Mit der Wertschätzung der grundsätzlichen Verschiedenheit aller Menschen hebt sich der Gedanke der Inklusion vom Integrationsbegriff ab. Differenz und Diversität werden als Bestandteil und Bereicherung des Umgangs miteinander und für die pädagogische Arbeit erkannt.
Die Arbeit in allen pädagogischen Tätigkeitsfeldern muss damit der Vielfalt der Menschen gerecht werden. Eine inklusive Pädagogik tritt dafür ein, dass unabhängig von Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen, von sozialer oder kultureller Heterogenität alle Menschen an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können. „Soziale Inklusion als künstlerische und musikpädagogische Herausforderung“ – zu dieser aus gesellschafts-, kultur- und schulpolitischen, vor allem aber auch aus pädagogisch-didaktischen Gründen bedeutenden Thematik hat die Gesellschaft für Musikpädagogik (GMP) bereits im Frühjahr 2011 ein Symposium veranstaltet, dessen Beiträge in diesem Jahr im „Jubiläumsband“ 25 der GMP-eigenen Buchreihe „Musik im Diskurs“ veröffentlicht werden sollen.
Um dem anspruchsvollen Thema gerecht zu werden und dessen Facetten zu erweitern, fand am 2. März 2012 in der Evangelischen Fachhochschule Rheinland Westfalen Lippe ein Kolloquium statt, bei dem weitere Beiträge des Buchprojektes vorgestellt und intensiv diskutiert wurden.
Die im letzten Jahr vorgestellten Konzepte aus soziologischer, förderpädagogischer, tänzerischer und musikdidaktischer Sicht wurden ergänzt um Perspektiven der Grundschule, der Instrumentalpädagogik, der Gesangspädagogik und der außerschulischen Jugendarbeit.
Seit drei Jahren koordiniert Prof. Dr. Ulrike Kranefeld den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Forschungsschwerpunkt zu „Jedem Kind ein Instrument“, aus dem zwei Projekte in den Zusammenhang der diesjährigen Tagungsthematik gestellt wurden. Die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler im JeKi-Gruppeninstrumentalunterricht stellt die beteiligten Musikschullehrenden vor hohe Anforderungen. Ein gemeinsamer Forschungsansatz von Ulrike Kranefeld und Kerstin Heberle „Zum Umgang mit Differenz im Gruppeninstrumentalunterricht in der Grundschule“ fokussiert die Reaktion der Lehrerinnen und Lehrer auf Leistungsdifferenzen durch Videoanalysen. Anhand der detaillierten Auswertung einer Videosequenz konnte exemplarisch die Interaktion der Beteiligten bei der Konstruktion und beim Umgang mit Leistungsdifferenz gezeigt und diskutiert werden.
Der zweit<e Beitrag stellte die Frage nach der Teilhabegerechtigkeit und Chancengleichheit im Kontext von JeKi. Erste Erkenntnisse auf empirischer Ebene nutzten Ulrike Kranefeld und Thomas Busch, um Gründe und Prädiktoren für die Beantwortung der Frage „Teilhabegerechtigkeit oder ungleiche Chancen – wer verlässt das Programm ‚Jedem Kind ein Instrument?‘“ zu erfassen. Als stärkste Variable für das Verbleiben von Kindern im JeKi-Unterricht über das erste und zweite Schuljahr hinaus erwies sich das Unterstützungsverhalten der Eltern.
Möglichkeiten einer zukünftigen inklusiven Musikerziehung und Musikdidaktik für eine Pädagogik der Vielfalt lotete Dr. Daniela Laufer unter der Überschrift „Zur Musik eingeladen – Beiträge der sonderpädagogischen Musikdidaktik im Umgang mit Verschiedenheit“ aus. In der Reflexion des unterschiedlichen Umgangs von Schülerinnen und Schülern mit einer musikalischen Gestaltungsaufgabe zeigte sie die individuellen Lernchancen und Lernherausforderungen in der Arbeit mit der Aufgabe auf.
Auch Dr. Andreas Kloth gründete seine Konsequenzen der Arbeit mit differenzierten Aufgabenstellungen auf Erfahrungen aus dem gemeinsamen Unterricht. Unter Abwägung auch struktureller und organisatorischer Bedingungen plädierte er mit „Ein Recht auf musikalische Bildung: Auswirkungen von Inklusion auf Musikunterricht“ auf veränderte Rahmenbedingungen, die eine freie Entfaltung aller Kinder ermöglichen.
Zur intensiven Diskussion regten auch die Aufsätze von Bastian Hodapp und Daniel Mark Eberhard an. In den Überlegungen zu „Asthma aus gesangspädagogischer Sicht“ entwickelt Bastian Hodapp ein Asthma-Stimm-Komponenten-Modell als Grundlage gesangspädagogischer Interventionen bei einer Asthmaerkrankung.
Die Chancen künstlerisch-kreativer Schaffensprozesse in der außerschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen spiegelt Daniel Mark Eberhard mit „Beiträge zur sozialen Inklusion durch musikpädagogische Projektarbeit im Umgang mit Musik des 20./21. Jahrhunderts“.
Dass allen Tagungsteilnehmern die Beiträge vorab vorlagen, ermöglichte eine intensive und konstruktive fachliche Diskussion, bei der sich die berufsspartenübergreifende Konzeption der Gesellschaft für Musikpädagogik einmal mehr als inhaltlich gewinnbringend erwies.