Das Jahr 2024 war für freischaffende Musiklehrkräfte und Musikschulen in rechtlicher Hinsicht turbulent, das neue Jahr bringt einige Lichtblicke mit sich. Zum 1.1.2025 ist die Reform des § 4 Nr. 21 UstG in Kraft getreten. Dazu hat die Redaktion ein Gespräch mit Hans-Jürgen Werner, dem ehrenamtlichen Justiziar des Präsidiums des DTKV, geführt.

Hans-Jürgen Werner. Foto: privat
Herausforderungen für Musikschulen
DTKV: Bitte erläutern Sie kurz die neuesten Entwicklungen in Bezug auf die Umsatzsteuerbefreiung für selbständige Musiklehrkräfte.
Hans-Jürgen Werner: „Kurz“ ist bei der Umsatzsteuer nicht zu realisieren, wenn man die Regelungen einigermaßen verstehen will. Verstehen muss man zunächst, dass es sich – anders als dies häufig dargestellt wird – bei der Steuerfreiheit nicht um eine Subvention der Leistung handelt! Zweck der Steuerbefreiung ist, die Kosten für eine Bildungsleistung nicht unnötig für den Endverbraucher zu verteuern. Dieser ist für den Leistenden nicht immer von Vorteil, denn die Steuerfreiheit führt zum Verbot des Vorsteuerabzugs. Unternehmer der Branche spüren dies insbesondere in Investitionsphasen, in denen sie die in Rechnungen an sie ausgewiesene Umsatzsteuer bei den Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht als Vorsteuer von der eigenen Steuerschuld als Abzugsposten erklären können. In der Branche der außerschulischen Bildungsanbieter ist es untypisch, den Kunden die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen. Um ein Unterrichtsangebot möglichst günstig halten zu können, nehmen die Unternehmer in Kauf, die Umsatzsteuer aus den vereinnahmten Entgelten herauszurechnen. Dadurch wird sie für die Bildungsanbieter wirtschaftlich zu einem bedeutenden Faktor bei der Liquidität selbst. Es ist in der Rechtsgeschichte des § 4 Nr. 21 UStG ein Novum, dass für den Musikunterricht im Speziellen so deutlich der politische Konsens zum Ausdruck kommt, die Umsätze aus dem Unterricht für Kinder im Alter ab 3 Jahren, Jugendliche und Erwachsene steuerfrei zu halten. Untermauert wird dies auch dadurch, dass die Verbände bis zum 7. Februar 2025 erstmals in der Rechtsgeschichte zu einem Entwurf der künftigen Verwaltungsanweisung Stellung nehmen konnten. Aktuell erörtert das BMF die Kritikpunkte der Verbände in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bildungsleistungen. Ziel ist es, das abgestimmte BMF-Schreiben bis Ende März den Umsatzsteuer-Referatsleitern vorzulegen. Das BMF hat gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestags das Ziel erklärt, die Kritik der Verbände zu berücksichtigen, soweit dies aus seiner Sicht europarechtlich zulässig ist.
Kritik des DTKV
Auch der DTKV hat Kritik vorgetragen. Er sieht die Gefahr, dass sich die Finanzverwaltung in einem Teilabschnitt die Möglichkeit verschaffen möchte, eine erteilte Bescheinigung der Landesbehörde ignorieren zu können, wenn sie zu der Beurteilung kommt, es handele sich bei genauer Betrachtung nicht um eine Bildungsleistung, sondern um eine (steuerpflichtige) reine Freizeitgestaltung. Diese Absicht müssen und wollen wir als DTKV verhindern und sehen uns hier auf einem positiven Weg. In der Kommunikation zwischen dem DTKV-Präsidenten Christian Höppner und dem BMF erklärte die für Steuern zuständige Staatssekretärin im BMF Luise Hölscher, dass die zuständige Landesbehörde einzuschalten sei, wenn das Finanzamt eine Überprüfung der Bescheinigung anregt. Wir beobachten genau, ob sich diese Auslegung in der Verwaltungsanweisung wiederfindet. Sollte dies nicht der Fall sein, werde ich in meiner Funktion als Justiziar dem DTKV nahelegen, das BMF, den Bundesrat und die Parlamentarier zu zwingen, der Finanzverwaltung die Entscheidungskompetenz zur Steuerfreiheit von Bildungsleistungen zu nehmen. Diese ist unionsrechtlich nicht geboten und wäre nach meiner Überzeugung darüber hinaus ein unzulässiger Eingriff in die Kulturhoheit der Länder.
Nun konkret zur Frage: Die Änderung des § 4 Nr. 21 UStG erweitert den begünstigten Bereich der Umsatzsteuerbefreiung. Bisher waren dem Wortlaut nach nur Leistungen begünstigt, die auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts durchzuführende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Im Verfahren einer Kreismusikschule urteilte der Bundesfinanzhof im Jahr 2009, es handele sich um eine Schule, deren Leistungen allgemeinbildend (z. B. Instrumentenkarussell) und berufsvorbereitend sind (z. B. studienvorbereitende Ausbildung).
Ab 1. Janur 2025 werden in teilweiser Übernahme der unionsrechtlichen Begriffe Schul- und Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung sowie Umschulung von der Steuer befreit. Die Gewinnerzielungsabsicht steht der Befreiung nicht entgegen. Bei den selbständigen Musiklehrkräften ist zu unterscheiden, ob sie die Leistungen im Auftrag von Einrichtungen erbringen oder in eigenem Namen und auf eigene Rechnung als Privatmusiklehrkräfte.
Zu den Lehrkräften
Zuerst zu den Lehrkräften, die als Selbständige den Musikunterricht im Auftrag der Bildungseinrichtungen erbringen: Institutionell werden Musikschulen begünstigungsfähige Bildungseinrichtungen sein, die umsatzsteuerfreien Musikunterricht an Kinder ab drei Jahren, Jugendliche und Erwachsene erteilen, wenn qualitative Mindeststandards erfüllt sind.
Infolge der engen Auslegung der unionsrechtlichen Begriffe „Schul- und Hochschulunterricht“, wonach die Schulungsmaßnahmen in einem breit gefächerten Rahmen stattfinden müssen und deshalb spezielle Unterrichtsleistungen dazu nicht gehören, sieht der künftige Anwendungserlass ausdrücklich vor, die Leistungen der Ausbildung zuzuordnen. Damit ist eine zentrale Forderung des DTKV erfüllt, die er seit über 20 Jahren konsequent vertritt: die Steuerfreiheit des Unterrichts an Kinder im Alter ab 3 Jahren zu sichern. Gegenwärtig bemüht sich der DTKV darum, auch den Unterricht an Kinder unter 3 Jahren in den begünstigten Bereich der Ausbildung einbeziehen zu lassen. Nach dem Entwurf der Verwaltungsanweisung soll der Unterricht an Kinder unter 3 Jahren gem. § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei behandelt werden. Das ist jedoch mit der Einschränkung verbunden, dass der leistende Unternehmer keine systematische Gewinnerzielungsabsicht haben darf und, wenn Gewinne anfallen, diese nicht entnommen werden dürfen, sondern der Erhaltung oder der Verbesserung der Leistung dienen.
Prüfungen
Die zuständige Landesbehörde prüft – wie bisher – die Seriosität des Trägers der Einrichtung und die des eingesetzten Lehrpersonals, die prinzipielle Eignung des Unterrichts als Schul- und Hochschulunterricht, für Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Umschulungszwecke. Bedeutend ist, dass es bei der Beurteilung keine Rolle spielen wird, ob die Unterrichteten die Leistung tatsächlich für Bildungsziele verwenden.
Für die selbständigen Lehrkräfte, die im Auftrag der Einrichtungen den Unterricht erteilen, bedeutet dies, dass auch ihre Unterrichtsleistungen steuerfrei sein müssen, wenn die Bildungseinrichtung selbst als begünstigungsfähige anerkannt ist. Diese Anerkennung erfolgt bei privat geführten Bildungseinrichtungen weiterhin durch die Erteilung einer Bescheinigung gem. § 4 Nr. 21 UStG. Vorgesehen ist, dass bereits unbefristet erteilte Bescheinigungen weiterhin gelten. Für Bescheinigungen, die ab 1.1.2025 eine Wirkung entfalten sollen, ist der neue Wortlaut der Befreiungsvorschrift maßgeblich, wonach den begünstigungsfähigen Einrichtungen zu bescheinigen ist, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen. Wie gesagt: Bedeutsam ist die prinzipielle Eignung der Schulungsmaßnahme für die grundsätzlich eng auszulegenden Bildungsbereiche. Das Motiv der Schüler*innen ist für die steuerliche Beurteilung unerheblich. Für Lehrkräfte, die dem DTKV über seine Landesverbände angehören, dürfte es für die Steuerfreiheit des erteilten Musikunterrichts keine besonderen Hürden geben, denn die Mitgliedschaft setzt bei der Aufnahme hohe qualitative Mindeststandards voraus. Im Bescheinigungsverfahren werden diese das entscheidende Kriterium für die Erteilung einer Bescheinigung gem. § 4 Nr. 21 UStG sein.
Positive Entwicklung
Das ist grundsätzlich eine sehr positive Entwicklung, die als Klarstellung der bisherigen Auslegungspraxis gedeutet werden kann. Die nationale Vorschrift wurde etwa erst seit etwa 2003 weit ausgelegt, sodass der Musikunterricht für Kinder ab drei Jahren bereits als Vorbereitung auf einen Beruf angesehen werden konnte; jetzt gilt der Unterricht als Ausbildung. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass die weite Auslegung in Bayern bereits im Jahr 1993 die Verwaltungspraxis prägte. In seiner Eigenschaft als Ministerialrat im Bayerischen Staatsministerium für Kunst und Kultur verfügte Dr. Dirk Hewig an die Regierungen, die für die Erteilung der Bescheinigungen gem. § 4 Nr. 21 UStG zuständig waren und sind, dass es sich bei der musikalischen Früherziehung um eine begünstigungsfähige Bildungsleistung handelt. Bis dahin sollte der Unterricht an Kinder unter 13 Jahren nur in Ausnahmefällen steuerfrei sein, jedenfalls ausgeschlossen der Unterricht in der MFE! Die Verfügung enthielt Hinweise zum Nachweis der fachlichen und pädagogischen Eignung einer Lehrkraft, und enthielt Regeln, die einzuhalten waren, wenn der Nachweis nicht durch förmliche Abschlüsse belegt werden konnte. Zur Erinnerung: Dr. Hewig war später Vorsitzender des Bayerischen Tonkünstlerverbandes und Präsident des DTKV. Er prägte seit 1996 inhaltlich meine persönliche Arbeit für die Steuerfreiheit der Bildungsleistungen entscheidend. Es galt, die bayerische Dienstanweisung bundesweit durchzusetzen, in der Sichtweise, dass der Unterricht ab der Früherziehung eine steuerfreie Bildungsleistung ist.
Nun zu den Privatmusiklehrer*innen: Nach der alten Regelung galten diese Personen „jedenfalls“ als andere allgemeinbildende Einrichtungen, wenn sie über eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfügten. Der Musikunterricht – so der BFH bereits im Jahr 1989 – gehöre zu den geistigen Gütern, die Gegenstand der Allgemeinbildung sind. Diese Auslegung erscheint aufgrund der zuvor geschilderten einengenden Auslegung des unionsrechtlichen Schulbegriffs, der bei speziellen Unterrichtsleistungen nicht erfüllt ist, nicht mehr möglich. Gefordert hat der DTKV deshalb auch die Klarstellung in der künftigen Verwaltungsanweisung, dass qualifizierte Privatmusiklehrer*innen als begünstigungsfähige Bildungseinrichtung anzuerkennen sind, wenn sie sich dem landesbehördlichen Verfahren auf Erteilung einer Bescheinigung gem. § 4 Nr. 21 UStG unterziehen. Juristisch ist dies nicht mehr notwendig, denn neu ist im Gesetz eine spezielle Regelung, wonach der Schul- und Hochschulunterricht steuerfrei ist, der von Privatlehrern erteilt wird.
Auswirkungen für Freischaffende
DTKV: Weshalb wurde diese Änderung des UStG gerade jetzt beschlossen und wie wirkt sie sich auf freischaffende Musiklehrkräfte aus?
Werner: Bereits 2012 und dann noch einmal im Jahr 2019 versuchte der Gesetzgeber, die Befreiungsvorschrift zu novellieren, immer mit der Begründung, es sei eine unionsrechtlich gebotene Veränderung notwendig. Auch hier ist die Bedeutung des DTKV zu betonen, der sich gegen geplante Änderungen zur Wehr setzte, weil Einschränkungen für den Musikunterricht und künstlerischen Tanzunterricht nicht nur zu befürchten, sondern beabsichtigt waren. Beide Änderungsversuche scheiterten am Widerstand der Verbände, unter anderem auch des Deutschen Berufsverbands für Tanzpädagogik e. V., dem ich auch als Justiziar diene.
Seit Februar 2024 ist ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängig, das sich auf die Unterrichtsleistungen eines Privatlehrers bezieht. Um eine Klage der Europäischen Kommission gegen Deutschland zu vermeiden, musste der Mitgliedsstaat innerhalb von zwei Monaten reagieren. Die Kommission bewertet das in Deutschland vorgesehene Bescheinigungsverfahren für den Schul- und Hochschulunterricht eines Privatlehrers als unzulässige Erschwernis für das steuerfreie Angebot von Bildungsleistungen.
Deshalb benötigen „Privatlehrer“ für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen keine Bescheinigung mehr als Voraussetzung der Steuerbefreiung; sie müssen nun jedoch selbst dem Finanzbeamten konzeptionell etwas vorlegen, das diesem vermittelt, dass der erteilte Unterricht unter die Befreiungsvorschrift fällt. Geklärt ist, dass sich die Leistungen, über den Wortlaut hinaus, auch auf Ausbildung, Fortbildung und Umschulung beziehen können. Der DTKV hat für die Verwaltungsanweisung auch angeregt, dass die Leistungen einzubeziehen sind, die sich auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen beziehen. Persönlich rechne ich nicht damit, dass sich diese berechtigte Forderung jetzt umsetzen lässt, denn meines Erachtens bedarf es dafür einer gesetzlichen Änderung.
Ich befasse mich nun seit 1996 mit diesem Thema und kann dem DTKV im Schulterschluss mit dem DBfT, der seit etwa einem Jahr eng mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände verbunden ist, nach meiner Einschätzung bei der Lösung der Problematiken helfen!
Der DTKV und der Deutsche Musikrat haben sich – neben anderen Verbänden – stark dafür eingesetzt, das Bescheinigungsverfahren für eine staatliche Bescheinigung im steuerlichen Sinn zu erhalten. Wir können uns nicht vorstellen, dass die Finanzverwaltung in der Lage wäre, qualitative Standards sachgerecht zu prüfen. Eine Aufgabe des DTKV wird hier sein, die Unterschiede in den Ländern im Bescheinigungsverfahren beseitigen zu helfen und der Finanzverwaltung Hilfestellungen zu geben, wenn diese bei Privatlehrern über qualitative Mindeststandards der Bildungsleistungen zu entscheiden hat.
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