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Tristan und Isolde, Bayreuther Festspiele 2022. Foto: Enrico Nawrath.
Tristan und Isolde, Bayreuther Festspiele 2022. Foto: Enrico Nawrath.
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Wie Leidenschaft zum Bild wird – Umjubelter „Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen 2022

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Es gehört im Grund dazu, dass es im Vorfeld der Bayreuther Festspiele irgendwas Skandalträchtiges zu berichten gibt. Viele Jahre sorgte die Familie des Komponisten selbst dafür. Doch auch, seit auf dem Grünen Hügel die Zuständigkeiten klar sind und Katharina Wagner das Unternehmen erfolgreich und beherzt führt, kann man darauf wetten, das irgendwas passiert.

Diesmal gab es kurz vor Festspielbeginn Sexismusvorwürfe. Wer, wann, wem, wie zu nahegetreten ist, gegrapscht hat oder ein paar Sms oder Mails zu viel geschickt hat, weiß man noch nicht so genau – bislang sind alle Quellen anonym. Und weil der sich mit seinem Berliner Mundwerk gut dazu eignet, bekam Christian Thielemann auch gleich noch ein paar Ruppigkeitsvorwürfe ab. In einem raunenden Beitrag der „Zeit“ war das so ähnlich, da ging es bei solchen Vorwürfen vor allem um eine miese Stimmung auf dem Grünen Hügel. Was kann man dem schon entgegensetzten, außer Grundsätzliches und Selbstverständlichkeiten in Sachen Aufklärungsversprechen? Für Schlagzeilen reichte es allemal.

Natürlich mischt das leidige Virus freilich kräftig mit. Zum Glück nicht gleich so, dass es die gesamten Festspiele kippte oder auf einen Rest schrumpfte, wie in den beiden vorigen Jahren. Zu unmittelbaren Folgen führte diverse Einschläge allerdings schon vor dem Festspielstart.

Auch mit Blick auf die mit der Pandemie verbundenen Planungs-Unwägbarkeiten, hatte Katharina vor den nachgeholten Premieren-Vierer mit dem neuen Nibelungenring zusätzlich (und erstmalig in einem Ringjahr) einen neuen Tristan ins Programm genommen. Chorarm, wie der im Unterschied zu Tannhäuser, Lohengrin und Holländer nunmal ist, sind da keine massenhaften Ausfälle zu befürchten bzw. könnte man hier den kurzen Chorauftritt auch zuspielen. Ein kurzentschlossener Tristan also zur Sicherheit. Das dafür engagierte Gespann Roland Schwab (Regie) und Cornelius Meister (Dirigent) wusste vor einem reichlichen halben Jahr noch nichts davon. Als die Hiobsbotschaft kam, dass der vorgesehene Ringdirigent Inkinen erkrankt ausfällt, wechselte Cornelius Meister kurzerhand zum Ring. Für Tristan holten man Markus Poschner ins Boot. Gerade mal zwei Proben mit dem Orchester blieben ihm bis zur Premiere. Wobei dieses Orchester natürlich schon per Definition einen Tristan drauf hat. Und doch bleibt Spielraum für Scheitern oder Extrajubel.

Leidenschaften, diesseitig

Poschner wurde für seine mutige Flexibilität, vor allem aber für das Resultat bejubelt. Es war kein narkotisierender Verführungsversuch a la Thielemann. Hier loderten die Leidenschaften eher diesseitig, beherzt aber auch mal wie ins Nichts verhaucht. Immer fein abgestimmt mit den Sängern. Und die lieferten Festspielniveau. Catherine Foster (die Brünnhilde aus dem Castorf-Ring hat beim Bayreuthpublikum eine Fangemeinde!) lässt ihre Stimme in voller Pracht von der Leine – macht besonders aus dem ersten Aufzug ein Isoldeerlebnis mit Wow-Effekt. Auch der tristanerfaherene Stephen Gould wirkte freier als in der Vorgängerinszenierung der Hausherrin, lieferte einen Tristan ganz bei sich und seinen immer noch beträchtlichen Fähigkeiten. Auch als Tristan im dritten Akt im Sterben lag, hatte man nicht einen Augenblick die Sorge, dass dieser Sänger (der ja auch noch im Ring und im Tannhäuser eine tragende Rolle spielt) die Zielgerade nicht erreicht.

Dazu die sich im Timbre deutlich von Isolde abhebende Brangäne Ekaterina Gubanova und der prägnante und (durchweg) textverständliche Kurwenal von Markus Eiche. Wie erwartet ist Georg Zeppenfeld die sichere Marke-Bank schlechthin, zumal er diesmal auch nicht den Fiesling geben muss, wie in Katherinas Inszenierung. Dass man bei Zeppenfeld und Eiche jedes Wort versteht, liegt an deren Format, aber natürlich auch an ihren Partien. Dass es die Interpreten von Isolde, Tristan, und Brangäne da deutlich schwerer haben, aber auch. Es gab in der letzten Zeit zwar tatsächlich Isolden, bei denen man jedes Wort verstanden hat – allerdings konnte man da auch mitlesen. (Damit das nicht anonym bleibt: bei Stephanie Müther in Chemnitz war das exemplarisch so.)

Musikalisch war dieser Tristan jedenfalls beim Publikum, dass den gleichen Extremtemperaturen im Festspielhaus ausgesetzt war wie die Sänger, ein voller Erfolg. Im vollbesetzten Haus musste es allerdings auch nur zuhören und darauf achten, dass nicht das Handy auf den Holzboden fällt. Was nicht jedem gelang …

Über ungeteilte Zustimmung konnten sich aber auch Roland Schwab, Piero Vinciguerra (Bühne) und Gabriele Rupprecht (Kostüme) freuen. Schwab versucht mit seiner Deutung Wagners „Löse von der Welt mich los“ erfahrbar zu machen und auf diese Welt zurück zu reflektieren. Wenn Tristan und Isolde am Ende beide im Tode vereint sind, kommt ein altgewordenes Paar langsam an die Rampe. Es ist ein tröstlicher Philemon-und-Baucis-Moment. Schon während des Vorspiels haben wir die beiden als junges Paar gesehen und auch danach tauchen sie, etwas älter geworden, noch einmal auf. Liebe ist auch im Leben möglich, so die Botschaft einer Bildersprache, in der die Leidenschaft zum Bild wird.

Atemberaubende Bilder

Die Bühne ist ein halbrunder begrenzter Raum. In der Decke und im Boden geben ovale Ausschnitte den Blick in den Himmel und in die Tiefe brodelnder Leidenschaften frei. Die Videos (Luis August Krawen) sind hier keine Wirklichkeitssimulation, sondern Teil der Bühne. Anfangs tigert Isolde wie eine Gefangene kurz vor der Explosion um den mit noblen Liegestühlen eingerahmten Pool. Der beginnt sich blutrot zu färben. Wenn der Liebestrank aber wirkt und Tristan und Isolde gleichsam übers Wasser zu gehen lernen, dann wandelt er sich in einen Strudel (der Leidenschaft), der die beiden zueinander und in einen Abgrund zieht. Das ist ein atemberaubendes Bild. Im Zweiten Aufzug ist es das Sternenfirmament, das sich zu spiegeln scheint. Die sind losgelöst von der Welt. Dass die große Liebesszene bei der die Sterne tanzen, zum Tribunal wird, bei dem Tristan in der Mitte auf einem Verhörstuhl sitzt und Melot Isolde mit einem der Scheinwerfer traktiert (wobei man sich fragt, ob der tatsächlich flackern sollte, nachdem alle anderen ausgeschaltet worden waren), erreicht die beiden nicht wirklich. Grandios das Bild wie der metaphorische feindliche Tag in Form einer Batterie von gleißenden Neonröhren langsam auf Tristan niedergeht und ihn (ohne, dass Melot seine Waffe zücken muss) tödlich verletzt. Im dritten Aufzug dann – ein Bild aus der Rubrik „schöner Sterben“. Trauernweiden wuchern jetzt herunter, Tristan liegt wie aufgebahrt zwischen Kerzen. In weißer Kluft, so wie dann auch Isolde. Am Ende trauert auch der König sichtbar. Möglicherweise mehr um Tristan als um Isolde. Vor deren Weltflucht senkt sich ein transparenter Schleier, durch den eine Utopie schimmert, die die beiden Alten vor diesem Vorhang trotzig in ein „Liebe ist auch auf Erden möglich“ quasi übersetzen. Ewig…. stand die ganze Zeit als rätselhafter Schriftzug neben der Szene …

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