Deutschland ist eines der führenden Musikländer. Das kann sich bald ändern!
In einem Interview mit der ZEIT vom 22.03.12 stellte der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim die Frage: „Warum lernen unsere Kinder in der Schule nicht Musik, wie sie Mathematik, Geo-
graphie oder Französisch lernen?“ Im fernen Mittelalter zählte Musik zu den sieben Artes liberales, zu Zeiten Bachs und Händels wurden Gymnasiasten vielfach als Chorsänger ausgebildet – Knabenchöre wie der Leipziger Thomanerchor oder die Regensburger Domspatzen führen solche Traditionen bis heute weiter. Die Direktorin eines musischen Gymnasiums berichtet, dass ihre Schüler durchwegs konzentrierter und zielorientierter lernen und bessere Ergebnisse erzielen als die anderen, obwohl sie täglich für ihr Instrument üben müssen, an Proben der Ensembles, in denen sie mitspielen, teilnehmen und bei Konzerten auftreten.
Es wäre also nicht allein aus musikalischen Gründen sinnvoll, Musik besser im Schulunterricht zu verankern. Die Realität freilich ist eine andere. An Grund- und Hauptschulen erteilen häufig fachfremde Pädagogen Musikunterricht; an Gymnasien werden Musik und Kunst vielfach stiefmütterlich behandelt, sodass viele Schüler am Ende kaum Noten lesen können und über Musik nur sehr wenig Wissen und Erfahrung ins spätere Leben mitnehmen.
Doch diese Frage ist keine, die allein auf Lehrpläne und Schulen zielt, sondern auf den „politischen Willen“, wie Barenboim sagt – und dieser fehlt. Allzu sehr wird heute auf die Fächer geachtet, die in der globalen Wirtschaftswelt gefragt sind, zu wenig auf die Bildung des ganzen Menschen, zu der Musik wesentlich beitragen könnte.
Deutschland ist eines der führenden Musikländer. Das kann sich bald ändern. Klassische Musik „funktioniert“ nur, wenn sie ein Publikum hat, das sie versteht. „Wir müssen hören lernen!“ fordert deshalb Daniel Barenboim und fügt hinzu, obwohl er selbst ein „Star“ im Musikbetrieb ist: „Wir jubeln Stars zu, nur weil sie Stars sind, das ist absurd.“