Das Weisse Rössl ist eines von den Operetten-Wundertieren, bei denen das Erbgut noch aus den zwanziger Jahre stammt. Auch wenn es Singspiel heißt und einem Lustspiel aus dem 19. Jahrhundert auf der Spur ist. Nach seiner Berliner Uraufführung als große Revue 1930 ist es durch alle politischen und ästhetischen Umbrüche getrabt, ohne sich ernsthaft das Fell zu versengen. Auch wenn es sich auf der immergrünen Alm der Heimatfilme mit grünendem Kitsch-Gras zu überfressen drohte. Die Hits sind so eingängig, der Plot so komödiantisch, schlicht und menschelnd, dass sie dieses Wunderpferdchen wie einen Schutzpanzer schirmen.
Wenn es dann noch, wie kürzlich in Halle am neuen theater, mit einer gehörigen Portion liebevoller Geschwister Pfister-Ironie aufgemöbelt, also ernst und gleichzeitig auf die Schippe genommen wird, und dabei aus dem doch ziemlich nostalgisch monarchistischen Kaiserschmarren sprich Franz-Josef-Besuch am Wolfgangsee ein erotischer Traum der attraktiven Rössl-Wirtin wird, der ihr die Augen für den flotten Zahlkellner Leopold als Ehemann öffnet, dann wird das ganze zum Paradebeispiel für die Rubrik: Totgesagte leben länger.
Was das mitteldeutsche Operetten-Spezialhaus in Leipzig, die Musikalische Komödie, jetzt in der Regie von Volker Vogel und in der Ausstattung von Alexander Mudlagk aus Ralph Benatzkys (1884-1957) Dauerbrenner gemacht hat, stammt allerdings mehr aus der Abteilung: gerade noch mal gut gegangen. Wegen der Hits, denen man einfach nicht ausweichen kann. Selbst wenn diese nicht immer wirklich gut hörbar über das von Tobias Engeli geleitete hauseigene Orchester kommen. Obwohl der gar nicht so loslegt, wie er eigentlich könnte und sollte. Immerhin bringt der Preuße Wilhelm Giesecke (in der Rolle des nörgelnden Texilfabrikanten ist Volker Vogel eine Klasse origineller als in der als Regisseur!) etwas Komödiantenschwung in die Salzkammergut-Postkartenidylle. Wo das Ross an der Wirtshauskulisse wiehert. Und der Kaiser (Milko Milev) tatsächlich seinen jovialen Auftritt hat, was in der republikanischen Handelsstadt erstaunlich andächtig aufgenommen wurde. Andreas Rainer wienert so lange charmant seinen Zahlkellner Leopold, bis ihn Nora Lentner als vor allem sympathische Rösslwirtin nach einigem Hin-und Her schließlich als Ehemann einstellt.
Der Rest der Truppe, vom Stammgast Dr. Siedler (Radoslaw Rydlewski), über kesse Ottilie (Lilli Wünscher) und das lispelnde Klärchen (Verena Barth-Jurca) bis hin zum schönen Sigismund (Fabian Egli) und dem vorlauten Pfiffikus Piccolo (Sven Wieckhorst vom Kinderchor der Leipziger Oper) und all den anderen Salzkammergut-Eingeborenen umrahmt den Weg zu diesem Happyend mit einer Spiellust, die sie gleichwohl nie überfordert.
Normalerweise punktet die Musikalische Komödie mit dem Charme des gut und handgemachten, genretypischen Vorstadttheaters. Im besten Falle kommt da nicht Oper für Arme, sondern Operette für Liebhaber raus. Diesmal gelingt das nur ansatzweise. Auf jeden Falls immer dann, wenn das hauseigene Ballett dazwischenfunkt. Die Truppe macht immer eine gute Figur, ob nun in Lederhose und Dirndl oder in Bademoden. Da Publikum fühlte sich dennoch wohl bei diesem gemütlichen Ausflug an den Wolfgangsee.