Im November letzten Jahres erschütterte eine Meldung die Fach- und Tagespresse: Der Bundesverband Klavier wird nicht auf der Musikmesse in Frankfurt vertreten sein! War der Rückzug der Klavierbauer die erste Auswirkung der weltweiten Finanzkrise? Oder ist der Markt mit Klavieren gesättigt? Susanne Fließ sprach mit dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Burkhard Stein über Qualität, Traditionen und Konzepte – und die Musikmesse 2010.
nmz: Herr Stein, seit sieben Jahren sind Sie im Vorstand des Bundesverbandes Klavier e.V. (BVK). Wie sind Sie zur Verbandsarbeit gekommen?
Stein: Zunächst ist die Nähe zum Klavier familienbedingt: Mein Großvater war Klavierbaumeister, mein Vater ist Klavierbaumeister und auch ich selbst habe neben meiner kaufmännische, eine Ausbildung zum Klavierbauer absolviert. Seit zehn Jahren bin ich Geschäftsführer bei Grotrian-Steinweg in Braunschweig und vertrat zunächst in dieser Eigenschaft unser Unternehmen im Bundesverband Klavier e.V. Vor sieben Jahren wurde ich dann von den Mitgliedern des BVK in den Vorstand gewählt. Vor vier Jahren erfolgte die Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes und vor einem Jahr zum Vorsitzenden.
nmz: Welche Kriterien hat denn der BVK für die Aufnahme von Herstellerfirmen in den Verband?
Stein: Bedingung ist, dass der Firmensitz in Deutschland liegt und in Deutschland eine Fertigungsstätte unterhalten wird, in der die Pianos, Flügel, historischen Tasteninstrumente und Zuliefer- und Zubehörteile produziert werden. Das kann jedoch auch bedeuten, dass einzelne Zulieferteile oder auch ganze Instrumentenbaureihen aus dem Ausland zugekauft werden. Eine relativ junge Entwicklung, traditionell produzierten deutsche Unternehmen ausschließlich in Deutschland. So haben sich auch zwei grundsätzliche Marketingstrategien entwickelt: Firmen wie Förster, Grotrian-Steinweg, Sauter oder Steingraeber konzentrieren sich auf die Produktion ihrer Kernmarke, in Deutschland, mit Zulieferern aus dem Inland. Daneben gibt es die so genannte Mehrmarkenstrategie, die Unternehmen wie Bechstein, Blüthner, Schimmel oder Steinway verfolgen: Neben der Hauptmarke gibt es eine Marke, die mit deutschem Knowhow zum Teil in eigenen Fertigungsstätten im Ausland gebaut wird. Als dritte, preiswerteste Linie werden als Handelsmarke Instrumente angeboten. Diese werden in Asien eingekauft, einer Kontrolle unterzogen und dann unter einem eigenen Namen verkauft.
Die Mehrmarkenstrategie ist eher auf Größe angelegt. Absicht ist hier, jedes Kundensegment bedienen zu können, vom Einsteiger bis zum virtuosen anspruchsvollen Pianisten. Bei der Einmarkenstrategie repräsentiert jedes einzelne Instrument die lange Firmentradition mit der bekannten Qualität.
nmz: Inwieweit erstrecken sich die Forderungen nach Qualität auch auf die der Zulieferer?
Stein: Aus Sicht der Hersteller sind auch bei den Zulieferern nicht nur die Kosten entscheidend, sondern gleichermaßen die Qualität. Von den weltweit pro Jahr etwa 450.000 neuen Klavieren und Flügeln, stammen 10.000 Instrumente aus deutscher Produktion. Die allerdings bewegen sich weltweit im Spitzenbereich.
nmz: Wie schwierig ist es, gemeinsame Themen zu finden? Der Bundesverband ist ja ein Zusammenschluss höchst profilierter und traditionsreicher Unternehmen, die auf dem Markt als Konkurrenten auftreten.
Stein: Der Verband, dem übrigens auch die Cembalobauer angehören, wurde von den deutschen Klavierherstellern mit dem übergeordneten Ziel gegründet, für in Deutschland hergestellte Klaviere und Flügel zu werben. Möglichst viele Menschen sollen zum Klavierspiel animiert werden und lange Jahre dabei bleiben, weil die Qualität ihres Instruments ihnen Freude daran vermittelt. Dieses Ziel wird auch fortgeschrieben und mit diversen Maßnahmen realisiert.
Gerade erst im Oktober 2008 hatte der Verband zusammen mit anderen Musikverbänden die Gelegenheit, im Rahmen eines Branchengespräches der Musikinstrumentenwirtschaft mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aktuelle Wünsche an die Politik heranzutragen. Erstmalig hatte ein solches Treffen zwischen Vertretern der Musikinstrumentenindustrie und des Bundeskanzleramtes in Nürnberg stattgefunden. Dort formulierte der Bundesverband weitere Bedürfnisse, von denen ich nur drei beispielhaft nennen möchte: So wünschen wir uns bei Ausschreibungen einer Musikschule oder Musikhochschule, dass neben dem Preisvergleich, der ja üblich und verpflichtend ist, der Blick auch auf die Qualität gerichtet wird. Denn langfristig, so unsere Erfahrung, sind die deutschen Instrumente den Importartikeln immer überlegen, weil sie auch bei intensiver Benutzung aufgrund ihrer Qualität weniger anfällig sind.
Forderung nach einem rmäßigten Mehrwertsteuersatz für Musikinstrumente
Unsere zweite Bitte lautete, bei Musikinstrumenten den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zugrunde zu legen. So wie das ja auch bei Noten geschieht. Und da die Hersteller gerade bei Flügeln sehr stark vom Export leben, trugen wir drittens an die Bundesregierung den Wunsch heran, die Handelshemmnisse zu beseitigen. Wir wünschen uns hier gleiche Chancen. Am Beispiel China läst sich das verdeutlichen: Früher hat das Land für den Klaviermarkt keine große Rolle gespielt, nun aber sind dort immer mehr Menschen willens und in finanziell in der Lage, Musikinstrumente aus Deutschland zu kaufen. Wenn ein deutscher Flügel nach China eingeführt wird, werden allein an Importkosten knapp 40 Prozent fällig, die zusätzlich auf den Einkaufspreis aufgeschlagen werden müssen. Instrumente aus China dagegen können ohne weitere Kosten in Deutschland eingeführt werden.
nmz: Entwickelt der BVK eigene musikpädagogische Konzepte, die die Verkaufsstrategien flankieren?
Stein: Unser jüngstes Projekt ist ein Konzept zur Ausbildung von Klavierlehrern für den Erwachsenenunterricht, das der BVK gemeinsam mit dem Verband deutscher Musikschulen entwickelt hat. Denn immer mehr Menschen, die im Laufe ihres Berufslebens gut verdient haben und sich nun dem Ende ihrer Berufstätigkeit nähern, interessieren sich für das Klavierspiel und sind auch bereit, dafür ein gutes Instrument anzuschaffen. Unser Konzept soll Musikpädagogen Handreichungen für den Unterricht mit Erwachsenen geben. Die Fortbildungsseminare werden zum Großteil durch den BVK finanziert, damit durch einen günstigen Seminarbeitrag möglichst viele Teilnehmer gewonnen werden können. Wenngleich unsere finanziellen Mittel beschränkt sind, so finde ich, dass sich unsere Konzepte sehen lassen können!
Mit „Jedem Kind ein Instrument“ ist ein guter Ansatz gelungen, auch wenn das Klavier als Leihinstrument aufgrund seiner Größe und seines Gewichtes keine wesentliche Rolle spielt.
Auch die Durchführung von Wettbewerben wirkt sich auf den Absatz von Instrumenten aus, wenn sie auch eher eine Spitzenförderung darstellen. Dagegen ist ein wichtiges Thema zur Breitenförderung der Musikunterricht in den allgemeinbildenden Schulen. Mit „Jedem Kind ein Instrument“ ist ein guter Ansatz gelungen, auch wenn das Klavier als Leihinstrument aufgrund seiner Größe und seines Gewichtes keine wesentliche Rolle spielt. Bei unserem nächsten „Parlamentarischen Abend“ am 17. März in Berlin, mit Vertretern der Bundesländer und der Bundesregierung, werden wir zusammen mit anderen Musikverbänden unser Konzeptpapier zum Thema „Jedes Kind ist musikalisch“ vorstellen. Den Spaß an Musik wollen wir auch den Politikern vermitteln. Im weitesten Sinn gehört auch die Präsenz auf der Frankfurter Musikmesse im „Pianosalon“ zu den pädagogischen Konzepten, denn hier kann man sich ganz unverbindlich informieren und Instrumente aller Preisklassen ausprobieren.
nmz: Erstmals wird es aber bei der Musikmesse 2009 in Frankfurt keinen Pianosalon geben, was ist passiert?
Stein: Fragt man die Verantwortlichen der Messe Frankfurt, so versichern sie, dass das Klavier ein wichtiges Instrument sei, um Besucher für die Musikmesse zu interessieren. Trotz dieser Wertschätzung durch die Messe haben sich einige unserer Mitgliedsfirmen nicht so behandelt gefühlt, wie wir es aufgrund dieser Äußerungen erwarten konnten. Mehrmals in den vergangenen zwei Jahren hatte der Verband, gemeinsam mit der Messe, über verbesserte Präsentationen und über ein zeitgemäßes Ausstellungskonzept nachgedacht. Das betraf die Platzierung des „Pianosalon“ selbst, das betraf aber auch den Service rings herum. Als im Herbst 2008 noch kein zufriedenstellendes Konzept vorlag, hat der Verband beschlossen, ein Jahr zu pausieren, damit beide Seiten Gelegenheit zum Nachdenken haben. Denn natürlich macht auch ein Messeauftritt nur Sinn, wenn am Ende die Messekontakte und die Umsätze die Kosten der Messerepräsentanz amortisiert haben, im Durchschnitt wendet jedes unserer Mitglieder immerhin 50.000 bis 60.000 Euro für seinen Messeauftritt in Frankfurt auf.
Im Rahmen der Musikmesse 2009, die vom 1. bis 4. April stattfinden wird, werden wir mit der Messeleitung wieder ein Gespräch haben. Die Pause ist definitiv nicht als endgültiger Ausstieg aus der Musikmesse geplant. Wie wichtig dem Verband Messeauftritte sind, sieht man an den Mitwirkungen bei den Messen in China oder den USA. Und auch die Finanzkrise spielt bei der Entscheidung des Verbandes, der Musikmesse fernzubleiben, keine Rolle. Wir hoffen natürlich, 2010 auf der Musikmesse zu sein. Denn das Bedauerliche an unserer Abwesenheit ist auch, dass der „Klavierspieler des Jahres“ den der BVK jährlich ernennt, dort nun am ersten Messetag nicht geehrt werden kann.