebendigen Heather Engebretson ist Elsa wirklich mal ein junges Mädchen. Selbst wenn sie sich mal sichtbar um die Töne ihrer Partie bemühen muss, passt das.