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Der Mann, den sie Q nannten

Untertitel
Zum Tod des legendären Musikproduzenten Quincy Jones
Vorspann / Teaser

Q stand für Quincy Jones. Zusammen mit MJ bildete er das erfolgreichste Künstlerpaar der Popgeschichte. MJ, das war natürlich Michael Jackson, der mit dem gemeinsamen Album „Thriller“ zum „King of Pop“ avancierte. Q & MJ, das war das „perfect match“ des Pop: zwei afro-amerikanische Perfektionisten, die das erfolgreichste Album der Musikgeschichte produzierten. Geschätzte 70 Millionen Einheiten von „Thriller“ sollen bis heute verkauft worden sein. Ein Erfolg, der einerseits all seine anderen Arbeiten überschattete, aber andererseits auch wieder ein flammendes Interesse an seinem Gesamtwerk weckte. 

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Wer war der Mastermind hinter „Thriller“? Geboren 1933 in Chicago als Quincy Delight Jones Jr. trieb er sich anfangs als Kleinkrimineller in den Gassen seiner Heimatstadt rum. Bei einer seiner „Aktionen“ hatte er das „Erweckungserlebnis“, das sein ganzes Leben prägen sollte. In einem Lagerhaus entdeckte er ein Klavier, auf dem er zu klimpern begann. Es war Liebe auf den ersten Ton. Von nun war sein berufliches Leben vorgezeichnet, wie er später erzählt hat. All die „klimpernden“ Pianos, die immer wieder in seinen jazzigen Scores auftauchen, scheinen ihren Ursprung zu haben in diesem magischen Moment, der seine Zukunft bestimmen sollte.

Seine musikalische Karriere begann Anfang der fünfziger Jahre, als ihn Lio­nel Hampton als Trompeter für eine Tournee engagierte. Bald lieferte Quincy Jones auch Arrangements für die Big Band von Hampton. „Kingfish“ hieß die erste Komposition von Jones, die auf einer Platte erschien. Von nun an lieferte er Arrangements am laufenden Band. Eine kleine Liste: Oscar Pettiford, Art Farmer, Clifford Brown, Helen Merrill, Clark Terry, Cannonball Adderley, Betty Carter, Dizzy Gillespie, Count Basie, alles „Giants of Jazz“, wie 1955 die erste LP unter seinem eigenen Namen hieß. Geprägt hat ihn in dieser Zeit allerdings eine Frau, die man nicht unbedingt mit Jazz in Verbindung bringen wird: die Komponistin und Musikpädagogin Nadia Boulanger. Sie hat ihn in die „Grenzen der musikalischen Freiheit“ eingeweiht, wie er später erzählt hat. Für sie war laut Jones „Melodie der König“. Und so war er bereit für seinen ersten Flirt mit Pop-Musik. In seinem musikalischen Portfolio tauchten nun Ray Charles, Dinah Washington und Sarah Vaughan auf. 1961 wurde Quincy Jones zum Vizepräsidenten von Mercury Records ernannt. Als Produzent gelang ihm dort 1963 sein erster Nummer-Eins-Hit: Lesley Gores „It‘s My Party“, arrangiert von Claus Ogerman. 

1963 hat Quincy Jones dann auch seinen ersten Grammy erhalten, für sein Arrangement der Count-Basie-Version eines Ray-Charles-Klassikers: „I Can‘t Stop Loving You“. „Quincy hatte den Schlüssel zur Basie-Band“, hat Frank Sinatra dazu bemerkt. Er musste es wissen, denn in jenen Jahren hatte er mit Basie & Jones zwei vorzügliche Alben aufgenommen. Eine Ballade verwandelte Jones für Sinatra auf „It Might As Well Be Swing“ in puren Swing: „Fly Me To the Moon“. Für Sinatra war der Song endlich im „richtigen Tempo“, wie er in seinen Konzerten später immer mal wieder betont hat. 1965 verließ Jones Mercury Records und konzentrierte sich bis zum Ende des Jahrzehnts auf seine zweite Karriere als Filmkomponist. In dieser Zeit entstanden all die großen Soundtracks mit den „klimpernden Pianos“: „The Pawnbroker“, „In Cold Blood“ oder „In The Heat Of The Night“, zu dem Ray Charles, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, den Titelsong sang. Später in seiner Karriere lieferte er dann noch die Scores für die TV-Miniserie „Roots“ und Steven Spielbergs „The Color Purple“. Aber das waren nur noch Nachzügler in seinem filmmusikalischen Werk, denn bereits 1969 hatte Jones eine weitere musikalische Phase begonnen: als Soul-Jazz-Künstler.

„Walking In Space“ hieß sein Debüt­album in dieser Sparte. Eine schwächere Nummer aus dem Hippie-Musical „Hair“ hatte Jones dafür in eine finessenreiche „Soul Symphony“ verwandelt. Belohnt wurde er dafür mit einem weiteren Grammy. Weitere Klassiker des Soul-Jazz folgten: „Gula Matari“, „Smackwater Jack“, „Body Heat“, „Stuff Like That“ und „The Dude“. Immer mit dabei: sein treuer Mundharmonika-Virtuose Toots Thielemans, der wie die Brothers Johnson den „Quincy Jones Sound“ mitprägte. Die Brothers Johnson waren es auch, die dem Meister einen eigenen Song widmeten: „Q“. Q, so hatten ihn alle seine musikalischen Freunde genannt, die sich in seinem Orbit herumtrieben. 1978 bekam Quincy Jones einen Auftrag, der sein musikalisches Leben erneut umkrempeln sollte. Sidney Lumet verpflichtete ihn für die Verfilmung eines erfolgreichen Broadway-Musicals. „The Wiz“ war die „schwarze“ Fassung des „Wizard Of Oz“ gewesen und Lumet wollte seine Version in das heutige New York verlegen. In den Hauptrollen: Diana Ross als Dorothy und Michael Jackson als Scarecrow. Der Film war ein Flop, aber es gab eine Nachgeschichte dazu. Quincy Jones lernte bei den Dreharbeiten den Leadsänger der Jackson 5 kennen, der mit seiner energetischen Bühnenpräsenz das Bild der Gruppe prägte, die inzwischen Motown verlassen hatte. Quincy Jones war begeistert von dem großen Talent, das sich gerade in einer musikalischen Umbruchphase befand. Privat benahm sich Michael Jackson wie ein Kind, aber professionell tickte er wie ein 60-Jähriger, hat Jones erzählt. Da hatten sich zwei besessene Perfektionisten gefunden, der „alte Hase“ Q und der lernwillige Schüler MJ. Gemeinsam bastelten sie am tollsten Album der späten Disco-Ära: „Off The Wall“. Es war der Blueprint für „Thriller“, dem zuletzt „Bad“ folgte. Wie George Martin für The Beatles das musikalische Kleid schneiderte, hat Quincy Jones das musikalische Universum von Michael Jackson orchestriert. 

Michael Jackson war übrigens am Boden zerstört, als er den ersten Mix von „Thriller“ gehört hat. Und so haben die beiden Perfektionisten das Album komplett neu gemischt. Der Welterfolg gab ihnen recht. Die „Wurzeln“ des „Thriller“-Sounds, der geprägt ist von den verschiedenen musikalischen „Schichten“, die hier übereinander gelegt wurden, sind zu finden in den gro­ßen „sinfonischen“ Soul-Experimenten von Jones. „Walking In Space“ ist die Blaupause für „Thriller“. Quincy Jones verstarb am 3. November im Alter von 91 Jahren in Los Angeles. 

 

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