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Die Inszenierung von Björn Reinke sparte auf den Brettern, die die Welt bedeuten, nicht mit mit symbolischen Anspielungen, z.B. Lady Gagas Outfit im letzten Akt. Foto: Michael Weber-Schwarz
Die Inszenierung von Björn Reinke sparte auf den Brettern, die die Welt bedeuten, nicht mit mit symbolischen Anspielungen, z.B. Lady Gagas Outfit im letzten Akt. Foto: Michael Weber-Schwarz
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Das Feuer weitergeben

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Die Junge Oper Schloss Weikersheim
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„Carmen“ mit elf Vorstellungen komplett ausverkauft! Welch ein Erfolg im Jubiläumsjahr! Noch im Juni stand keineswegs fest, ob die Corona-Pandemie die Internationale Opernakademie mit den Aufführungen der Jungen Oper Schloss Weikersheim zulassen würde.

 

Das Bundesjugendorchester bangte um die nach langer Pause ersehnte Sommerprobenhase, zugleich eine Sonderprobenphase: Oper spielen im BJO, das geht nur alle 4 Jahre! JMD-Generalsekretär Uli Wüster „schaukelte“ das Projekt und die damit verbundenen Entscheidungen von Monat zu Monat weiter. Im Mai war klar, dass eine 100-Minuten-Fassung „ohne Pause“ her musste. Dirigent Elias Grandy und Regisseur Björn Reinke einigten sich über unverzichtbare Musiknummern und eine noch verstehbare Handlung. Im Juni probte man mit den 22 Solisten*innen aus 11 Nationen, und auch der dann anreisende Projektchor war im Krisenszenario noch über der schwarzen Null. Dann reiste das BJO an: rund 80 Personen, das gab die Worst-Case-Rechnung nicht mehr her. Aber: Die Corona-Lage besserte sich, es gab abgestufte Lockerungen. Die JMD verständigte sich mit dem Gesundheitsamt auf ein Hygiene-Konzept, das die wochenlange Probenarbeit und Vorstellungen ohne Abstand und Maske für die Künstler zuließ – leider auch nur 380 der sonst 1.000 Plätze auf der Zuschauertribüne. „Ausverkauft“ war damit das geringere Problem. Und nur mit dem am 15. Juni veröffentlichten „Sonderfonds Kulturveranstaltungen“ der Bundesregierung war es vertretbar, den zu gewärtigenden Einnahmeausfall einer fast sechsstelligen Summe gelassen hinzunehmen.

Freilich macht die JMD ihre Oper nicht um der Einnahmen willen, so nötig sie sind. „Die Oper“ ist Tradition, und dabei geht es (egal, ob wirklich Gustav Mahler das gesagt hat) „nicht um die Anbetung der Asche, sondern um die Weitergabe des Feuers“. Das ist durch und durch ideell – auch Prometheus nahm einen Negativ-Saldo in Kauf, als er den Menschen das Feuer brachte. Um weiter im Bild zu bleiben: Die vielen Opern, die die JMD auf Schloss Weikersheim seit 66 Jahren machte, sind inzwischen ein großer Berg „Asche“, in dem sich aber umso besser die Glut hält, um sie jeweils neu zu entfachen. Und das bedeutet unverbrüchlich: Die Oper als die intensivste Ausdrucksform abendländischer Kultur für Menschen von heute zu erschließen, uns in ihren Plots wiederzuerkennen und die Musik an uns heran zu lassen: das gilt für Jene, die sie singen und spielen als miterlebte und empathische Botschaft, und für Alle, die zusehen, als unter die Haut gehendes Gleichnis von Menschen, ihren Schicksalen und Innenwelten. „Das Mehr an Ausdrucks- und Schaffenskraft macht bei der Internationalen Opernakademie der Jeunesses Musicales Deutschland den entscheidenden Unterschied.“, beschrieb es „Concerti“, und der Hessische Rundfunk bescheinigte der Internationalen Opernakademie, sie gelte als „Talentschmiede“, bei der „vor allem ein besonderer Enthusiasmus spürbar“ werde.

Als 1959 der junge Klaus Bernbacher die Teilnehmer*innen der Internationalen Sommerkurse auf Schloss Weikersheim dafür entflammte, neben Orchester und Kammermusik auch Oper zu machen, sprang der Funke sofort über. „Damals spielten wir die Oper konzertant in Kostümen im Rittersaal des Schlosses“, erinnert sich Bernbacher, der den Prinzen Constantin zu Hohenlohe dann dazu bewegte, mit Beethovens „Fidelio“ ab 1965 den akustisch und optisch idealen Renaissancehof des Schlosses dafür herzugeben. Neben Mozart oder Cimarosa wagte man sich an Wagners „Meistersinger“, Orffs „Kluge“, gar Honnegers „Johanna auf dem Scheiterhaufen“ (1967), später sogar an Verdis „Troubadour“ oder Strauss’ „Salome“ (1980). Das war dann schon die Zeit, als ein aus aller Welt zusammengewürfeltes Projektorchester solche Programme nicht mehr bewältigen konnte. Nun wurden Landesjugendorchester eingeladen, aus Bayern, Niedersachsen, Hessen, insbesondere das von Hans Josef Menke in Nord–rhein-Westfalen als JMD-Orchester gegründete gastierte oft. Als Dirigenten ließ Bernbacher mehr und mehr Gäste ans Pult, Karl-Heinz Bloemeke, Caspar Richter, Werner Andreas Albert, Hans Herbert Jöris, Bernhard Kontarsky.

Unter der entschlossenen Leitung von JMD-Vorstandsmitglied Heribert Schröder wurde eine entscheidende Weichenstellung der Professionalisierung in jeglicher Hinsicht vorgenommen: Man gründete einen eigenen Trägerverein, konzipierte das Projekt in die zwei gleichrangigen und sich gegenseitig bedingenden Elemente „Kurs“ und „Festival“, um den je eigenen Erwartungen der Adressaten gerecht werden zu können – dem „verwöhnten“ Publikum der inzwischen breit aufgestellten Sommerfestival-Landschaft, dem Qualifizierungs- und Berufschancenwunsch der jungen Solisten*innen in einem schnellebiger werdenden Opernbetrieb sowie der Orientierung für immer jüngere Instrumentalisten*innen von Jugendauswahlorchestern, einmal früh die seltene Erfahrung „Oper spielen“ machen zu können. Auch fiel die Entscheidung, die Oper nur mehr zwei-jährlich zu machen, um das – heute fast eine halbe Million Euro teure – Projekt mit ausreichendem Vorlauf organisieren und mit dem gebündelten Budget auch finanzieren zu können. Nun war auch eine attraktivere Bühne mit Theater-Beleuchtung und erprobten Technikern drin. Schröder griff noch weiter nach oben: „Ich wollte die großen, bedeutenden Chefs, die ‚big names‘, und nicht nur zur Generalprobe und Premiere, sondern richtig für sechs Wochen in Weikersheim“, und das bei sehr bescheidenen Gagen. Und er fand sie: Dirigenten wie Dennis Russel Davies, Lothar Zagrosek oder Stefan Sanderling, und er setzte auf nationale bzw. internationale Jugendspitzenorchester wie das Bundesjugendorchester, die Junge Deutsche Philharmonie, das Nationale Spanische oder Niederländische Jugendorchester usw. Mit Davies landete man 1993 mit der europäischen Erstaufführung von Phil Glass’„Orphée“ einen großen Coup. Yakov Kreizberg machte in Weikersheim „Bohème“, „Carmen“ und „La Traviata“ (2005).

Mit der Dramaturgin Karen Kopp, dem Intendanten Guy Montavon und dem Regisseur Patrick Bialdyga als künstlerischen Beratern übernahm nach 2002 JMD-Generalsekretär Uli Wüster die Geschicke der Oper. Mit dem Bundesjugendorchester bzw. seinem Direktor Sönke Lentz wurde eine Kooperation für alle vier Jahre verabredet, dazwischen kamen jeweils internationale Jugendspitzenorchester wie das aus Spanien für die „Carmen“ 2003, Nicolais „Lustigen Weiber“ als letztes Projekt des RIAS-Jugendorchesters vor dessen Auflösung 2009, das Junge Klangforum Mitte Europas, das Europera Jugendorchester, 2019 das katalanische Jugendorchester für „La Bohème“. Ein Highlight war sicher Rossinis „Cenerentola“ in einer Inszenierung von Dominik Wilgenbus (2007), und unvergessen die Trias der Mozart-Da-Ponte-Opern unter historisch-informierter Stabführung von Bruno Weil, der als Spezialist der Wiener Klassik Mozart in „neuem, altem“ Gewand aufhorchen ließ.

Ein Spotlight stellvertretend für die Menschen hinter den Kulissen sei auf die seit 30 Jahren wirkende Kollegin Andrea Riegler gerichtet, die als Produktionsleiterin „plus“ mit viel Erfahrung und Übersicht als Fels in der Brandung auch eine Garantin für das Gelingen einer jeden Oper ist. Auch ihr und dem gesamten Team ist es zu danken, dass die „Carmen“ 2021 tatsächlich das Jubiläumsjahr zu krönen vermochte. Man träumte zwar von einer sorglosen Produktion im Weikersheimer „Idyll“ mit allabendlich dicht besetzten Rängen, Sommerfestival-Feeling und einer ordentlichen Überschuss einnahme. Aber alles in allem war die „Corona-Carmen“ ein glückliches Geburtstagsgeschenk – für die Jeunesses, für die Mitwirkenden, für das Publikum: „Ich komme alle zwei Jahre zu Ihren Aufführungen, um die Ungezwungenheit, die jungen Künstler*innen und die moderne Inszenierung zu genießen. Der Abend war wieder unvergesslich!“ – „In jeder Hinsicht ein voller Erfolg und ein wahrer Genuss, die Oper musikalisch auf so hohem Niveau und mit der unbändigen Spielfreude der jungen Leute zu erleben.“ Die Junge Oper Schloss Weikersheim war und ist bis heute (Zitat „Das Opernglas“, 2017): „eines der renommiertesten Förderprojekte für den Opernnachwuchs, ein höchst lebendiger Anziehungspunkt für junge Talente, der ähnliche Initiativen weit überstrahlt.“ Dieses ist das Erbe, das uns verpflichtet, die Fackel weiterzugeben.

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