Keiner ist ein Kulturbanause, nur weil er Johann Sebastian Bach nicht von Igor Strawinsky unterscheiden könnte, oder weil er die Komponistin Thekla Badarzewska-Baranowska nicht kennt. Und so sind auch die vielen Zuhörer in der Aula des Alten Gymnasiums nicht unkundige Laien zu nennen. Sie vermögen nämlich beim Konzert Oldenburger Musiklehrer ein musikalisches Suchspiel des Geigers Guido Eva nicht aufzulösen. Oder sie haben zu viel Insiderwissen.
„Einen auszugeben” verspricht der vielseitige Geiger und Pianist allen denen, die Themen herausfinden, die er in einer Improvisation versteckt hat. Eva kann sich die Runde sparen. Dass sich Themen aus Smetanas „Moldau”, aus „Star Wars” oder von Sting in seinem virtuosen Spiel gut versteckt haben, muss er am Ende selbst verraten.
Evas musikalischer Spaß passt sich in eine bunte und bereichernde Vielfalt ein, die traditionell die Jahreskonzerte der Gruppe Nordwest im Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) auszeichnet. Da stehen nicht nur ein Klaviertriosatz von Beethoven (aus op. 1,3) ein Präludium von Bach (es-Moll aus dem Wohltemperierten Klavier) oder Piazzollas „Le Grand Tango” im Programm.
Es ist etwa auch ein mitreißendes „Polnisches Capriccio” für Violine solo von Grazyna Bacewicz zu hören, oder der Satz „Traum” aus „Abgesänge auf eine Idee” von Friedemann Backens. Und am Ende zelebriert Jörg Sieglochs Ensemble Akkolade mit acht Akkordeons noch einmal Piazzolla. Ein Meister der verdichteten Form ist der weit über Oldenburg hinaus geschätzte Komponist und Pianist Christoph Keller. Sein „Präludium, Inventio und Choral” von 1996 steht packend dafür. Und weil er ein Gespür gerade für zerbrechliche Klänge hat, zeigt sich Keller als idealer Interpret von fünf fein ziselierten Sätzen unter dem Titel „Improvvisazione” von Lajos Papp. „Die habe ich zuletzt zu seinem 50. Geburtstag gespielt”, sagt Keller und schmunzelt. Das ist wirklich eine Weile her. Inzwischen ist Papp 80 geworden. Der anwesende Komponist heimst viel Beifall ein – und er wirkt noch ähnlich frisch wie seine Musik.
Eine Verbeugung vor Kellers kompositorischer Vielfalt und Dichte macht auch Guido Eva. In seiner Rätsel-Improvisation hat er auch Anklänge an dessen “Reverie” versteckt. Kurz zuvor haben die Flötistin Irmgard Asimont und Keller dieses zurück- und vorausblickende Stück von 2001 vorgeführt. Der Komponist hat sich aber aus der Rätsellösung ausgeklinkt: Zu viel Insiderwissen eben …
Neben Eva, Keller und Asimont sind auch Christian Hoting (Klavier), Nagako Kato Kübler (Cello) und Dorota Kölblinger (Violine), Norbert Körner (Cello) und Dorit Kohne im Einsatz. Als Lehrer könnten sie die Frage nach Frau Badarzewska-Baranowska natürlich aus dem Stegreif ebenso beantworten wie Heerscharen von Klavierschülern: Die Polin komponierte 1856 das Stück „Gebet einer Jungfrau”. Es wurde, auch in unzähligen Arrangements, über Jahrzehnte zum meistverkauften Hit in den Salons – und bis heute zum belächelten Ulk bei Musikschülern.