In aller Munde, in aller Ohren sind die beiden ersten Kassetten der Celibidache-Edition, die bei EMI erschienen sind und bei den Verehrern des Dirigenten, genauer noch: dieses einsam-umgänglichen Musikphilosophen für Respekt und Bewunderung gesorgt haben. Als nach Celibidaches Tod bekannt wurde, daß die Familie und die Münchner Philharmoniker sozusagen als Erben des akustischen Vermächtnisses in Zusammenarbeit mit einem der größten Schallplattenproduzenten autorisiert wären, die konzertanten Zeugnisse eines Künstlers zu veröffentlichen, der sich zu Lebzeiten bis auf ganz wenige Ausnahmen vehement gegen die Konservierung, vor allem aber die Nachbearbeitung eines vitalen Interpretationsprozesses verwahrt hat, der mochte erstens an Celibidaches Wahrhaftigkeit, zweitens aber an der Lauterkeit seiner Hinterbliebenen zweifeln. Ich möchte diese Diskussion nicht aufs neue anheizen, denn zu faszinierend sind die Dokumente, die bisher in zwei Abteilungen herausgegeben worden sind. Unverzichtbar bis ans Ende aller Tage scheinen vor allem Celibidaches Bruckner-Aufnahmen zu sein, die das Denken und Fühlen über die Leistungen des großen Mannes aus St. Florian entscheidend beeinflussen werden.
Nun jedoch, da auch die Deutsche Grammophon Gesellschaft auf den Celibidache- und CD-Expreß aufzuspringen ankündigt, wird die ganze Geschichte etwas unappetitlich. Es geht dem gelben Label um Celibidaches Einspielungen mit dem Südfunkorchester Stuttgart aus quasi Langspielplatten-historischen Zeiten der Stereoproduktion. Das Stuttgarter Rundfunkorchester war zu Zeiten Celibidaches nicht anders wie heute ein im günstigen Moment ambitioniertes, aber bei realistischer Betrachtung mittelmäßiges Ensemble. Faszinierende Probenmitschnitte unter der Leitung von Carlos Kleiber, die auch im japanischen Fernsehen gezeigt worden sind, beweisen eher die Genialität des probenden, erzählenden, bittenden und bettelnden Maestros als die Fähigkeiten des Ensembles, wirklich auf dessen Intentionen einzugehen. Und man darf nicht vergessen, daß auch Celibidache erst in den letzten 15, allerhöchstens 20 Jahren eine tiefgreifende Entwicklung seines musikalischen Verständnisses und der Auffassung von Beruf und Berufung durchgemacht hat. Die Stuttgarter Live-Mitschnitte spiegeln ebensowenig wie die vielen illegal oder halblegal veröffentlichten Radio-Mitschnitte aus Italien den wahren – späten – Celibidache wider.Hauptrubrik
Sprung auf den Busineß-Zug
Untertitel
Die Deutsche Grammophon fleddert Celibidache-Konzerte
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