Zur Zeit haben unsere Mitglieder einen hohen Beratungsbedarf: Bei den sich verschärfenden Maßnahmen besteht zunehmend Unsicherheit über die aktuell geltenden Regelungen. Für Baden-Württemberg ist zumindest gerichtlich geklärt, dass die spezielle Corona-Verordnung Musik-, Kunst- und Jugendkunstschulen nicht für den privaten Musikunterricht gilt. Anderslautende FAQs des Kultusministeriums sind nicht rechtsetzend und nur als unverbindliche Empfehlungen zu verstehen (Verwaltungsgericht Stuttgart, eingegangen 10. Mai 2021, AZ 16 K 1838/21, vgl. nmz, Ausgabe 6/2021).
Damit fallen alle privaten Unterrichtsangebote durch Soloselbstständige unter die allgemeine Coronaverordnung. Wie der Name „privater Musikunterricht“ schon sagt, handelt es sich um den privaten Bereich. Andererseits ist auch der private Musiklehrer oder die private Musiklehrerin ein Unternehmen, das eine Dienstleistung anbietet. In diesem Spannungsfeld müssen eigene Regeln in Eigenverantwortung entwickelt werden.
Nach §18 Abs. 2 CoronaVO Baden-Württemberg sind (nicht immunisierte) Selbstständige mit direktem Kontakt zu externen Personen verpflichtet, zweimal pro Woche einen Antigen-Schnelltest durchzuführen oder durchführen zu lassen. Bei entsprechenden Hygienemaßnahmen ist ein „direkter Kontakt“ – selbst nach der Definition des RKI – beim Musikunterricht gar nicht gegeben. Eine Testpflicht bestünde demnach nicht.
Bei weiter Auslegung darf sich ein nicht immunisierter Lehrer oder eine nicht immunisierte Lehrerin selbst in der Alarmstufe jederzeit mit einem immunisierten Schüler oder einer immunisierten Schülerin treffen. Dafür ist es ausreichend, dass bei dem Schüler oder der Schülerin der Nachweis des regelmäßigen Schulbesuchs, z.B. durch eine Bestätigung des regelmäßigen Schulbesuchs belegen lässt. Damit wird – zumindest in Baden-Württemberg – die regelmäßige Testung nachgewiesen. Freilich wird dabei geflissentlich darüber hinweg gesehen, dass in Ferienzeiten keine Tests durchgeführt werden und so eine Testung eventuell Wochen zurückliegt. Die Liste der Absurditäten in den geltenden Regelungen ließe sich beliebig lange fortsetzen.
Natürlich ist der Infektionsschutz wichtig in Zeiten unkontrolliert steigender Inzidenzen. Die Belegung der Intensivbetten in Krankenhäusern erfordert einen verantwortungsvollen Umgang mit der Situation. Zum eigenen Schutz und zum Schutz der zu Unterrichtenden ist selbstverständlich ein auf den Unterrichtsort und die Unterrichtssituation zugeschnittenes Hygienekonzept zu erstellen. Dieses Schutz- und Hygienekonzept muss im Zusammenwirken mit der „Kundschaft“ entwickelt und auch eingehalten werden.
Rückmeldeverfahren der L-Bank
Drohende Rückzahlungspflicht der Soforthilfe Corona: Großer Beratungsbedarf entsteht zur Zeit auch durch das Rückmeldeverfahren der L-Bank in Baden-Württemberg, bei dem die erhaltenen Corona-Soforthilfen überprüft werden. In vielen Fällen droht eine Rückzahlungspflicht, weil sich im Vergleich zur Situation bei Antragstellung andere Werte ergeben haben.
Oftmals wäre aber eine Rückzahlung momentan gar nicht möglich, weil eine so angespannte Liquiditätslage herrscht, dass die Privatinsolvenz droht. Eine Antragstellung war beispielsweise erst möglich, nachdem Tage und Wochen ohne jegliche Einkunftsmöglichkeit verstrichen waren. Dann wurde bei der Gestaltung der Soforthilfe nicht berücksichtigt, dass Musiker und Musikerinnen so gut wie nie „Betriebskosten“ haben; ihr „Kapital“ besteht ausschließlich in ihrer Leistung, die sie in Person erbringen. Bei vielen wurde die Soforthilfe erst nach Monaten bewilligt und ausbezahlt, obwohl die Künstler und Künstlerinnen auch in diesem Zeitraum essen und wohnen mussten!
Einnahmen im „Betrachtungszeitraum“ führen zur Reduzierung der Förderung und zur Rückzahlungspflicht.
Wichtig wäre es jetzt, die Zeit ab dem Lockdown in den Betrachtungszeitraum mit einzubeziehen und diesen nicht erst mit dem Termin der Antragsstellung beginnen zu lassen.
Außerdem ist die Frage zu klären, wie Einkünfte behandelt werden, die zwar im Betrachtungszeitraum erzielt werden, sich aber auf einen viel längeren Zeitraum beziehen wie zum Beispiel Tantiemen.
Der Tonkünstlerverband Baden-Württemberg hat seine Mitglieder gebeten, Fallbeispiele zu liefern, für die wir dann eine individuelle Beratung anbieten wollen.
Die im Text gemachten Aussagen sind die Meinung des Autors. Sie stellen weder eine juristische Beratung dar, noch sind sie als Handlungsanweisungen gedacht. Sie beruhen allerdings auf berichteten Erfahrungen.
FAQs – häufig gestellte Fragen sind im Zusammenhang mit Verordnungen bloße Hinweise, welche keine eigenständigen rechtsverbindlichen Regelungen enthalten. Sie wären demnach keine verbindlichen Auslegungshinweise (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart, AZ 16 K 1838/21).