Der FDP-Politiker Gerhart Baum ist am 15. Februar 2025 im Alter von 92 Jahren in seiner Heimatstadt Köln verstorben. Baum war von 1978 bis 1982 Innenminister unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD). Auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik galt Baum neben Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als einer der letzten profilierten Vertreter des linksliberalen Freiburger Kreises der FDP. Kunst und Kultur spielten im Leben des Anwalts und Politikers, der bis zuletzt auch gefragter Interviewpartner und regelmäßiger Kolumnist der neuen musikzeitung war, seit seiner Schulzeit eine wichtige Rolle.
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Engagierte Streiter für die Neue Musik: Renate Liesmann-Baum und Gerhart R. Baum, der Mitte Februar im Alter von 92 Jahren verstarb. Foto: Charlotte Oswald
Freiheit, Kunst und neue Musik
Regelmäßig besuchte Gerhart Baum als Student die WDR-Reihe „Musik der Zeit“ in Köln. Hier wurde der Grundstein zu seiner Neigung zur Gegenwartsmusik gelegt, die von seiner Ehefrau Renate Liesmann-Baum, einer Musikerin, Musikkuratorin und Musikreferentin der Stadt Köln nachhaltig gefördert wurde. Musik blieb seine Leidenschaft bis zuletzt: Fast bis zu seinem Lebensende konnte man Gerhart Baum und Renate Liesmann-Baum jeden Oktober bei den Donaueschinger Musiktagen antreffen.
Seine Affinität zu den Künsten verband er mit kulturpolitischer Verantwortung. Das machte er in den 70er-Jahren als Kölner Stadtrat, später im Bundestag und bis Mitte 2023 als Vorsitzender des NRW-Kulturrats oder auch als WDR-Rundfunkrat. Gerhart Baum gehörte ab 1978 als Bundesinnenminister der sozialliberalen Regierung an – erst unter Brandt, dann unter Schmidt. Bis 1998 war die Kultur als Ressort im Bundesinnenministerium angesiedelt. Es gab also eine Kulturpolitik schon vor der Ernennung eines Kulturstaatsministers.
Kurz vor Kriegsende war Gerhart Baum mit seinen beiden Geschwistern und seiner Mutter aus dem zerstörten Dresden in das vom Krieg unbehelligte Idyll des Tegernseer Tals gekommen. Als Flüchtlinge lebten sie in diversen Unterkünften rund um den See. Ein Gymnasium gab es nicht und so schickte seine Mutter den damals 13-Jährigen zunächst zu einem Privatlehrer. Als 1949 das Gymnasium Tegernsee seinen Betrieb aufnahm, wurde es für Gerhart Baum zu einem wichtigen Ort der politischen, aber auch der kulturellen Bildung. Adolf Grote gehörte zu seinen ersten Lehrern. Während des Krieges hatte dieser einer Widerstandsgruppe angehört, aber auch aus einiger Entfernung dem Kreis um den Dichter Stefan George. Baums Vater war nicht aus dem Krieg zurückgekommen und Grote wurde eine Art Vaterersatz und Mentor. Der überzeugte Anti-Nazi Grote gab Baum „Der SS-Staat“ und andere Analysen der Deutschen Katastrophe zu lesen, etwa Bücher von Röpke, Popper oder auch „Dr. Faustus“ von Thomas Mann.
1950 verließ die Familie Baum das Tegernseer Tal und zog nach Köln. Die Stadt wurde ihm Heimat bis zu seinem Tod. Nach dem Abitur 1954 durchlief der 22-jährige Gerhart Baum sein Jura-Studium bis zum 1. Staatsexamen in nur drei Jahren. Zielstrebig wollte er die verlorenen Jahre aufholen. 1962 bis 1972 war der Jurist bereits Mitglied Geschäftsführung der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Schon während des Studiums war er Vorsitzender der Jugendorganisation der FDP gewesen und lernte Anfang der 60er-Jahre Liberale wie Ralf Dahrendorf, Karl-Hermann Flach, Hildegard Hamm-Brücher, Hans-Dietrich Genscher, Burkhard Hirsch und Günter Verheugen kennen. Er war nie Marktfundamentalist, sondern sah sich selbst als „Rechtsstaatsliberaler“.
Für Gerhart Baum war Kunst ein Stück Freiheit, und Demokratie ohne diese nicht vorstellbar. In einem Interview mit dem Autor dieses Nachrufs sagte er einmal: „Heute ist die Kunstfreiheit in unserer Gesellschaft von rechts bedroht“. Er warnte vor einem „Kulturkampf von rechts“, der durch vielfältige Aktionen in der ganzen Republik, etwa gegen die Theater, seine völkische Ideologie zum Maßstab der Kunstförderung machen will.
Die jüngsten politischen Entwicklungen geben ihm leider Recht. Sein leidenschaftlicher Einsatz für Kultur, Kulturpolitik sind sein Vermächtnis und machen ihn zum Vorbild.
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